Der Schweizer Vermögensverwalter Reuss Private feiert mitten in der Coronakrise ein Jubiläum. Gründer und Chef Felix Brem spricht mit finews.ch über den nächsten Wachstumssprung, und warum für ihn die Zusammenarbeit mit Ex-UBS-Manager Raoul Weil so wichtig ist.

Für Felix Brem ist es bereits die dritte Krise in 20 Jahren als unabhängiger Vermögensverwalter. Als er im Jahr 2000 zusammen mit Roman Neff die Firma Brem, Neff & Partner gründete, platzte gerade die Dotcom-Blase: «Gleich zu Anfang mussten wir unseren Kunden erklären, dass sie mit uns Geld verloren hatten», blickt der Finanzprofi im Gespräch mit finews.ch zurück.

Für Raoul Weil eingesprungen

Acht Jahre später setzten die Finanzkrise und der Steuerstreit mit dem Ausland ein. Auch die inzwischen in Reuss Private umbenannte Aargauer Vermögensverwaltungs-Firma fand sich in den Schlagzeilen wieder: Der Reuss-Partner und ehemalige UBS-Topbanker Raoul Weil wurde 2013 in Italien verhaftet und an die amerikanische Justiz ausgeliefert. Diese warf ihm vor, US-Bürgern beim Steuerbetrug geholfen zu haben.

Knall auf Fall musste Brem bei Reuss Private einspringen und den CEO-Posten vom inhaftieren Weil übernehmen.

Moment der Ungewissheit

Im März 2020 hielt Brem dann auch die operativen Zügel in der Hand, als die Corona-Pandemie über die Finanzmärkte hereinbrach. Im Moment der totalen Ungewissheit war für den Reuss-Chef klar, was zu tun sei: «In der Krise nimmt der Manager den Rotstift zu Hand, der Unternehmer hingegen das Telefon», erklärt Brem die Devise jener Tage.

Für ihn stand fest, dass Reuss drohende Ausfälle mit zusätzlichem Volumen und Erträgen wettmachen musste. Also begann er – wie seine gesamte Mannschaft – bestehenden und prospektiven Kunden hinterher zu telefonieren.

Den Zahlen nach zu urteilen, welche die Vermögensverwalterin mit Sitz in Bremgarten AG für 2020 ausweist, war dies die absolut richtige Entscheidung: Reuss Private flossen demnach netto 713 Millionen Franken an Neugeld zu. Weitere 410 Millionen Franken an zusätzlich verwalteten Vermögen kamen durch die positive Marktentwicklung zustande – ein Milliardensprung im Krisenjahr. Auf das 20-jährige Bestehen hin präsentiert sich Reuss Private damit stärker als je zuvor. 

Asiatisches Netzwerk spielen

Die Gruppe betreut mit rund 150 Mitarbeitenden aktuell 34 Milliarden Franken an Vermögen und bedient in der Schweiz, in Deutschland und von Liechtenstein aus Privatkunden, Family Offices sowie gegen 1’600 Finanzdienstleister. Mit zum Unternehmen zählen die Berliner Fintech-Tochter Foo sowie Haftungsdächer für den Vertrieb in Deutschland und in die EU, unter denen sich andere Vermögensverwalter einordnen können.

Nun bereitet Brem den nächsten Wachstumssprung vor. In ein bis zwei Jahren soll Reuss Private in Asien Fuss fassen. Als Ausgangspunkt dürfte der Stadtstaat Singapur dienen. Dies, weil die Vermögensverwalterin dort über bestehende Kontakte verfügt und schon einzelne Schweizer Expats dort betreut.

Zum Partnerkreis der Aargauer Gruppe zählt etwa Carlo Grigioni, der für die UBS fast 20 Jahre in Asien weilte und unter anderem das Singapurer Private Banking führte.

Von Phuket aus vorsondiert

Brem selber hat von 2016 an ein Jahr lang in Asien gelebt. Mit seiner Familie plante er eine einjährige Auszeit von der Vermögensverwaltung im thailändischen Phuket. Das klappte dann nicht zu 100 Prozent, wie der CEO im Nachhinein einträumt. Grösstenteils blieb er mit dem Unternehmen in Verbindung, pendelte monatlich zwischen Asien und Europa und versuchte, sich selber ein Bild übers Geschäft in Asien zu verschaffen. In wenigen Monaten könnten nun auf dieser Vorarbeit Nägel mit Köpfen folgen.

Dabei hat der Reuss-Chef in Europa durchaus genug zu tun. Das erste Jahresquartal sei sehr gut gelaufen, berichtet er, insbesondere in Deutschland würden sich die Vermögensverwaltung-Mandate sowie Private-Label-Fonds einer starken Nachfrage erfreuen. Die Erfahrungen im nördlichen Nachbarland sind für Brem auch deshalb wichtig, weil dieser Markt ihm zufolge ein Testfeld dessen ist, was auf die Schweizer Vermögensverwaltung zukommt. «Gerade in Sache Regulation liegen wir hierzulande zehn Jahre hinter der EU zurück.»

Anlaufstelle für die Konsolidierung

Das dieser Rückstand über kurz oder lang aufgeholt werden muss, liegt für ihn aber auf der Hand. Entsprechend wird bei unabhängigen Vermögensverwaltern in der Schweiz die Nachfrage nach Haftungsdächern zunehmen, um den Regulations-Aufwand überhaupt stemmen zu können. Im Gegensatz etwa zur Aquila Gruppe, die in der Schweiz als Verbund unabhängiger Vermögensverwaltung-Boutiquen operiert, verfolgt die deutsche Einheit von Reuss Private einen strengeren Ansatz.

Wer sich dort unter das Haftungsdach einordnet, muss alleine schon aus gesetzlichen Erfordernissen die Marke übernehmen und seine Geschäftstätigkeit der Gruppe unterordnen. «Die Aufgabenteilung ist durch die Aufsicht klar geregelt und gesetzlich verankert», ergänzt Brem.

Noch ist dafür in der Schweiz der Druck auf die Branche nicht gross genug. Doch wenn die Regulation weiter zunehme, kündet Brem an, «stehen wir bereit.» Reuss Private würde damit auch im Heimmarkt zu einer Anlaufstelle für die Konsolidierung.

Auf den Wohlfühl-Faktor setzen

Dabei ist der Reuss-Gründer überzeugt, dass die Anziehungskraft der unabhängigen Vermögensverwaltung für Private-Banking-Kunden und für die Private Banker selber noch zunimmt. Von jeher habe Reuss Private den Kunden ins Zentrum seiner Bemühungen stellen müssen. Schliesslich sei es der «Wohlfühl-Faktor» der persönlichen Betreuung, der den Unterschied zu den Banken und ihrem von Ertragszwängen dirigierten Geschäft ausmache.

Obwohl, gibt Brem zu bedenken: Hätte er Reuss-Partner Weil noch in dessen Zeit bei der Grossbank UBS kennengelernt, wäre er wohl im Banking geblieben. Auch als Bankmanager habe sich Weil – der 2014 nach einem aufsehenerregenden Prozess in den USA freigesprochen wurde – stets einen Unternehmergeist gewahrt. «Das macht ihn heute als Sparring-Partner für mich so wichtig», lobt Brem.