Die beiden Schweizer Grossbanken würden sich mit zu wenig Überzeugung erneuern, sagt Alfred Strebel, Schweiz-Chef von Fidelity Worldwide Investment.

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Herr Strebel, bei den Schweizer Grossbanken geht es derzeit turbulent zu und her. Was steckt dahinter?

Die beiden Häuser sind daran, ihr künftiges Geschäftsmodell zu definieren. Für mich tun sie das aber mit zu wenig Überzeugung. In diesem Klima der Ungewissheit kommt es zu Indiskretionen, wie wir sie jetzt erlebt haben.

Wo besteht der grösste Handlungsbedarf für UBS und Credit Suissse?

Beide Grossbanken werden wohl ihr Investmentbanking noch massiv fokussieren müssen. Politik und Aufsichtsbehörden machen derart Druck, dass kein Weg daran vorbeiführt. Hinzu kommt, dass selbst grosse ausländische Aktionäre entsprechende Massnahmen fordern. Vermutlich wäre es sinnvoll, sich in gewissen Teilgebieten zu spezialisieren und dort aber eine Leaderrolle zu übernehmen.


«Das Investmentbanking bietet Angriffsflächen»


Warum?

Weil das Investmentbanking keine konstante Ertragssituation bringt. Im Gegenteil, dessen Volatilität bietet enorme Angriffsflächen, wie wir jetzt sehen. Ohne Investmentbank wäre die UBS mit grosser Wahrscheinlichkeit ein hoch profitabler Finanzkonzern mit einer Eigenkapitalrendite von mehr als 30 Prozent.

Weshalb sehen das die beiden Grossbanken nicht?

Ein radikaler Umbau, wie er jetzt unumgänglich ist, braucht Zeit und ist mit einem Stellenabbau verbunden. Das muss graduell geschehen. Es ist auch nicht so, dass die Banken einander einzelne Geschäfte und Marktanteile kampflos überlassen wollen.


«Ihr Fehler war, alles selber machen zu wollen»


Sobald sie erkennen, dass ein Institut dieses oder jenes Geschäft aufgibt, springt eine Konkurrentin in die Bresche. In den nächsten Jahren werden sich die Marktanteile in der Branche noch markant verschieben.

Da wurde einiges versäumt, eine Bankrott-Erklärung für die CEOs der letzten zehn Jahre?

Der Fehler war, dass sie alles selber machen und überall noch die globale Nummer eins sein wollten. Ich erwähne nur die Allfinanz-Idee einiger Finanzinstitute, die den Aktionären sehr viel Geld gekostet hat.

Was ist die Alternative dazu?

Mehr Kooperationen. Die UBS hat mit Alex Friedman einen Chief Investment Officer (CIO), der dieses neue Denken sehr gut repräsentiert und umsetzt. Er hat eine Meinung, weiss aber gleichzeitig, dass es in der Welt eine Menge Spezialisten gibt, die Teile seiner Anlagestrategie hoch kompetent realisieren können. Mit denen arbeitet er zusammen.


«Billig Beta einkaufen kann jeder»


Das ist klassisches Outsourcing, wie es in anderen Branchen längst an der Tagesordnung ist.

Richtig. Alles selber zu machen ist zu aufwändig und bläht eine Organisation nur unnötig auf. Diese Erkenntnis reift nun auch in der Bankenwelt. Erinnern Sie sich an die Hedge-Fund-Strukturen bei der UBS? Die Bank hatte praktisch keine Kontrolle mehr, was da geschah. Das darf nicht sein. Sonst passieren Unfälle und grosse Abschreibungen, wie wir sie bereits zahlreich gesehen haben.

Welche der beiden Schweizer Grossbanken ist momentan weiter in ihrer Erneuerung?

Die UBS macht mir derzeit den stärkeren Eindruck, im Wealth Management eine global führende Position einzunehmen. Sie exponiert sich mehr und hat eine Meinung. Das ist ein mutiger Schritt, um Mehrwert für die Kunden zu schaffen. Billig Beta einkaufen kann jeder, aktives Investment-Management ist anspruchsvoller.


«Die CS scheint mir noch nicht so klar positioniert»


Kann die Credit Suisse das nicht?

Die Credit Suisse scheint noch nicht so klar positioniert zu sein, obwohl sie eine gesunde Grundsubstanz und viel Know-how besitzt, das sie nutzen sollte. Ich sehe jedoch wenig konkrete Anzeichen für eine neue, klare Strategie im Wealth Management. Das hat nicht primär mit dem CEO zu tun, wie das verschiedentlich behauptet wird, sondern mit dem Verwaltungsrat, der entscheiden muss, in welchen Geschäftsfeldern die Bank künftig ihren Fokus setzen will.

Im Gegensatz zur UBS ist die Credit Suisse auch noch in den Steuerstreit mit den USA involviert.

Das ist sehr bedauerlich und ein enorm lähmender Faktor. Er sorgt für Verunsicherung und raubt dem Unternehmen viel Energie, obwohl es sich jetzt neu ausrichten müsste, anstatt ständig auf Verteidigung aus zu sein. Es ist an der Zeit, als Staat Schweiz aktiv zu werden und den Kampf nicht jeder einzelnen Unternehmung zu überlassen.

Um US-Firmenkultur geht es auch bei der Integration des internationalen Vermögensverwaltungsgeschäfts von Merrill Lynch in die Julius-Bär-Gruppe. Wie beurteilen Sie als Mitarbeiter eines global tätigen Unternehmens wie Fidelity diesen Prozess?

