Der «Economist» schildert die Schweiz als «Offshore-Finanzplatz». Vielleicht ist das gar nicht so schlecht, meint Sindy Schmiegel von der Bankiervereinigung.


Sindy_Schmiegel_13Sindy Schmiegel ist Leiterin Kommunikation UK bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Mitte Februar erschien im weltweit gelesenen «Economist» ein «Special Report» über Offshore-Finanzplätze (für Abonnenten). Die Schweiz bezeichnet sich selbst eher als Zentrum für grenzüberschreitende Vermögensverwaltung denn als «Offshore»-Finanzplatz, doch nimmt sie neben anderen Finanzplätzen einen prominenten Rang im Report ein.

Glücklicherweise, möchte man sagen, denn sonst – Achtung, Ironie – müsste sie sich wohl ernsthaft Sorgen um ihren Rang im internationalen Wettbewerb machen. Ich muss nun nicht mit allem, was der Report postuliert, einverstanden sein, zumal in den Acknowledgements auffälligerweise vor allem kritischen Stichwortgebern gedankt wurde.

Der Report lässt Befürworter und Gegner gleichermassen zu Wort kommen, doch eine Auswertung der Personen, denen namentlich gedankt wurde, offenbart Erstaunliches, vor allem aus Schweizer Perspektive.*

Ein Blick über den Tellerrand tut immer gut

Meiner Achtung vor dieser ausserordentlichen Recherchearbeit, die vor der Redaktion des Reports gestanden haben muss, tut das keinen Abbruch. Der Report bietet einen äusserst lesenswerten Überblick über Geographie, Methoden und Kritik hinsichtlich des sogenannten steueroptimierenden Verhaltens von Privaten und Unternehmen.

Meine Haupterkenntnis: Ein Blick über den Tellerrand tut immer wieder gut. Denn einerseits darf sich die weltweite Kritik nicht allein an die Schweiz richten, und andererseits kann sich die Schweiz getrost vom Eindruck verabschieden, die ganze Welt wolle dem kleinen Land im Herzen Europa Böses.

Anderswo ist man ähnlich beschäftigt wie hierzulande die Schweizerische Bankiervereinigung und ihre Mitglieder.

Niedrige Besteuerung plus Diskretion

Zwei der drei Kriterien, nach denen der Report ein OFC charakterisiert, sind niedrige Besteuerung («escape from high taxes») und Diskretion («secrecy»). Auch «escape from strict regulation» wird als Kriterium genannt, doch dies wird niemand, der die gegenwärtige Regulierungswelle auch nur annähernd verfolgt, als auf die Schweiz zutreffend bezeichnen wollen.

Für Leute mit der Absicht, fremde Besteuerungsregimes zu umgehen, eignet sich die Schweiz ebenfalls nicht mehr, denn unversteuertes Geld aus anderen Ländern wird sich nicht mehr in Zürich, Genf und Lugano unterbringen lassen. Der Schutz der finanziellen Privatsphäre muss jedoch bestehen bleiben, denn es gibt legitime Gründe, diesen in Anspruch zu nehmen; das anerkennt auch der Report.

Die Rahmenbedingungen ändern sich derzeit weltweit, und so sehen sich die Schweiz und ähnliche Finanzplätze einer rauen See ausgesetzt. Ich bin überzeugt, dass der Special Report mit seiner Schlussfolgerung recht hat: «Offshore financial centres are not ready to sink into the sea yet.»

* Wer sich für die Auswertung interessiert, möge mir eine kurze Nachricht senden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.