Nicht viele CEOs einer grösseren Schweizer Bank können einen so erfolgreichen Leistungsausweis vorlegen wie Martin Scholl. Hatte er dabei vor allem Glück, oder was ist sein Erfolgsgeheimnis?

Nach rund 15 Jahren im Amt als CEO der Zürcher Kantonalbank (ZKB) wird Martin Scholl das Zepter an seinen Nachfolger Urs Baumann übergeben, wie auch finews.ch berichtete. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» (Artikel hinter Bezahlschranke) zieht der Banker Bilanz seiner langen Schaffensperiode beim Zürcher Staatsinstitut, zu dem er bereits 1977 stiess und nach einem Abstecher zum damaligen Schweizerischen Bankverein (SBV) stets die Treue hielt. 

Als CEO ist es Scholl gelungen, die ZKB aus allen Skandalen herauszuhalten. Hatte er dabei einfach Glück? «Ich glaube, dass man als Bankchef auch etwas Glück braucht», räumt er im Interview ein, denn es könne einem immer etwas um die Ohren fliegen. «Die Basis unseres Erfolgs ist eine starke Unternehmenskultur. Unseren Mitarbeitenden ist es nicht egal, was mit ihrer Bank passiert. Sie haben eine hohe Identifikation und Loyalität. Und: Banking ist ein Handwerk. Unsere Leute beherrschen es.»

Noch nie in einem Stripclub

In Anspielung auf die Affäre rund um den früheren Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz erkärt Scholl im Gespräch, dass er weder geschäftlich noch privat jemals in einem Stripclub gewesen sei – auch nicht im Militär. Auf den Fall will er nicht näher eingehen, wobei sich sein «moralischer Kompass» durchaus mit einer Aussage umschreiben lässt, die er 2007 kurz nach seinem Antritt als CEO der ZKB gegenüber der «NZZ am Sonntag» machte. Damals sagte er: «Ich möchte die Bahnhofstrasse entlanggehen, ohne dass ich mir immer überlegen muss, was wohl die Leute von mir denken.»

Rückblickend stellt er nun fest: «Wenn ich diesen Satz wirklich gesagt habe, finde ich ihn noch immer recht gut. Genau darum geht es. Wir leben in Wangen bei Dübendorf, meine Frau und unsere erwachsenen Kinder bewegen sich dort. Ich weiss: Sehr viele Leute kennen mich. Das bedeutet: Ich muss mich ganz normal aufführen. Zum Glück fällt mir das nicht so schwer.»

99,9 Prozent der Bankmitarbeitenden haben dieses Problem nicht

Auf die Frage, ob diese «Philosophie» im Schweizer Banking in den vergangenen Jahren vergessen gegangen ist, antwortet er: «Nein. 99,9 Prozent der Schweizer Bankmitarbeitenden haben dieses Problem nicht. Was uns betrifft: Die ZKB hat laut Umfragen die höchste Reputation. Wie in jeder Industrie gibt es aber Beispiele, bei denen man sich die Augen reibt. Das hat aber nichts mit uns zu tun.»

Grundsätzlich glaubt Scholl nicht, dass sich ein solches Gebaren an der Spitze von vorwiegend grösseren Banken negativ auf die Branche abfärben könnte. Dennoch räumt er ein, dass manche Kundinnen und Kunden durchaus zur ZKB gewechselt haben könnten, weil sie sich anderswo nicht mehr wohl fühlten. Scholl sagt aber auch: «Wenn ein neuer Kunde zu uns wechselt, sind wohl verschiedene Gründe ausschlaggebend. Dass wir so stark wachsen, hat viel mit der eigenen Leistung zu tun. Aber wie gesagt: Die Kultur muss stimmen. Sie können nicht Wasser predigen und Wein trinken.»

Auf GD-Stufe ist Zeit irrelevant

Eine klare Meinung zu Teilzeitführungskräften – wie sie auch ZKB-Private-Banking-Chefin Florence Schnydrig Moser in einem Interview mit finews.ch bereits äusserte – hat auch Scholl. Er zitiert seine Kollegin, die in der achtköpfigen Generaldirektion sitzt mit den Worten: «Generaldirektorin wirst Du nicht im 50-Prozent-Teilzeitpensum. Point Final.» Und Scholl präzisiert dann: «Auf Stufe GD ist Zeit irrelevant, Verantwortung tragen Sie 24/7.»

Auf die Frage, was er nach seinem Rücktritt zu tun gedenke, äussert sich der Noch-CEO eher wage. «Der Vorteil ist: Ab dem 1. September bin ich keine Person des öffentlichen Interesses mehr. Was ab dann im Leben der Familie Scholl passiert, bleibt in der Familie Scholl. So viel kann ich sagen: Die «Corporate World» mit ihrem «Corporate Behavior» ist nicht etwas, das ich noch im grossen Stil suchen werde. Da ist vieles vordiskutiert, vieles aufgegleist. Das kenne ich.»

Mission Completed

Unter diesen Prämissen will er seinem Vernehmen nach kein Mandat als Verwaltungsrat einer Bank annehmen. «Auf keinen Fall.» Eher sieht er Optionen, mit jungen Leuten in der Startup-Branche zusammenzuarbeiten. «Das finde ich viel spannender. Da geht es um die Zukunft, man ist mit jungen Leuten zusammen, die unglaublich intelligent sind und gute Ideen haben.»

Auf die Frage, was die Leute wohl denken werden, wenn er Ende August 2022 zum letzten Mal als CEO durch die Zürcher Bahnhofstrasse gehen wird, sagt er: «Ich werde dann Geschichte sein wie alle, die eine solche Funktion abgeben. Und ein Jahr später werden mich immer weniger Leute kennen. Das ist total okay. Ich bin dann wieder der Mensch Scholl. Mission Completed.»

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