Was sind die grössten Herausforderungen für unabhängige Vermögensverwalter in der Schweiz? Dazu nehmen die (Ex-)Banker von FS Associates auf finews.ch Stellung.

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Herr Schrutt, die vierteilige Serie von Interviews mit Ihnen und Herrn Walliser stiess auf lebhaftes Interesse. Wie kommentieren Sie Ihre markigen Thesen im Rückblick?

Zuerst haben wir unsere Meinung zu strukturellen Veränderungen der Branche zusammengefasst unter dem Titel: «Die Anzahl unabhängiger Vermögensverwalter in der Schweiz wird sich in den kommenden Jahren verdoppeln.» Erste Entwicklungen in dieser Richtung haben bereits eingesetzt.


«Clariden Leu hat meine These bestätigt»


Als Beispiel dafür steht die Integration von Clariden Leu in die Credit Suisse (CS). Eine beträchtliche Anzahl von Kundenberatern hat den Schritt in die Selbständigkeit in der einen oder anderen Form bereits vollzogen – mit, wie ich höre, grosszügiger Mithilfe der CS. Das beschriebene Szenario wurde zunächst als provokativ empfunden, scheint sich aber im Trend zu bestätigen.

Haben sich auch andere Thesen Ihrer Serie so rasch bestätigt?

Unsere 2. These «Der Unternehmenswert einer Vermögensverwaltungsfirma ist gleich Null» hat – wen wundert's bei dieser Provokation – am meisten Reaktionen ausgelöst. Offenbar hat sich der eine oder andere Vermögensverwalter doch damit auseinandergesetzt – oder zumindest damit begonnen. Wir sind überzeugt, dass Fragen um den Unternehmenswert einer Vermögensverwaltungsfirma in Zukunft massiv an Bedeutung gewinnen werden.

Ganz eng damit zusammen hängt die von Ihnen in einem dritten Beitrag gestellte «Gretchenfrage: Wem gehört der Kunde?» Die Leser haben darauf reagiert: «Schon wieder einige, die es nicht begriffen haben: Der Kunde gehört sich selbst!» Wurden Sie missverstanden?

In diesem Fall wohl ja. Mein Kollege Markus Walliser schöpft aus seinem Erfahrungsschatz als Leiter grosser Private Banking-Einheiten: Reorganisationen, Übernahmen, Wechsel der Kundenbetreuung, Anstellung von Kundenberatern – und deren Abwerbung durch andere Banken – diese Frage stand häufig zur Diskussion. Und wenn Sie über den Unternehmenswert eines Vermögensverwalters reden wollen – und das werden Sie früher oder später tun müssen – dann ist diese Frage zentral.


«Endlich spricht's einer aus»


In diesem Zusammenhang fehlt noch der qualitative Aspekt. Sie haben Ihre Ausführungen unter die vierte These gestellt: «Mainstream in der Vermögensverwaltung: Nicht schlechter sein als die anderen!» Tönt nicht sehr respektvoll.

Es war wohl die provokativste These, zweifellos. Aber lustigerweise haben mir viele Banker und Vermögensverwalter, aber auch Fondsmanager gesagt: «Endlich spricht einer das aus.» Wir plädieren für mehr Souveränität und mehr Professionalität. Und wenn Sie das Wort «Respekt» erwähnen, ja, bitte mehr Respekt vor dem Kunden! Vermögensverwalter rühmen sich ihrer Fähigkeit, individuell, umfassend und persönlich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen.

Die Umsetzung geschieht gezwungenermassen durch Drittprodukte. Der (messbare) Mehrwert besteht in der risikogerechten Asset Allokation. Bei FS Associates gehen wir davon aus, dass dies kein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell ist. Ein junger Vermögensverwalter wird schon nachvollziehbar zeigen müssen, was er besser kann als andere und weshalb das auch in Zukunft von ihm erwartet werden kann.


«Aus Beratern wurden Verkäufer»


Was kommt auf diesen, sagen wir 30 bis 35-jährigen Vermögensverwalter zu?

Er wird sich in einem völlig veränderten Umfeld wiederfinden. Vergessen wir nicht: Das traditionelle, erfolgreiche schweizerische Vermögensverwaltungsgeschäft blühte auf der Basis der vier Faktoren Spezialwissen/Erfahrung, Dienstleistungsdenken: Berater und Begleiter des Kunden sein, Selbstbewusstsein/gesunder Menschenverstand und vielleicht das Bankgeheimnis.

Was ist daraus in den letzten zwanzig Jahren geworden? Die Produktentwicklung und das Engineering wurden – zum Beispiel nach London – ausgelagert, die Schweiz war hier nie sehr innovativ; aus Beratern wurden Verkäufer; das Bankgeheimnis gleicht einem Emmentaler Käse und die Compliance-Abteilungen in den Banken verhindern Geschäfte, anstatt sie zu unterstützen.

Das ist natürlich alles plakativ vereinfacht, aber wir wollen auch aufrütteln, indem wir die unangenehme Wahrheit auf den Tisch legen. Wir sehen auch erste Erfolge. Langsam erkennt man den Zahn der Zeit: Die Ertragsbasis schrumpft, die Preise sind in Bewegung geraten, die Auflagen der Aufsichtsbehörden sind exponentiell gestiegen – und werden es weiter tun, Nachfolgeprobleme sowohl bei Kunden wie bei Vermögensverwaltern. All dies ist geeignet, um die Branche richtig umzupflügen.