Die Grundidee dieser Übernahme überzeugt. Julius Bär will Skaleneffekte und hat sich dafür zusätzliche Kundengelder eingekauft. Das ist wichtig für ein Unternehmen, das sich international auf das Private Banking fokussieren will.


«Das alte Privatbanken-Modell funktioniert nicht mehr»


Die Integration des Merrill-Lynch-Geschäfts wird klappen, wenn die Führungscrew durchsetzen kann, dass die einzelnen Bereiche ihre Aufgaben gewissenhaft erledigen.. Das alte Privatbanken-Modell, bei dem jeder Kundenberater meinte, er müsse gleichzeitig auch noch Investmentexperte, Portfolio Manager und Asset Allocator sein, funktioniert heute nicht mehr.

Ein Kulturwandel?

Absolut. Die Zusammenführung der beiden Kulturen, hier Bär, da Merrill, wird die grösste Herausforderung sein. Das braucht möglicherweise Jahre. Mit Boris Collardi und seiner Crew hat Julius Bär immerhin ein Management, das nicht rein schweizerisch denkt, sondern auch internationale Erfahrung mitbringt und global agieren kann. Nur so können Sie Leute auf der ganzen Welt überzeugen.


«Aktives Management hat sich bewährt»


Der Erfolg einer Reorganisation hängt auch von den Märkten ab. Wenn die Kurse steigen, ist es einfacher. Doch im aktuellen Tiefzinsumfeld dominiert an der Börse Zurückhaltung, wenn nicht gar Lethargie. Sind Anlagefonds, wie sie Fidelity seit Jahrzehnten propagiert, in einer solchen Situation sinnvoll?

Sicher. Viele Anleger sind tatsächlich unterinvestiert, halten derzeit hohe Cash-Positionen. Und warum? Weil manche Chief Investment Officers in den letzten Monaten zu wenig mutig waren. So haben zahlreiche Kunden je nach Markt eine Bewegung von 10 bis 20 Prozent verpasst.

Das müssen Sie genauer erklären.

Schauen Sie die Performance einiger Fonds an. Diese positiven Werte gibt es nicht nur in der Entwicklung im laufenden Jahr, sondern genauso über mehrere Jahre. Das ist der Beweis, dass sich aktives Management bewährt. Es ist unqualifiziert, wenn man – bis hin zu Professoren – behauptet, aktives Management funktioniere nicht.


«Jedes Derivat beruht auf einem Basiswert»


Anlagefonds haftet etwas Konservatives an. Gibt es bei diesen Anlageprodukten noch Innovationen?

Innovationen im Asset Management gleichzusetzen mit den Errungenschaften in der Technologie oder in der Medizin, ist falsch. Ein neues Handy bringt mir einen nachweislichen Mehrwert im Alltag, ein bestimmtes Medikament kann mein Leben verlängern. Jede so genannte Innovation in der Finanzwelt, also jedes Derivat, beruht auf einem Basiswert, und das ist in der Regel ein Zinsinstrument oder eine Aktie. Darüber können Sie eine Struktur legen, die ihn möglicherweise noch etwas Alpha beschert.


«Die ‹gute alte Dividende› wird neu entdeckt»


Bei unserer Produktefamilie «Fidelity Active Strategy» erarbeiten wir substanziellen Mehrertrag, in dem der Fondsmanager neben der traditionellen Aktienauswahl mehrere Zusatzquellen (Short-Positionen, Optionsstrategien, Pair-Trades, etc.) ausschöpfen kann.

Was sind die nächsten Trends im Anlagefondsgeschäft?

Solange die Unsicherheit hoch ist und die Zinsen tief bleiben, sind Produkte gefragt, die ein regelmässiges Einkommen generieren und scharfe Korrekturen abfedern, zum Beispiel Zinsen von High-Yield-Bonds und Fixed-Maturity-Produkten oder Dividenden bei Aktienfonds mit Blue Chips und Qualitätstiteln. Dafür akzeptiert der Kunde auch etwas weniger Potential nach oben. Viel zu lange haben die Anleger nur auf Kurssteigerung spekuliert. Jetzt wird die «gute, alte» Dividende neu entdeckt, weil sie am Ende doch eine stattliche Rendite abwirft.


«Renminbi-Fonds sind interessant»


Weiterhin interessant sind Schwellenländer, inklusive Zins- und Obligationenprodukte in lokaler Währung, und dabei insbesondere China, denn mit Renminbi-Fonds erhält der Anleger Zugang zu einer Währung, die für die Weltwirtschaft eine bedeutende Rolle übernehmen wird.


Alfred_Strebel_resized_qAlfred Strebel (Bild) wurde 1958 geboren und ist diplomierter Betriebsökonom. Er zog mit 22 Jahren nach London, wo er zehn Jahre im Wertschriftenhandel für die Finanzhäuser White Weld Securities/Credit Suisse First Boston, Merrill Lynch und Drexel Burnham arbeitete, unter anderem auch in Tokio.

Als Strebel im Jahr 1990 in die Schweiz zurückkehrte, übernahm er bei der Bank Vontobel die Verantwortung für die Auslandbörsen. Danach folgten sechs Jahre bei Reuters International. Seit 1998 ist Alfred Strebel für Fidelity Worldwide Investment tätig.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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