Das Swiss Finance Institut setzt bei Kursen entgegen des Online-Trends auf einen physischen Unterricht. Silvia Helbling erklärt im Interview mit finews.ch, warum diese Lehrmethode gerade bei Bankern so beliebt ist.


Frau Helbling, mehr als die Hälfte der befragten Bankangestellten stufen die Berufsaussichten in der Schweizer Finanzbranche wieder gut oder gar als sehr gut ein. Worauf führen Sie diesen Meinungsumschwung im Vergleich zu früheren Jahren zurück?

Die positive Grundstimmung dürfte im Wesentlichen darauf zurückzuführen sein, dass sich im Finanzsektor ein «New Normal» in Bezug auf die verschärfte Regulatorik, angepasste Entschädigungsmodelle, die Ausgestaltung des grenzüberschreitende Privatkundengeschäfts oder die anhaltende Digitalisierungswelle in den Köpfen der Mitarbeitenden eingestellt hat.

Es zeigt sich, dass die Beschäftigten im Finanzsektor veränderungsbereit sowie agil sind und neue berufliche Chancen nicht nur erkennen, sondern diese auch ergreifen.

Allerdings empfehlen viele Umfrageteilnehmer heute, anstatt bei einer Bank bei einem «banknahen» Unternehmen einzusteigen, also bei einem unabhängigen Vermögensverwalter, bei einem Fondshaus oder bei einem Broker. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung entstehen einerseits neue, zukunftsorientierte Jobs im Fintech-Bereich. Anderseits bieten sich berufserfahrenen Arbeitnehmenden aus der klassischen Bankenwelt gerade aufgrund ihres Track Records auch bei «banknahen» Unternehmen interessante Karrierechancen. Banken sind und bleiben aber unverändert attraktive Arbeitgeber, da sehe ich keinen allgemeinen Negativtrend.

Neben IT-Kompetenz und der Veränderungsbereitschaft im Job ist heute auch wieder zunehmend spezialisiertes Fachwissen gefragt. Als Anbieter(in) von Weiterbildung sollten Sie genau wissen, um welche Themen es sich dabei handelt.

Digitale Kompetenzen stehen sicher im Vordergrund. Gleiches gilt für die Fähigkeit, neue finanzwissenschaftliche Erkenntnisse mit bestehendem Knowhow zu verknüpfen und in den eigenen beruflichen Wirkungskreis einfliessen zu lassen.

«Wir sind in der Lage, in den aktuellen Themen den Austausch zu fördern»

In unseren «Master Classes» fokussieren wir auf aktuelle «Frontier Topics», wie die Digitalisierung oder Green Finance und sind in der Lage, in den aktuellen Themen den Austausch zu fördern.

Auf welche Ausbildungsthemen, die in der Umfrage zur Sprache kamen, geht das Swiss Finance Institute (SFI), konkret ein?

Über die Fakultät des SFI, die sich aus sechs Partneruniversitäten aus allen Landesteilen speist, verfügen unsere SFI-Professoren, die nebst eigener Forschungsaktivitäten auch die neu eingeführten «Master Classes» leiten, über ein breites Fachwissen und vertiefte Erfahrungen, um alle relevanten Bereiche abzudecken.

«Das Konzept hinter den «Master Classes» beruht darauf, neue Branchenthemen, rasch und flexibel aufzunehmen»

Letztlich richten wir unsere Lerneinheiten aber konsequent an den Bedürfnissen der Finanzindustrie aus und stehen hierfür in einem engen Austausch mit unserer Trägerschaft, schliesslich betreiben wir unser Weiterbildungsangebot nicht aus Selbstzweck. Das Konzept hinter den «Master Classes» beruht darauf, neue Branchenthemen, die von der Finanzindustrie nachgefragt werden, rasch und flexibel in unser Angebot aufzunehmen.

In der Finanzweiterbildung wünschen sich viele Bankangestellte vermehrt Online-Lehrgänge sowie Angebote im Bereich «Distance Learning». Im Gegensatz dazu hat das SFI neu Master Classes eingeführt, mit physischer Präsenz. Ist das kein Widerspruch zur Nachfrage?

Das glaube ich nicht. Im Gegenteil: das steigende Bedürfnis nach Fernunterricht dürfte eher damit zusammenhängen, das klassische Weiterbildungsangebote in der Finanzindustrie oftmals mit einem zeitaufwändigen Präsenzunterricht, der sich von ein paar Tagen über mehrere Wochen erstrecken kann, verbunden ist.

