Die Zeiten einer lebenslangen Arbeitsplatz-Sicherheit seien Vergangenheit, erklärt Silvia Helbling vom Swiss Finance Institute im Interview mit finews.ch. Vor diesem Hintergrund sei die permanente berufliche Weiterbildung von grösster Bedeutung.


Frau Helbling, was sind aus Ihrer Sicht die grössten Veränderungen in der Schweizer Finanzbranche nach 18 Monaten Corona-Pandemie?

Im Rahmen der Pandemie hat sicherlich ein Umdenken in Sachen Homeoffice eingesetzt. Die meisten Finanzinstitute haben aus der Not eine Tugend gemacht und flexible Arbeitsplatzmodelle dürften heute breiter akzeptiert sein, als vor der Pandemie.

Und dann möchte ich natürlich auch die Rolle der Schweizer Finanzbranche, die sich in der Krise in Sachen Unterstützungskredite als überaus leistungsfähig gezeigt, nicht unerwähnt lassen. Ich würde mir wünschen, dass der damit verbundene grosse Effort der Banken in den Köpfen der Öffentlichkeit haften bleibt.

Nach dem ersten Halbjahr 2021 haben die Schweizer Banken überdurchschnittlich gute Resultate ausgewiesen. Haben Sie das erwartet?

Oft wurde moniert, dass die Digitalisierung zu zaghaft umgesetzt werde, oder dass Innovationen ausgeblieben seien. Und trotzdem sind die Banken auch in digital anspruchsvollen Pandemiezeiten offenbar gut aufgestellt, was sich auch in erfreulichen Halbjahreszahlen manifestiert.

«Das Bedürfnis nach Normalität ist gross»

Natürlich korrelieren die jetzt gezeigten Ergebnisse aber auch eng mit der allgemein positiven Aktienmarkt-Entwicklung.

Laut der von finews.ch und dem Swiss Finance Institute (SFI) durchgeführten Umfrage haben fast 90 Prozent der Bankangestellten in der Schweiz in den vergangenen zwölf Monaten im Homeoffice gearbeitet. Wie hat sich die Stimmung unter diesen Berufstätigen im Verlauf der Covid-19-Krise entwickelt bzw. verändert?

Ich kann natürlich nicht in die Köpfe der Bankmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sehen. In meiner Wahrnehmung hat sich aber eine Mehrheit gut bis sehr gut mit dem Homeoffice-Modus arrangiert.

Gleichzeitig ist das Bedürfnis nach Normalität gross. Dazu gehört auch der persönliche Kontakt mit Berufskolleginnen und -kollegen sowie mit Kundinnen und Kunden. Hier gilt es, für die Zukunft eine für alle Beteiligten gewinnbringende Balance zu finden.

Fast drei Viertel der Bankmitarbeiten wollen laut Umfrage auch in Zukunft im Homeoffice arbeiten – mehrheitlich mit einem Pensum von rund 40 Prozent. Halten Sie das für realistisch?

Ja, das halte ich grundsätzlich für möglich. Letztlich ist ein Homeoffice-Pensum aber immer auch funktionsabhängig.

«Ich gehe davon aus, dass die Banken als Arbeitgeber flexibel agieren werden»

Flexible Arbeitsplatzmodelle dürften gerade auch im Hinblick auf die Mitarbeitergewinnung eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Insofern gehe ich davon aus, dass die Banken als Arbeitgeber flexibel agieren werden.

Bezüglich Vergütung geht derzeit rund die Hälfte der Beschäftigten von tieferen Löhnen und Boni aus. Aber im Vergleich zum Vorjahreswert von 60 Prozent, ist die Stimmung wieder etwas besser. Überrascht Sie das?

Personalkosten sind und bleiben der grösste Kostenblock für jedes Unternehmen, das ist hinlänglich bekannt. Die Bankmitarbeitenden wissen gleichzeitig um die erodierenden Gewinnmargen, was sich in einer entsprechenden Erwartungshaltung hinsichtlich ihrer eigenen Entlohnung spiegelt.

Die mehrheitlich sehr ansprechenden Halbjahreszahlen wecken jetzt aber natürlich auch wieder Begehrlichkeiten, was sich in unserer Befragung klar zeigt.

Die fortschreitende Digitalisierung führt zum weiteren Abbau von Stellen auch im Bankwesen. Denken Sie, dass diese Leute in finanzverwandten Institutionen im Fintech- oder Krypto-Bereich eine neue Anstellung finden werden?

Die Zeiten einer lebenslangen Arbeitsplatz-Sicherheit sind Vergangenheit, da dürfen wir uns nichts vormachen. Genau vor diesem Hintergrund ist die permanente berufliche Weiterbildung, wie wir sie auch am SFI in Form unserer Master Classes anbieten, von grösster Bedeutung.

