Sie bauen digitale Geschäftsmodelle, mit denen sie die Finanzwelt auf den Kopf stellen. Sie bieten IT-Lösungen an, die den Schritt in die Zukunft überhaupt erst ermöglichen. Oder sie sitzen selber an der Schaltstelle einer Bank, um diese in die «Next Generation Finance» zu bringen. Wer sind die führenden Fintech-Köpfe in der Schweiz? Erfahren Sie es im 2. Teil der finews.ch-Serie.

Richard Dratva, Strategiechef, Crealogix

Richard Dratva 500

Von DirectNet auf dem PC bis zum Omni-Channel-Banking auf allen möglichen mobilen Kommunikationsgeräten war es ein langer Weg. Und Richard Dratva, Mitgründer und Strategiechef der Softwareschmiede Crealogix war und ist immer an vorderster Front dabei.

Er sowie Crealogix-Mitgründer und CEO Bruno Richle haben 1997 für die Credit Suisse mit DirectNet die erste Internetbank der Schweiz gebaut. Heute bauen sie für zahlreiche Schweizer Kantonal- und Privatbanken weiterhin E-Bankinglösungen, die nun allerdings die ganze Kette vom Zahlungsverkehr über Transaktionen sowie Depotinformationen bis zur Kundenbetreuung und Kommunikation alles einschliessen.

Dratva hat früh erkannt, dass das Smartphone und das Mobilitätsbedürfnis der Kunden die Bankbeziehungen enorm prägen werden. Darauf hat er die Strategie von Crealogix ausgerichtet. Im Prinzip will Dratva das Banking zu einem perfekten Kundenerlebnis gestalten. Darum haben bei den E-Bankinglösungen und Apps immer auch Design, Nutzeroberfläche und Bedienbarkeit oberste Priorität.

Dass die Digitalisierung auch die Basis für neue Geschäftsmodelle im Banking bilden würde, war ihm schon früh klar. Mit Crealogix hat Dratva die Voraussetzungen geschaffen, um den Banken Antworten auf die grossen Herausforderungen in der Fintech-Welt zu geben und gleichzeitig Fintech-Trends zum Standard zu erheben – wie das «Personal Finance Management».

Die Partnerschaft mit Meniga, dem führenden europäischen Personal-Finance-Anbieter, erlaubt es Crealogix, die Verwaltung der persönlichen Finanzen als Bestandteil einer E-Banking-Lösungen anzubieten. Jetzt befindet sich Crealogix in der Position, sich im globalen Fintech-Markt zu etablieren. Dafür investiert das Unternehmen nun Millionen von Franken. Dratvas Ambition: der führende Anbieter für «die digitale Bank von morgen» zu werden.

Marco Abele, Head Digital Private Bank, Credit Suisse

Marco Abele 501

Die Credit Suisse (CS) hat ihren Fokus in Sachen Digitalisierung eindeutig auf das Private Banking gerichtet. Seit gut einem Jahr hat sie in ihrer «Digitale Private Bank» auch einen Chef: Marco Abele. Der Deutsche ist kein eigentlicher IT-Spezialist. In seiner Karriere hat er auch bei der Deutschen Bank gearbeitet, ab 2006 bei der CS aber diverse IT-Projekte verantwortet.

Als Head Business Management der externen Vermögensverwalter war er anschliessend für die Plattform «eamXchange» zuständig, die sich als Tor zur digitalen Credit Suisse versteht, indem sie Vermögensverwaltern Zugang zum internen Wissenspool eröffnet. Der Fokus auf das Private Banking hat einen Grund: Abele glaubt, dass neue Anbieter im Zahlungsverkehr den Banken das Wasser abgraben werden, was vor allem im Retailbanking «disruptive» Folgen haben wird.

Nicht aber im Private Banking, so Abele: Dort sieht er kaum Konkurrenz aus der aufstrebenden Fintech-Szene, die für dieses Geschäft das nötige Verständnis mitbringt. In «seiner Privatbank» werden sowohl Geschäfts- als auch Servicemodell digitalisiert. Betroffen sind insbesondere die Kommunikation und Interaktion mit den Kunden, die ihre Berater künftig über verschiedendste Kanäle erreichen und sich mit ihnen austauschen können.

Diese Digitalisierungsstrategie ist im Prinzip schon «state of the art» für Privatbanken – auch die UBS ist daran, ein entsprechendes globales Angebot aufzubauen. Die Credit Suisse hat ihre «Digital Private Bank» kürzlich in Singapur lanciert. Abele sagt, die Bank sei damit führend in Asien. Bis 2017 will er nach und nach alle anderen Regionen der Welt «digitalisieren».

Jean-François Groff, Gründer und CEO, Mobino

Jean Francois Groff 501

Mobino ist nicht gerade als Durchstarter unter den Schweizer Fintech-Startups bekannt. Dabei hat das Genfer Unternehmen eine App für Zahlungslösungen, die eine Revolution auslösen könnte. Und Mobino hat einen Gründer und einen CEO, der schon einmal an einer Weltrevolution beteiligt war: Jean-François Groff.

Doch zuerst etwas Geschichte: Anfang der 1990er-Jahre war Groff im Cern in Genf Büronachbar des Briten Tim Berners-Lee, der als Begründer des World Wide Web (WWW) gilt. Groff programmierte an jenen Computerprotokollen mit, die das Abrufen von Text- und Bildmaterial auf jedem Computer mit Internetbrowser möglich machen.

