Zwischen Agonie und Herausforderung. Mal steht es schlecht um die kleinsten Akteure in der Finanzbranche. Dann wieder heisst es, die Situation sei gar nichts so ausgwegslos. Was nun?

Es sind widersprüchliche Signale, die da ausgesendet werden. Generell heisst es, den unabhängigen Vermögensverwaltern stünden schwierige Zeiten bevor. Denn das Ende des Bankgeheimnisses, die verschärfte Regulierung, der Wegfall der Retrozession, die steigenden Kosten und der Margendruck würden gerade den kleinsten Akteuren in der Finanzbranche am meisten zusetzen.

Doch dann wieder deuten manche Studien eine ganz andere Befindlichkeit an. So zeigt eine Erhebung der Privatbank Coutts International: Die Branche ist nach wie vor lebendig.

Sogar optimistisch?

Und nicht nur das: Sie ist offenbar sogar optimistisch und erwartet in den kommenden Monaten ein besseres Geschäftsumfeld, einen Anstieg der Kundengelder und erst noch höhere Gewinne.

Mit anderen Worten: Die unabhängigen Vermögensverwalter schätzen ihre Situation durchaus positiv ein. Mehr noch:

  • 44 Prozent sehen sich in einer besseren Wettbewerbsposition als vor einem Jahr
  • 59 Prozent geben an, Prozesse ausgelagert zu haben, um Kosten zu sparen
  • 88 Prozent wollen ihre Preisstruktur auf dem gegenwärtigen Niveau belassen
  • 40 Prozent der Vermögensverwalter wollen 2015 zusätzliches Personal aufbauen
  • nur 2 Prozent wollen Stellen abbauen

Umgekehrt heisst es aber auch: Kleinere Vermögensverwalter müssten sich an ihre Depotbanken anschmiegen und sich mit anderen Akteuren zusammenschliessen, um zu überleben. Das besagt eine Umfrage der Strategieberatungs-Firma Simon-Kucher & Partners bei rund 100 externen Vermögensverwaltern in der Schweiz.

Ein grösserer Zusammenhang

Damit wird klar: Bei den unabhängigen Vermögensverwaltern tut sich, wie bei den Privatbanken, ein Graben auf, zwischen denen, die sich den neuen strategischen Herausforderungen stellen und denen, die in Agonie der Dinge harren.

Was bedeutet das aber konkret, wenn man die Situation in einem etwas grösseren Zusammenhang betrachtet?

Ein Blick zurück

Zumeist waren es ehemalige Bankangestellte, die irgendwann einmal die Nase voll hatten von einem Job in einengenden Strukturen eines Grossbetriebs. Also machten sie sich selbständig – als unabhängige Vermögensverwalter. Das geschah früher oft, wenn es der Branche gut lief; also vor etwa zwanzig Jahren, als in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre noch goldene Zeiten in der Vermögensverwaltung herrschten.

Die Börsenkurse kannten nur eine Richtung, nämlich nach oben; das Bankgeheimnis war noch hart wie Granit, und die Attraktivität des Schweizer Finanzplatzes für ausländische Kunden kam einem Paradies nahe. Ein Büro, ein Computer und ein paar gute Beziehungen reichten damals völlig aus, um sich als selbständig zu machen – zumeist mit Erfolg, schliesslich war die (Finanz-)Welt damals noch in Ordnung.

Aus der Not heraus

Eine zweite grosse Welle an neuen Vermögensverwaltern gab es im Sog der grossen Finanzkrise, also ab etwa 2009. Der Schritt in die Selbständigkeit geschah damals nicht mehr immer ganz freiwillig, sondern aus der Not heraus. Man musste etwas tun, weil man vom bisherigen Arbeitgeber auf die Strasse gestellt worden war und bei einer anderen Bank keine neue Anstellung mehr fand.

So entstanden bis zu hundert neue selbständige Vermögensverwalter jedes Jahr. Heute zählt die Branche rund 2'000 Vermögensverwalterfirmen, die mit etwa 8'000 Beschäftigten rund 600 Milliarden Franken an Kundenvermögen verwalten.

Ein ambivalentes Verhältnis

Zwischen den unabhängigen Vermögensverwaltern und den Banken besteht ein ambivalentes Verhältnis. Tatsache ist, dass viele dieser «Mikro-Betriebe» (im Durchschnitt beschäftigten sie 3,7 Personen) ihren früheren Arbeitgebern die Kunden abgeluchst haben und aus dem Wissen und der Ausbildung, die sie bei den Banken geniessen durften, inzwischen Kapital schlagen.

Gleichzeitig brauchen die externen Vermögensverwalter aber auch eine Bank, wo sie das Geld der Kunden deponieren können. Denn sie selber sind ja kein Finanzinstitut. Ausserdem übernehmen die Banken zahlreiche administrative Aufgaben für die unabhängigen Vermögensverwalter und stellen ihnen ihre modernen Handels-, Informations- und Verarbeitungsplattformen zur Verfügung.