«Emotionen werden massiv unterschätzt»


Was tut unser 30 bis 35-jährige Vermögensverwalter und – noch wichtiger: Was tut ein 50 bis 55-jähriger Vermögensverwalter?

Darf ich als ehemaliger Chefanalyst darauf im Jargon der Branche antworten: «Es kommt darauf an.» Jeder Fall ist anders. Aber ein Element ist sozusagen die Konstante: Er muss sich um den Unternehmenswert kümmern. Daran wird keiner mehr vorbeikommen: Unternehmenswert schaffen, messen und realisieren. Und: Das braucht Zeit. Weitsichtiges Planen ist also notwendig. Dies auch, weil es sich um einen nicht ganz einfachen Weg handelt. Emotionen sind dabei nicht zu unterschätzen.

Emotionen ist doch ein Begriff, der überhaupt nicht in die kalte Finanzindustrie passt.

Einspruch: Emotionen spielen in meiner Erfahrung eine massiv unterschätzte Rolle. Wir reden von Mitarbeitern und Kunden, also Menschen.


«Damit schaffe ich mir keine Freunde»


Sie haben den Ruf, analytisch zu sein und gleichzeitig ein harter Manager. Was ist nun wichtiger, Emotionen oder Professionalität?

Meiner Meinung nach klar die Professionalität. Das ist das Fundament. Im Kundengespräch kommen dann die Emotionen dazu. Und, wenn man etwas in der Welt herumgekommen ist und an Universitäten unterrichtet, darf man das vielleicht sagen. So leid es mir tut, ich sehe zum Beispiel in London mehr Professionalität und Innovation als an der Bahnhofstrasse.

Damit schaffe ich mir keine Freunde. Aber fair ist zumindest die Bemerkung, dass andere Finanzplätze massiv an Terrain gewonnen haben, um nicht zu sagen, uns überholt haben.


«Das hat mir ein asiatischer Milliardär gesagt»


Zum Schluss eine eher philosophische Frage: Ist der Mythos Schweiz gestorben, oder hat die Vermögensverwaltung für Betuchte in unserem Land eine Zukunft?

Okay, darauf eine philosophische Antwort: Zunächst hoffe ich, dass wir uns neu definieren können und eine Zukunft haben werden. Die Wertschöpfung für unser Land ist von fundamentaler Bedeutung.

Zwei Beispiele: Ein asiatischer Milliardär hat mir einmal gesagt (er mochte mich offenbar), dass ich drei wichtige Kriterien erfülle. 1. graue Haare (das steht offenbar für Erfahrung), 2. einen Schweizerpass (damit meine er politische Stabilität, starke Währung, Bankgeheimnis, Tradition etcetera) und 3. ich sei «ein Doktor» (damit meinte er Bildung und Professionalität). Ausser meinen grauen Haaren, welche Realität sind, scheint mir der Rest in die Kategorie «Mythos» zu fallen.

Das zweite Beispiel: Ich habe Herrn xy, einen gestandenen Anlageberater, in ein Seminar geschickt. Sein Feedback zur Verkaufsschulung war: «Ich brauche mir doch nicht von einem jungen Coach sagen zu lassen, wie ich zu telefonieren habe.» Zum Thema Produkteschulung meinte er: «Meine Kunden kaufen Nestlé, Novartis und Roche. Was brauche ich dieses akademische Gefasel.» Der Mann ist mit etwa 40 gestorben, mit 60 pensioniert und wird so etwa mit 80 Jahren begraben.

Wir müssen uns neu definieren und dies ist eine Herkulesarbeit. Fleiss, Wille und Enthusiasmus müssen wir uns wieder neu verinnerlichen.


«Kunden sind Menschen»


Dann halt doch noch eine Anschlussfrage. Sie haben anschaulich die Defizite beschrieben. Wenn eine junge Person in die Vermögensverwaltung einsteigen möchte, was raten Sie?

Zunächst eine solide Grundausbildung und zwar im In- und Ausland. Technisch muss er sich auf ein hervorragendes Niveau hieven und sich dann permanent weiterbilden.

Ebenso wichtig ist die Sozialkompetenz. Kunden sind Menschen und die wollen verstanden werden, dazu gehören Sprachkenntnisse. Den Enthusiasmus, die Freude am Beruf habe ich bereits genannt. Und schliesslich – das tönt jetzt wie ein Werbespot für FS Associates, aber ich sage es trotzdem – braucht er eine kritische Aussensicht, jemand der ihm den Spiegel vorhält, aber seinen Enthusiasmus teilt.


Leo Schrutt ist Executive Consultant bei FS Associates und Verwaltungsrat beim unabhängigen Vermögensverwalter Parkside Invest mit Sitz in Zürich.


In unregelmässigen Abständen haben im Verlauf des Jahres Vertreter von FS Associates auf finews.ch zu verschiedenen Herausforderungen für unabhängige Vermögensverwalter in der Schweiz Stellung genommen.

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