Mit Mobino verfolgt Groff ein vergleichbares Ziel, aber für Bezahlsysteme: gratis und universal sollen Geldtransaktionen werden. Groff greift damit alle an: Banken, Kreditkartenfirmen, Internetbezahldienste wie Paypal, das neue ApplePay oder auch bestehende Apps wie Tapit von Swisscom. Das Ziel des Schweiz-Franzosen: Er will die Transaktionsgebühren auf Null senken, indem er Kreditkarten- und Telekomanbieter ausschaltet.

Bereits jetzt können Händler die Mobino-App zu deutlich günstigeren Konditionen nutzen als ähnliche Dienste, die noch mittels Kreditkarte funktionieren. Geld und dessen Umlauf finden ohnehin immer mehr im virtuellen Raum statt. Laut Groff wäre es darum sinnvoll, wenn Notenbanken standardisierte virtuelle Währungen schaffen würden. Die Infrastruktur für den Umlauf von E-Geld hat Mobino für Notenbanken bereits im Angebot.

Dem jungen Fintech-Unternehmen aus der Romandie mag es insbesondere in der Deutschschweiz noch an Bekanntheit und auch an Nutzern fehlen. Aber mit seinen Ideen und seiner Strategie kann Groff tatsächlich gewaltige Umwälzungen im Bereich der Zahlungslösungen und des Geldumlaufs auslösen – das wäre dann der «disruptive» Charakter eines Modells, vor dem sich die etablierten Finanzdienstleister so sehr fürchten.

Michael Stemmle, CEO und Gründer, Additiv

Michael stemmle 500

Der Zürcher gehört eindeutig zum harten Kern der Schweizer Fintech-Szene: Er fehlt auf keinem Podium und an keinem Anlass, der nicht das Thema Banken, Innovationen, Digitalisierung, Fintech oder Next Generation Finance zum Thema hat. Michael Stemmle gründete seine Firma Additiv bereits vor 20 Jahren und knüpfte mit Dienstleistungen für Informations- und Medienmarketing schon damals die wichtigen Kontakte zur Finanzbranche.

Heute ist der Firmenname mit dem Zusatz «Next Generation Banking» versehen. Die Mission ist klar: Stemmle und Additiv verhelfen mit ihren Beratungsdienstleistungen und Softwarelösungen den Banken den Eintritt in die digitale Welt des Banking. Für Stemmle ist dieser Eintritt eine «conditio sine qua no». Denn die disruptive Kraft der Digitalisierung verändere alles, sagt er – Kommunikation, Prozesse, Geschäftsmodelle, Wettbewerbsbedingungen, Marktverhältnisse.

Fintech-Beobachter attestieren Additiv sehr gute Kenntnisse im Banking, insbesondere im Wealth Management, was sich auch in den Entwicklungen und Produkten zeigt. Mit dem «Investomat» hat Additiv für die Glarner Kantonalbank ein Werkzeug für das individuelle Online-Portfoliomanagement erschaffen, das in der Finanzbranche bereits ein grosses Ansehen geniesst.

Es basiert auf der Additiv Digital Finance Suite, die der Bank eine Steuerung der Kundenbeziehung auf allen Kanälen ermöglicht. Somit verfolgt Stemmle eine ähnliche Strategie wie Francisco Fernandez von Avaloq oder Richard Dratva von Crealogix: Nicht der Aufbau eines Fintech-Unternehmens mit «disruptiven» Charakter ist das Ziel, sondern vielmehr, den Banken eine «helfende Hand» hinzustrecken.

Christoph Wille, Leiter Vertriebskanäle, Valiant

Christoph Wille 501

Valiant ist eine der ganz wenigen Banken in der Schweiz, die einen Digitalisierungs-Manager in die oberste Geschäftsleitung berufen hat. Den Job hat seit Anfang Jahr Christoph Wille inne. Der Titel klingt mit «Leiter Vertriebskanäle» zwar eher nach Banking alter Schule als nach Finance 2.0 – aber Wille hat einen klaren Auftrag: Er soll die Regionalbanken-Gruppe in die digitale Zukunft führen, nachdem sie im Zuge ihrer Gesamterneuerung realisiert hatte, dass sie auf diesem Gebiet einen Rückstand wettmachen musste.

Nun ist die Richtung klar: Valiant will ein «Multichanneling» etablieren, ähnlich wie es die UBS bereits vormacht und es auch eine Zürcher Kantonalbank anstrebt. Willes erste Aufgabe: Eine Mobile-Banking-App lancieren.

Für eine Bank mit Digitalisierungs-Rückstand scheint Wille dank seiner Laufbahn der genau richtige Mann zu sein: Als IBM-Manager war er zuvor im Bereich «Digital Transformation» tätig und zählte vornehmlich Banken und Versicherungen zu seiner Klientel. Nun hat er die Beraterfunktion mit derjenigen eines operativen Leiters getauscht, der von Valiant-Präsident Jürg Bucher allerhand Rückendeckung erhält.

Als Geschäftsleitungsmitglied hat Wille ganz besondere Befugnisse, die Valiant-Gruppe in die Welt von Finance 2.0 zu führen, als andere Digitalisierungsspezialisten, die ihre Ideen und Konzepte der Geschäftsleitung überhaupt erst schmackhaft machen müssen, bevor sie dann allenfalls umsetzenkönnen. Die Kehrseite: Christoph Wille ist exponiert, er muss liefern und zwar rasch.


 

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