Ein bekannter russischer Geschäftsmann hat die Pleite einer Bank in Osteuropa verursacht, indem er gewaltige Summen ins Ausland schaffte. Julius Bär ist beschuldigt, ihm dabei geholfen haben.

Die Schatten der Vergangenheit greifen erneut nach der Bank Julius Bär. Während eine deutsche Behörde weiterhin wegen verschwundener DDR-Millionen gegen die Privatbank vorgeht, traf vergangene Woche eine weitere Klage über 306 Millionen Euro beim Zürcher Traditionshaus ein.

Julius Bär teilte dazu mit, eine in Liquidation befindliche Gesellschaft habe das Gerichtsverfahren im EU-Sitzstaat des Klägers eingeleitet. Weitere Auskünfte gab die Bank nicht, verwies aber auf die Geschäftsberichte, wo seit 2013 die Forderung aufgelistet ist und ein wenig Hintergrund geliefert wird.

Klägerin ist eine litauische Bank

Die ausländische Gesellschaft beschuldigt Julius Bär, nicht verhindert zu haben, dass zwei ihrer Kunden Vermögenswerte dieser Gesellschaft veruntreut hätten. Julius Bär bestreitet die Forderung entschieden.

Aus banknahen Quellen war zu erfahren, dass das Management wegen des weiteren Gerichtsverfahrens nicht sonderlich beunruhigt ist.

Ganz in Sicherheit sollte sich die Zürcher Bank aber nicht wiegen. Bei der Klägerin handelt es sich um die litauische Bank Snoras.

«Ein Angriff auf die Gesellschaft Litauens»

Diese hat die litauische Regierung im Jahr 2011, nachdem Verdacht auf internen Betrug aufgekommen war, notfallmässig verstaatlicht und in Liquidation geschickt. Hinter der Klage gegen Julius Bär steht demnach indirekt der litauische Staat. Der Gerichtsstand bedindet sich ebenfalls dort.

Nach der Verstaatlichung von Snoras, gebrauchte die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite drastische Worte, um die Vorgänge in der Bank zu beschreiben: «Die Aktivitäten von Snoras betrachten wir nicht nur als Angriff auf das Bankensystem Litauens, sondern auch auf die Interessen unserer Gesellschaft.»

Internationaler Haftbefehlt gegen Snoras-Besitzer

Das nationale Pathos der Staatspräsidentin richtete sich gegen einen Mann: Den Russen Vladimir Antonov, der mit 68 Prozent Aktienbesitz die Snoras Bank kontrollierte. Weitere 25 Prozent hielt der Litauer Raymond Baranauskas.

Einen Tag nach der Verstaatlichung der Snoras Bank, Kunden hatten in einem sogenannten «bank run» in Panik ihre Konten geräumt, erliess Litauen einen internationalen Haftbefehl gegen Antonov.

Der Vorwurf: Veruntreuung von 565 Millionen Euro, Fälschung von Dokumenten und ungetreue Geschäftsführung.

Auch Konten bei HSBC

Der eingesetzte Snoras-Liquidator machte sich auf die Suche nach dem Geld und wurde in der Schweiz fündig: Bei Julius Bär und bei der HSBC Privatbank.

Antonov und Baranauskas hatten Hunderte von Millionen Euro auf Schweizer Konten transferiert. Julius Bär war zunächst auf 422 Millionen Euro betrieben worden.

33 Transaktionen auf Schweizer und Offshore-Konten

Gemäss litauischen Medien hatten Antonov und Baranauskas zwischen 2008 und 2011 33 Transaktionen auf Schweizer und andere Offshore-Konten auf den Cayman Islands, Zypern und Belize getätigt.

Es ist zumindest fragwürdig, dass Julius Bär Gelder von Antonov angenommen hat, deren Herkunft wohl verschleiert war. Ein Background-Check hätte manches über diesen Kunden ergeben.

Briten verweigerten die Banklizenz

Beispielsweise hat im Jahr 2009 die britische Finanzaufsicht FSA der Snoras Bank die Erteilung einer Lizenz verweigert, namentlich wegen ihres Hauptaktionärs und Präsidenten Antonov.

Dieser habe der Behörde wichtige Informationen vorenthalten. «Diese Unterlassungen sind kein isolierter Vorfall, sondern Beispiel für ein Verhaltensmuster von Unternehmen, die von Antonov kontrolliert sind», begründete die FSA damals ihren Entscheid.

Der Vater ist Milliardär

Mit anderen Worten: Antonov war als Banker für nicht ganz einwandfreie Geschäfte bekannt. Der damals erst 34-jährige Russe kontrollierte auch die in Osteuropa tätige Conversbank, die auch in Grossbritannien eine Präsenz hatte. Zudem gehörte ihm die russische Investbank.

Den steilen Aufstieg hatte ihm sein Vater Aleksandr Antonov ermöglicht, der es in den Wirren des Zusammenbruchs der Sowjetunion zum Milliardär gebracht hatte. 2009 hatte er ein Attentat in Moskau überlebt.

Im Dunstkreis der Mafia

Dieser Antonov ist zwischen 2008 und 2011 Kunde von Julius Bär geworden. Wohl ein riskanter Kunde, und wenn man die Klagesumme des Snoras-Liquidators zum Mass nimmt, ein sehr lukrativer dazu.

Wo die zu Julius Bär transferierten Gelder jetzt sind, bleibt geheim. Eine Anfrage beim Liquidator blieb bislang unbeantwortet. Medien und diverse Blogs haben Antonov auch in den Dunstkreis der russischen Mafia gerückt.

Wollte Saab kaufen

Zumindest war er in den betreffenden Jahren ein junger Mann mit sehr viel Geld, der sich auch im Automobilgeschäft und als Sponsor in der Formel 1 versuchte. So kaufte er sich zuerst beim holländischen Edel-Autoersteller Spyker ein und übernahm anschliessend einen Anteil an Saab.

Der Deal war lange von den schwedischen Behörden geprüft worden, weil Antonov kriminelle Machenschaften nachgesagt wurden. Dem russischen Oligarchen und Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch eiferte er nach und kaufte im Jahr 2011 den FC Portsmouth.

Flucht nach Moskau

Wenig später nahmen ihn die britischen Behörden nach dem internationalen Haftbefehl Litauens für kurze Zeit fest. Den Kampf um eine Auslieferung an Litauen verlor Antonov im Sommer 2015 – doch flüchtete er nach Moskau.

Inzwischen hat auch Antonov den baltischen Staat verklagt und verlangt 622 Millionen Euro zurück. Alle Anschuldigungen seien politisch motiviert.

Mitten drin in dieser Gemengelage von Grossmannssucht, Betrug, Anklage und Gegenklage, Gerichtsverfahren und staatlicher Forderung nach Wiedergutmachung ist nun auch Julius Bär. Ob Antonov noch Kunde ist, wissen nur er und die Zürcher Bank.

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