Die Credit Suisse hat mit ihrer zaghaften Reformstrategie ein Jahrzehnt verloren. Sie wird zuVerliererinnen zählen, wenn sie ihre Strategie nicht auf ein technologiebasierte Vermögensverwaltung ausrichtet, schreibt der frühere CS-Investmentbanker Rupak Ghose.

Ich habe meine Karriere im TMT-Team (Technologie, Medien und Telekommunikation) der Credit Suisse in der Dotcom-Blase der späten 1990-er Jahre begonnen. Diese Ära war von den Exzessen des schillernden Tech-Bankers Frank Quattrone geprägt. Die jüngsten Skandale bei der Credit Suisse um Greensill und Archegos geben mir ein Gefühl von Déjà-vu.

Es ist klar: Es gibt immer eine Bank, welche Risiken besser managen kann. Aber wie üblich ist die Credit Suisse ein Nachzügler – Goldman Sachs hat sich früh und ungeschoren von ihren Positionen getrennt.

Das Jahrzehnt der Vermögensverwalter – und die CS?

Alle Banken sind von der zunehmenden Regulierung und den niedrigen Zinsen, insbesondere in der Schweiz, negativ beeinflusst. Aber besteht nicht die Gefahr, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen? Die Aktien der Credit Suisse sind seit ihrem Höchststand nach der Finanzkrise um 80 Prozent gefallen.

Dies steht in einem scharfen Kontrast zur Entwicklung von anderen Vermögensverwaltern in einem Jahrzehnt, in dem die Aktienmärkte in die Höhe geschossen sind, die Welt mehr Milliardäre als je zuvor hervorgebracht hat und die Handelsaktivitäten im Privatkundengeschäft explodiert sind.

Im Gegensatz dazu haben andere Banken mit grosser Vermögensverwaltung wie UBS und Morgan Stanley die Vorteile von radikalen Managementmassnahmen erkannt. Der Aktienkurs der UBS steht trotz Verlusten im Vergleich zur CS um Welten besser da, und der Kurs von Morgan Stanley hat sich mehr als verdoppelt.

Einige oberflächliche Veränderungen

Das verlorene Jahrzehnt bei der Credit Suisse verlief nicht ohne einige Veränderungen – allerdings waren diese eher oberflächlich. Es gab drei verschiedene CEOs (Brady Dougan, Tidjane Thiam, Thomas Gottstein) mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Führungsstilen und eine damit einhergehende Umverteilung einiger Stühle, wobei Geschäftsbereiche herausgelöst und ein paar Jahre später wieder zusammengefügt wurden.

Eine Konstante ist der Fokus auf aussergewöhnliche Gewinne und die Beständigkeit, aussergewöhnliche Kosten und Verluste zu liefern. Eine andere ist die Stabilität auf im Präsidium der Bank mit Urs Rohner und natürlich ein ordentliches Vergütungspaket für 2020. Schauen wir mal, was die Manager davon jetzt zurückgeben müssen.

Reif für Aktionärsaktivismus?

Gibt die aktuelle Krise einem relativ neuen CEO der Credit Suisse mit seinen Wurzeln im Schweizer Geschäft die Möglichkeit, mutig zu sein und radikale statt inkrementelle Änderungen am Geschäftsmodell und der Kostenstruktur voranzutreiben? Und wenn nicht: Ist die Credit Suisse reif für eine Form von Aktionärsaktivismus?

In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahlungsverkehrslandschaft enorm verändert und neue Giganten des digitalen Zahlungsverkehrs hervorgebracht, während die Banken auf der Strecke geblieben sind und nun verzweifelt versuchen, die verlorenen Jahre aufzuholen. Im nächsten Jahrzehnt dürfte sich das wertvollste Geschäft der Credit Suisse, die Vermögensverwaltung, ähnlich verändern.

Ein historisch fragmentiertes Geschäft durchläuft bereits eine Konsolidierung. Bei Morgan Stanley hat James Gorman den Wert des Vermögensverwaltungsgeschäfts und der Gruppe grundlegend umgestaltet, indem er durch die Übernahme von Smith Barney den High-Touch-Bereich vergrößerte und kürzlich durch die Übernahme von E*Trade in den Low-Touch-Bereich expandierte.

Gleichzeitig kam es zu einer Demokratisierung des Wertschriftenhandels durch den einfachen und billigen Zugang zu Anlageinformationen im Internet und den Handel über Robin Hood-ähnliche Plattformen. Die Vermögensverwalter von morgen werden es mit einer zunehmend wankelmütigen Kundschaft zu tun haben.

Aufbau einer Plattformökonomie

Darüber hinaus wird das Vermögen nicht nur von einer Generation an die nächste weitergegeben, sondern es entsteht durch die rekordverdächtigen Disruptionen und Innovationen auch eine neue, junge erste Generation von Kunden.

Der einfachste Weg für die Credit Suisse wäre es, die Bilanz auf den Kopf zu stellen und ganz auf die Vermögensverwaltung zu setzen. Aber die Lektion aus dem Handelsverlust von heute ist sicherlich die, dass man sich auf technologiegesteuerte Tools konzentrieren muss, die konsistentere Erträge mittels einer Plattformökonomie schaffen.

Mehr Kompetenz im Verwaltungsrat

Der Aufbau eines Plattformgeschäfts nach Art von Hargreaves Landsdown oder der Ant Group mag mit geringeren Erträgen verbunden sein und erfordert definitiv Manager mit unterschiedlichen Fähigkeiten in Bezug auf technologiegetriebene Innovationen und Plattformen. Aber wenn Firmen wie die Credit Suisse mit ihrer zaghaften Reformstrategie weitermachen, gehen sie im Treibsand unter.

Natürlich sind solche radikalen Transformationen mit Ausführungsrisiken verbunden. Ein guter Ansatzpunkt für Veränderungen ist aber eine grössere Vielfalt bei den Kompetenzen in den Verwaltungsräten, die die CEOs auf diesem Weg beraten können.


Rupak Ghose galt bis zu seinem Ausscheiden bei der Credit Suisse im Jahr 2011 als einer der besten und konstantesten Analysten im Investmentbanking. Dann wechselte Ghose in den Finanztechnologie-Bereich und wurde strategischer Berater bei Icap, die dann zur britischen Nex Group wurde. 2018 wechselte er mit der Übernahme der Nex zur CME Group nach Chicago. Ghose widmet sich auch heute noch der strategischen Beratung im Bereich der Technologien für Finanzmarktinfrastruktur.

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