Eine Zweckehe

So hat sich über die Jahre so etwas wie eine Zweckehe zwischen diesen beiden Partnern gebildet. Die Banken profitieren, weil die Kundendepots weiterhin bei ihnen liegen und sie ihre Infrastruktur auch extern anbieten können – die unabhängigen Vermögensverwalter haben den Vorteil, dass sie zahlreiche Prozesse (Anlagevorschläge, Wertschriftentransaktionen, Kundenprüfungen, Administration) nicht selber tätigen müssen, sondern auslagern können.

Und aus Kundensicht? Für die vermögende Klientel waren unabhängige Vermögensverwalter stets eine gute Alternative zu einer Bankbeziehung. Denn der Kontakt mit den kleinen Betrieben ist zumeist persönlicher, und viele unabhängige Vermögensverwalter entwickeln als Selbständige mehr Eigeninitiative als innerhalb einer Bank, wo sie oftmals nur ein kleines Rädchen im System sind.

Geht nun alles zu Ende?

Da sie auf eigene Rechnung arbeiten, stehen sie gegenüber dem Kunden auch in der Verantwortung, was sie zumeist zu einer vorsichtigeren Geschäfts- und Anlagepolitik anhält, als wenn sie angestellt sind und bloss die Direktiven von oben umsetzen müssen. Last but not least sind unabhängige Vermögens meist günstiger als eine Bank, weil sie nicht einen ganzen Kostenapparat mit Marketing-, Vertriebs- und Werbeaktivitäten zu alimentieren haben.

Doch nun droht das alles zu Ende zu gehen – wegen der Finanzkrise und dem damit einhergehenden Strukturwandel. Die Ursachen sind vielfältig. So verschärfen neue Gesetze und Bestimmungen im Rahmen der Totalrevision des Schweizer Finanzmarktrechts den Handlungsspielraum der unabhängigen Vermögensverwalter erheblich. Sie sind in ihrer Arbeit massiv erhöhten Aufsichts- und Kontrollpflichten unterstellt, was wiederum einen enormen Einfluss auf ihr bislang vergleichsweise einfaches Geschäftsmodell und dessen Kosten hat.

Kosten und Risiken

Mit anderen Worten, sie konnten bisher relativ pragmatisch mit wenigen Mitarbeitern ihre Kunden umfassend betreuen. Mit den neuen Regelwerken, die nun sukzessive in Kraft treten, ist das kaum mehr möglich.

Zum andern überdenken auch die Banken ihr Verhältnis zu den unabhängigen Vermögensverwaltern – aus Kostengründen, aber auch aus Risikoüberlegungen. Lohnt es sich noch, mit solchen Kleinbetrieben zu kooperieren, und sind die Kundengelder, welche diese Vermögensverwalter betreuen, auch tatsächlich versteuert?

Epochale Sinnsuche

Im Zeitalter der Transparenz sind diese Fragen von Relevanz, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Banken selber in einer epochalen Sinnsuche stecken.

So sitzen viele Vermögensverwalter zwischen den Fronten fest. Und zwar zwischen einer behördlichen Aufsicht, die zum Schutze der Konsumenten alles daran setzt, dass es in dieser Branche nicht zu neuen Exzessen und Fehlleistungen kommt, und den Banken, die aus Kostenüberlegungen, Risikoabwägungen und neuen Geschäftsmöglichkeiten sehr zurückhaltend agieren.

Eine dritte Kraft

Das ist bedauerlich, weil unabhängige Vermögensverwalter eine wichtige Rolle auf dem Schweizer Finanzplatz übernehmen. Sie kennen die Banken von innen und wollen es mit ihren Kunden selber besser machen, was ihnen oftmals auch gelingt.

So repräsentieren sie eine dritte Kraft in der hiesigen Finanzlandschaft dar; solange die ganze Geldbranche noch intakt war und das Vertrauen ihrer Klientel genoss, stellte auch niemand Fragen über die Nachhaltigkeit der unabhängigen Vermögensverwalter.

Fernöstliche Weisheit

Jetzt indessen ist unternehmerisches Denken und Agieren gefragt – so, wie das in allen anderen Branchen schon immer der Fall war, und wo auch nie so ideale Rahmenbedingungen bestanden wie in der Schweizer Finanzbranche.

Doch agile Vermögensverwalter können selbst der aktuellen Situation noch eine positive Note abgewinnen. So sagt einer: «In Boom-Zeiten haben kleinere und mittlere Akteure überhaupt keine Chance, an talentierte Leute heranzukommen. Doch jetzt, mit den vielen Restrukturierungen in der Branche spült es jede Menge Spezialisten frei. Das ist einmalig.» Insofern gilt auch hier die fernöstliche Weisheit: Jede Krise stellt immer auch eine Chance dar.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.59%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.47%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.3%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.16%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.48%
pixel