Das ist in der Gesamtsicht zu betrachten. Wir sollten bedenken, dass ein erheblicher Energiebedarf nicht nur durch die Digitalisierung der Finanzwelt angezeigt wird, sondern gleichzeitig durch die Elektrifizierung und Digitalisierung der Mobilität sowie durch die Entwicklung der Schwellenländer entstehen wird.

Der Klimawandel bringt die Jugend auf die Strasse. Welche Erwartungen hegt die nächste Generation an Vermögenden an die Finanztechnologie?

Die Millennials werden bald den Löwenanteil des globalen Reichtums ausmachen und kontrollieren, da sie von einem der grössten intergenerationellen Vermögensübertragungen in der Geschichte der Menschheit profitieren. Diese Generation ist als wesentliches Merkmal stark von Technik geprägt, sodass ihr Weltbild deutlich von dem der Vorgängergenerationen abweicht. Doch die Generation verhält sich paradox.

Inwiefern?

Etwa bezüglich Vertrauen. Obwohl Millennials die Form der Kundenansprache durch junge Fintechs schätzen, suchen die allermeisten Finanz- und Anlageberatung durch etablierte Anbieter. Weiter besteht das Datenschutz-Paradoxon: Millennials sind einerseits bereit für die Weitergabe personenbezogener Daten, sofern es ihnen einen bequemeren Service eröffnet.

«Die Vielfalt der Anbieter nimmt ab, während die Gebühren für Dienstleistungen steigen»

Andererseits ergab eine Umfrage unter mehr als 2’000 Bankenkonsumenten in den USA, dass 89 Prozent von ihnen über Datenschutz und Datenaustausch besorgt sind. Und schliesslich ist da das Digitalisierungs-Paradox.

Das lautet?

Während der Einsatz von Bargeld etwa in den Skandinavischen Ländern stetig abnimmt, bleibt er in vielen westeuropäischen Ländern wie Deutschland oder der Schweiz stabil. Darüber hinaus führt die zunehmende Nutzung digitaler Dienste zu einer geringeren persönlichen Interaktion der Verbraucher mit den Banken. Paradoxerweise bevorzugen aber immer noch viele Kunden menschliche Beratung für grosse Entscheidungen wie den Kauf eines Hauses oder die Investition grosser Summen.

Fintech portiert ja das Versprechen, sich für den Kunden einzusetzen. Geht es den Konsumenten dank digitalen Finanzdienstleistungen besser als vor fünf Jahren?

In Bezug auf welche Kriterien? Für Verbraucher auf der Suche nach Hypotheken: definitiv. Aber für Verbraucher, die noch nicht im Ruhestand sind: definitiv nicht, da der Wert ihrer Altersvorsorge dauerhaft sinkt. Wer regelmässige Bankdienstleistungen sucht, stellt fest, dass die Anzahl und Vielfalt der Anbieter ständig abnimmt, während die Gebühren für ihre Dienstleistungen steigen.

Diese Lücke könnten doch Fintech-Startups füllen.

Das gelingt ihnen nicht. Die Sicherheit bei der Durchführung von Finanztransaktionen über elektronische Kanäle sinkt. Die Zahl der Betrugsangriffe auf E-Banking-Kunden nimmt ständig zu. 15 Prozent des gesamten Bitcoin-Volumens sind inzwischen aufgrund von Schlüsselverlusten ohne Eigentum und es gibt absolut keine Mittel für den Rechtsinhaber, seine Werte wiederherzustellen.

Dennoch setzen auch die Schweizer Behörden und die Politik im Standort-Wettbewerb viel auf Fintech. Wird der Finanzplatz in 20 Jahren noch eine weltweit führende Position einnehmen?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Alles hängt von der Fähigkeit ab, den Status in diversen Feldern beizubehalten. So muss die Innovationsführerschaft gesichert werden, indem Innovationen sowohl schnell im Inland vorangetrieben als auch Schweizerische Startups in anderen Ländern ausgebaut werden.

«Es geht künftig um klassischere Ingenieur-, Computer- oder Materialwissenschaften»

Des Weiteren braucht es neben sanfter Regulation und politischer Stabilität Fortschritte bei Ausbildung und Forschung, die den harten Kern von Wissenschaft und Technologieinnovation betreffen und fördern.

Das wäre die Aufgabe von Fintech-Forschern wie Ihnen, oder?

Es geht weniger um die Stärkung von Fintech oder Blockchain im Fächerkanon von Ausbildungsstätten, als um klassischere Ingenieur-, Computer- oder Materialwissenschaften. Fintech-Innovationen werden aus solchen interdisziplinären Clustern hervorgehen. Das lässt sich noch weiter denken: In 20 Jahren wird es keine Finanzplätze in der Welt mehr geben.

Wie wird die Finanzlandschaft aussehen?

Das Finanzsystem wird ein grosses digitales Netzwerk sein, das von Technologie-Clustern bestimmt und getrieben wird. Demnach werden einige geografische Zentren existieren, in denen sich die dominanten Datenspieler befinden, wie etwa Google, Facebook, Amazon, Alibaba oder deren Nachfolger. Die Wahl ihrer Standorte erfolgt nach Kriterien wie Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, niedrigen Steuern, politischer und wirtschaftlicher Stabilität, Lebensqualität, Energiekosten und -versorgung, Bauraumverfügbarkeit und Regulierung.


Christian Hugo Hoffmann ist Mitbegründer des Risikomanagement-Softwareunternehmens Syntherion und als Senior Scientist am Lehrstuhl für Entrepreneurial Risks der ETH Zürich engagiert. Weiter wirkt er etwa als Mitglied des Swiss Fintech Innovation Lab an der Universität Zürich sowie als Direktor von Startup Grind in Genf. Zudem ist er als Autor von Fachbeiträgen tätig.

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