Markus Walliser, Executive Consultant von FS Associates, zur zentralen Frage der Kundenbeziehung für die Bewertung eines Vermögensverwalters. 

Walliser_fs-Associates_284x284Herr Walliser, als Kunde verbitte ich mir den Gedanken, irgendjemandem zu «gehören»; ich gehöre mir selbst. Wie kommen Sie dazu, sich mit dieser Frage im Zusammenhang mit Unternehmensplanung und -nachfolge bei Vermögensverwaltern zu beschäftigen?

Weil sich im Private Banking alles um diese Frage dreht: Bei der Gründung einer Vermögensverwaltungsfirma: Wie viele Kunden «nehmen wir mit»? Bei der Anstellung eines Anlageberaters: Wie viele Assets «bringt er mit»? Das sind nur zwei Beispiele, sehr einfache Fälle, die zeigen, dass der Kundenbeziehung – Anzahl, Vermögensgrösse und Intensität der Beziehung – zentrale Bedeutung zukommt, weil sie messbare Grössen sind, im Unterschied zur Qualität der Beratung.


«Oft falsche Erwartungen»


Diese zwei Beispiele können aber auch als Beleg dafür genommen werden, dass die Frage falsch gestellt ist. Sehr oft nämlich verhält sich der Kunde anders als erwartet – er «gehört» eben doch sich selbst. Das relativiert die Bedeutung der Fragestellung.

An Ihrem Einwand ist richtig, dass mit diesen Fragen oft falsche Erwartungen verbunden sind. Erfahrungen und Untersuchungen zeigen, dass oft nur ein Bruchteil der in Aussicht gestellten Vermögen von Kunden «mitkommen». Das sagt aber nichts aus über die Bedeutung unserer Kernfrage.


«Der Kunde wurde transferiert»


Können Sie diese Bedeutung etwas konkreter darstellen?

Private Banking war ursprünglich ein Dienstleistungsgeschäft. «Anlageberater bei Banken sind nicht selten zu Produkteverkäufern degeneriert» hat mein Kollege Leo Schrutt im letzten Gespräch mit finews.ch etwas forsch formuliert. Die Industrialisierung des Banking, die Unterteilung also in Produkte/Produktion und Verkauf/Distribution, setzte sich bei uns Anfang der Neunzigerjahre durch. Nach meiner Beobachtung waren dafür zwei Entwicklungen massgebend: Das Rechnungswesen und das internationale Geschäft.

Die Einführung von Kostenstellenrechnungen und der Fokus auf die Rentabilität erfolgten bei den Banken deshalb so spät, weil bis Ende der Achtzigerjahre fast sämtliche Ertragskomponenten kartellistisch einheitlich geregelt waren – Courtagen, Depotgebühren etcetera. Das Rechnungswesen bestimmte plötzlich, ob zum Beispiel eine Niederlassung eröffnet wird oder es verlangte Budgetierung und Führung mit quantitativen Zielen.

Die Folge waren Anpassungen der Organisation: Wo ist die Abgrenzung zwischen Retailbanking und Private Banking – bei 250’000 oder bei 1 Million Franken? Bankintern wurde darüber lange und intensiv debattiert – und mit immer wieder anderen Antworten dauernd restrukturiert und umsegmentiert. Der Kunde wurde öfters «transferiert».


«Internationalisierung spielte eine Rolle»


Jetzt bin ich bei Ihnen, das kenne ich. Inwiefern spielt die erwähnte Internationalisierung eine Rolle?

Diese ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung für die interne Organisation und für die Zuteilung von Kunden. Einerseits sind dies rechtliche Aspekte und Compliance: Man muss die Gesetze des Herkunftslandes der Kunden kennen – wie man spätestens heute weiss. Dies bedingt eine Spezialisierung. Andererseits war die Organisation einer internationalen Bank darauf vorzubereiten, dass das Onshore-Banking in ausländischen Zielmärkten ausgebaut werden kann, besonders auch mittels Akquisitionen. Beide Entwicklungen erforderten die Bildung und örtlich sinnvolle Lokalisierung von Länderdesks – und damit verbunden war wiederum: der «Transfer» von Kunden.

Inwiefern spielen die Entwicklungen bei den Banken eine Rolle bei der Unternehmensplanung und -nachfolge bei Vermögensverwaltern?

Administration, Compliance, Reorganisationen, Produkteverkauf – diese Aspekte nahmen – und nehmen überhand im Private Banking der Banken. Dies veranlasst oft Anlageberater dazu, den Schritt zum selbständigen Vermögensverwalter zu wählen. Voraussetzung: Man «hat» genügend Kunden und diese «gehören» dem Berater und folgen ihm nach.


«Sind Kunden eigenständig?»


So wie Sie die Zusammenhänge darstellen, gewinnt man den Eindruck, dass Sie die Kundenbeziehung als etwas Selbstverständliches und Dauerhaftes ansehen. Das würde bedeuten, dass Sie dem Kunden wenig Eigenständigkeit – und damit auch wenig Respekt – entgegenbringen!

In der Tat deutet schon in der Fragestellung einiges darauf hin. Und in der Tat schimmert hier meine langjährige Erfahrung als Manager, also als Leiter und Organisator von Private-Banking-Einheiten durch. Als solcher war es mein Bestreben, die eingangs gestellte Grundfrage eindeutig zu beantworten: Der Kunde «gehört» der Bank – was in den Ohren des Kunden arrogant klingt.


«Warum die Nachfolgeregelung Jahre dauern muss»


Gilt dies auch für unabhängige Vermögensverwalterfirmen?

Grundsätzlich ja! Jetzt geht es um den Unternehmenswert. Wenn Sie einen Unternehmenswert auf- und ausbauen wollen, ist die nachhaltige Beziehung des Kunden zum Unternehmen entscheidend. Deshalb legt FS Associates bei Fragen der Unternehmensstrategie und Nachfolgeplanung so viel Wert auf die Feststellung, dass solche Prozesse mehrere Jahre dauern. Es geht um den Unternehmenswert, um dessen Steigerung und Realisierung.

Dabei ist die eingangs gestellte Frage zentral: Ist die Verbundenheit der Kunden mit dem Unternehmen nachhaltig? In der Praxis ist die Verbundenheit zur Bank – auch zur Depotbank – grösser als viele Kundenberater vermuten. Sehr oft ist zudem die zentrale Figur nämlich gar nicht der Kundenberater, sondern dessen Assistentin. Sie ist immer erreichbar, hilfsbereit und weiss, ob der Auftrag ausgeführt wurde – und wenn nicht, löst sie das Problem.


finews.ch setzt die Serie der Gespräche mit Vertretern von FS Associates fort. Die nächste Folge befasst sich mit qualitativen Aspekten der Vermögensverwaltung. Leo Schrutt, Executive Consultant bei FS Associates und Verwaltungsrat bei Parkside Invest, behandelt die These: «Mainstream – um Himmels Willen ja keine schlechtere Performance als die Banken und die Konkurrenten. Wo bleibt der Mehrwert?»


Das Gespräch mit Leo Schrutt, Executive Consultant bei FS Associates und Verwaltungsrat bei Parkside Invest, finden Sie unter diesem Link: «Die unabhängigen Vermögensverwalter müssen sich neu erfinden»

Das Gespräch mit Markus Walliser, Executive Consultant von FS Associates, finden Sie unter diesem Link: «Anzahl unabhängiger Vermögensverwalter wird sich verdoppeln».

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