«Die Absolventen unsere Master Classes zeigen bereits ein grosses Mass an Veränderungsbereitschaft»

Wer sich also aktiv mit dem technologischen Wandel auseinandersetzt und weiterbildet, ist auf dem Arbeitsmarkt auch in Zukunft chancenreich.

Die Umfrage hat auch aufgezeigt, dass nicht mehr nur Finanzfachwissen für Bankmitarbeitende gefragt ist, sondern vermehrt auch IT-Kompetenz, Veränderungsbereitschaft sowie Sozialkompetenz. Geht das SFI auf solche Anforderungen mit seinem Leistungsangebot ein?

Die Absolventen unsere Master Classes zeigen bereits ein grosses Mass an Veränderungsbereitschaft, sonst würden sie sich nicht aktiv mit neuesten finanzwissenschaftlichen Erkenntnissen und Methodologien auseinandersetzen.

Dabei setzen sie sich auch mit den durch die zunehmende Digitalisierung getriebenen Herausforderungen auseinander. Die Vermittlung von technischen IT-Grundlagenkompetenzen liegt allerdings ausserhalb unserer Weiterbildungsangebotes. Wir fokussieren über unsere SFI Faculty ganz klar auf die Bank- und Finanzforschung und verbinden diese eng mit der Berufspraxis.

Das SFI legt Wert darauf, in seinem Weiterbildungsangebot einen wissenschaftlichen Ansatz zu verfolgen. Was heisst das in der Praxis?

Wir verstehen uns als Brückenbauer zwischen der akademischen Welt und der Berufspraxis. Dabei legen wir grössten Wert darauf, finanzwissenschaftliche Erkenntnisse in die Berufsrealität unser Master Class-Absolventen zu übertragen.

«Wir halten bis auf Weiteres an unserem hybriden Ansatz, einer Mischung aus Präsenz- und Online-Unterricht fest»

Aus diesem Grund werden Master Classes ausnahmslos von SFI-Professorinnen und -professoren sowie einer Berufsexpertin oder einem Berufsexperten höchster Seniorität konzipiert und gemeinsam geleitet.

Gehen Sie mit Ihrem Angebot auch auf Themen wie Compliance Management, Vorsorge und Fintech ein? – alles Themen, die gemäss Umfrage am meisten gefragt sind.

Selbstverständlich finden sich alle Elemente der von Ihnen genannten Themen in der einen oder anderen Ausprägung in unserem Master Class-Angebot. Wir fokussieren aber in erster Linie auf das Big Picture und richten uns deshalb ausschliesslich an Berufstätige mit hoher Seniorität.

In den vergangenen zwölf Monaten haben digitale Währungen wie Bitcoin oder Ethereum für Furore gesorgt. Inwieweit decken Sie dieses Thema, das auch die Schweizerische Nationalbank enorm beschäftigt, ab?

Natürlich beschäftigen sich unsere SFI-Professorinnen und -professoren auch mit den Themen Kryptowährungen oder der Blockchain-Technologie.

Ist das SFI im Zuge der Impffortschritte in der Schweiz bereits daran, auf einen Normalbetrieb zurückzugehen?

Wir halten bis auf Weiteres an unserem hybriden Ansatz, einer Mischung aus Präsenz- und Online-Unterricht fest.

«Die Branche vereint technologische und wissensbasiere Elemente in einer einzigartigen Kombination»

Ein Ansatz, der sich gerade in der Krise sehr bewährt hat und auch von unseren Master-Class-Absolventinnen und -absolventen gut angenommen wurde.

Die Umfrage zu den Berufsaussichten existiert seit nunmehr zehn Jahren. Beim Start war das Image der Banken aufgrund der Finanzkrise von 2008 noch sehr schlecht, hat sich über die Jahre jedoch stark aufgehellt. Was macht die Branche heute attraktiv?

Die Finanzindustrie ist und bleibt ein hochspannendes Betätigungsfeld, das ist für mich keine Frage. Die Branche vereint technologische und wissensbasiere Elemente in einer einzigartigen Kombination und bietet zahlreiche, anspruchsvolle Berufsbilder, die ihresgleichen suchen.

Insofern würde ich jungen Berufseinsteigern jederzeit eine Laufbahn im Banking empfehlen, sofern sie bereit sind, mit einer überdurchschnittlichen Leistung zu überzeugen.


Silvia Helbling, Head Knowledge Exchange and Education am Swiss Finance Institute (SFI), studierte an der Universität Zürich (lic.oec.publ) und promovierte an der University of York in Grossbritannien auf den Gebieten der Preisbildung am Finanzmarkt und der Informationsökonomie. Ihre beruflichen Erfahrungen sammelte sie in diversen Banken sowie im Rohwarenhandel, bevor sie sich vor mehr als 20 Jahren der Erwachsenenbildung zuwandte, wo sie in unterschiedlichen Führungspositionen die Entwicklung strategischer Initiativen mitprägte.