Am kommenden Mittwoch wird das höchste französische Gericht sein Urteil im Berufungsprozess der UBS fällen. Seit bald zehn Jahren zieht sich dieser Rechtstreit mit Milliardeneinsatz nun schon hin – und dessen Ausgang ist immer noch völlig offen.

Die UBS schlägt sich bereits eine gefühlte Ewigkeit mit dieser Altlast herum: In einigen Monaten wird sich das französische Steuerverfahren gegen die grösste Schweizer Bank bereits zum zehnten Mal jähren. Im Jahr 2014 hatte die Justiz ihre Ermittlungen in dem Fall offiziell aufgenommen. Im März 2017 wurde Anklage erhoben.

Der Fall hatte schon im erstinstanzlichen Prozess den Abschied von Sergio Ermotti im Herbst 2020 überschattet. Der Manager, der nun seit vergangenem März wieder am Ruder der Bank steht, ist mit der Materie also bestens vertraut. Ob sich seine unnachgiebige Haltung im Fall – er bezeichnete die harte Linie gegenüber Frankreich zuweilen als eine Frage der Ehre – seither geändert hat, ist jedoch die grosse Frage.

Illegal Kunden geworben

Eine Antwort darauf könnte sich nun aber bald finden: Am kommenden 15. November urteilt das oberste französische Gericht erneut über die Schweizer Grossbank. Und wie sich zeigt, ist das Verdikt erstaunlich offen.

Die französische Justiz wirft der UBS seit langem vor, sie habe in Frankreich zwischen den 2004 und 2012 illegal vermögende Kunden angeworben und ihnen geholfen, unter dem Schutz des Schweizer Bankgeheimnisses Geld vor dem heimischen Fiskus zu verstecken. Im Dezember 2021 war die UBS in zweiter Instanz von einem Berufungsgericht wegen unerlaubter Geldgeschäfte und Beihilfe zur Geldwäscherei schuldig gesprochen worden.

Schadensersatz bereits gezahlt

Mit einer Strafe von 1,8 Milliarden Euro, zusammengesetzt aus 1 Milliarde Euro Busse und 800 Millionen Euro Schadensersatz an den Staat, blieb das Gericht allerdings klar unter dem erstinstanzlichen Urteil von 2019. Damals war die UBS noch zur Zahlung von 4,5 Milliarden Euro verdonnert worden. Die Franzosen hatten dem Schweizer Institut eine Brücke gebaut – doch die UBS wollte diese nicht beschreiten.

Durch die Berufung der UBS am höchsten Gericht des Landes wurden zwar die strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt, nicht aber der zivilrechtliche Teil. Der Schadensersatz von 800 Millionen an das französische Finanzministerium wurde von der Bank bereits gezahlt.

Illegal Kunden geworben

Bei der jetzigen Entscheidung ist alles möglich, von der kompletten Aufhebung des Verfahrens, einer Teilrevision sowie einer Änderung der Bussen nach oben oder unten sowie eine vollumfängliche Bestätigung.

Bisher hatte sich die Bank, auch schon unter der ersten Regentschaft Ermottis, immer vehement gegen eine strafrechtliche Verurteilung gewehrt. Die UBS verlangt grundsätzlich einen Freispruch. Die Feststellung, kriminell gehandelt zu haben, wurde immer als eine zu gravierende Belastung für die Reputation angesehen, um sie akzeptieren zu können.

Unberechenbare Folgen

Denn aus dieser Fesstellung könnten der Bank unberechenbare Folgen für das Geschäft in anderen Ländern erwachsen. Ob sich hier die Einschätzung der UBS-Chefjuristin Barbara Levi geändert hat, ist fraglich.

Es ist aber immerhin möglich, dass die UBS nun in dieser Instanz eine Verurteilung akzeptieren könnte. Dabei würde ein Entgegenkommen des Gerichts bei der Bussen-Bemessung sicher nochmals eine Brücke bauen. Eine materielle Neubewertung der Handlungen zählt jedoch nicht zur Aufgabe der Richter.

Neue Taktik?

Sollte die UBS den Fall auch nach einer Bestätigung des bisherigen Urteils juristisch nochmals weiterziehen wollen, bliebe ihr nur noch der Gang an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dorthin war sie in der Sache schon einmal gelangt – und hatte eine Schlappe erlitten.

Vielleicht setzt der zurückgekehrte CEO Ermotti aktuell aber auch andere Prioritäten, angesichts des Bergs an Aufgaben, die auf die Bank noch bei der Integration der übernommenen Credit Suisse (CS) warten.

Rückstellungen in Milliardenhöhe

Wie sich in den vergangenen Monaten zeigte, hat die UBS die jahrelangen Hinhaltetaktik der CS in ihren zahlreichen Rechtshändeln aufgegeben und ist dazu übergegangen, Einigungen zu erzielen. Gleichzeitig hat die Grossbank gegen 4 Milliarden Dollar an zusätzlichen Rückstellungen für Rechtsstreitugkeiten in Zusammenhang mit der CS-Integration eingebucht.

In der Bilanz der UBS wurden mit Bezug auf den Rechtsstreit in Frankreich Rückstellungen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro gebildet. «Die grosse Bandbreite möglicher Ergebnisse in diesem Fall trägt zu einem hohen Mass an Schätzungsunsicherheit bei», schreibt die Bank in ihrem jüngsten Quartalsbericht.

Beste Schätzung

«Die Rückstellung spiegelt unsere beste Schätzung der möglichen finanziellen Auswirkungen wider, obwohl die tatsächlichen Strafen und zivilrechtlichen Schadensersatzleistungen diese sowohl übersteigen als auch unterschreiten können», mahnte die Bank. Auch dies ein Hinweis auf die unsichere Ausgangslage beim zu erwartenden Urteil am kommenden Mittwoch.

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