Wir setzen auf kurze und intensive Lerneinheiten»

Das ist nicht mehr zeitgemäss, weshalb wir mit unseren «Master Classes» ganz bewusst auf kurze, intensive Lernheinheiten setzen – mit überwältigendem Erfolg, wie die grosse Nachfrage zeigt. Das ist sicherlich auch auf den Umstand zurückzuführen, dass unsere SFI-Professoren physisch präsent sind und dadurch der Know-how-Transfer auf einer persönlichen Basis und auf Augenhöhe erfolgt.

Fast zwei Drittel der befragten Bankangestellten wünschen sich flexible Arbeitszeitmodelle oder Smart-Work-Konzepte. Gehen die Banken darauf ein?

Eine generelle Aussage hierzu steht mir nicht zu. In meiner Wahrnehmung sehe ich aber durchaus die Bereitschaft der Arbeitgeber, den Mitarbeitenden in diesem Punkt nach Möglichkeit zu entsprechen. Das mag nicht überall in der gleichen Ausprägung und Konsequenz erfolgen, dürfte aber sicherlich auch mit den unterschiedlichen Berufsbildern im Finanzsektor zusammenhängen.

Welche Unterstützung kann das SFI von den Banken in Anspruch nehmen?

Das SFI wird von den Mitgliedern der Schweizerischen Bankiervereinigung getragen. Durch diese einmalige Konstellation sind wir in der Lage, punktgenaue und effiziente Weiterbildungsangebote, die letztlich wiederum von unserer Trägerschaft finanziert werden, zu gestalten und durchzuführen.

«Wir betreiben unser Weiterbildungsangebot nicht per se aus finanziellen Erwägungen»

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die finanzwissenschaftliche Grundlagenforschung sowie die Erstausbildung an unseren Partneruniversitäten, welche über die SFI-Fakultät erfolgen. Sie ist Garant dafür, dass der Schweizer Finanzplatz auch im Forschungsbereich jederzeit auf dem höchsten akademischen Wissensstand steht, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Finanzindustrie begünstigt.

Das enorme Wissenskapital, dass an unserer Fakultät gewonnen wird, fliesst wiederum über unser Weiterbildungsangebot, die «Master Classes», an die Basis – ein perfekter Kreislauf.

Die Umfrage deutet klar darauf hin, dass es in Zukunft weniger Stellen und damit auch weniger Bankpersonal geben wird. Ist dieser Trend ein Alarmzeichen für das SFI, wenn es weniger Leute gibt, die eine Weiterbildung beanspruchen?

Als nicht-gewinnorientierte Institution und aufgrund unserer Verankerung in der Finanzindustrie betreiben wir unser Weiterbildungsangebot nicht per se aus finanziellen Erwägungen, zumal unsere «Master Classes» immer ausgebucht sind.

Welche grossen Veränderungen haben in den vergangenen Jahren in der Aus- und Weiterbildung im Finanzwesen stattgefunden?

Die berufliche Weiterbildung im Finanzsektor ist heute deutlich fokussierter, was wiederum von den Teilnehmern ein grosses Mass an Disziplin und Einsatzbereitschaft erfordert.

«Wir sehen uns auch in Zukunft in der Pflicht, immer wieder neu zu denken»

Während früher mehrheitlich Grundlagenwissen vermittelt wurde, geht der Trend heute klar in Richtung von akademisch abgestütztem Expertenwissen. Wer sich heute für eine Weiterbildung entscheidet, ist vor diesem Hintergrund gut beraten, seine knapp bemessene Zeit klug zu investieren.

Agil und innovativ – das sind zwei Schlagwörter, die derzeit in der Bankbranche die Runde machen. Was unternimmt das SFI, um so zu sein?

Das SFI hat seine Beweglichkeit in den letzten zehn Jahren immer wieder eindrücklich unter Beweis gestellt. Einerseits mit dem Aufbau einer exzellenten SFI-Fakultät und zuletzt mit der Lancierung der «Master Classes», die aufgrund ihrer inhaltlichen und formalen Ausgestaltung einem eigentlichen Paradigmenwechsel im Weiterbildungssektor gleichkommen. Darauf sind wir stolz, sehen uns aber auch in Zukunft in der Pflicht, immer wieder neu zu denken.


Silvia Helbling, Head Knowledge Exchange and Education am Swiss Finance Institute (SFI), studierte an der Universität Zürich (lic.oec.publ) und promovierte an der University of York in Grossbritannien auf den Gebieten der Preisbildung am Finanzmarkt und der Informationsökonomie. Ihre beruflichen Erfahrungen sammelte sie in diversen Banken sowie im Rohwarenhandel, bevor sie sich vor mehr als 20 Jahren der Erwachsenenbildung zuwandte, wo sie in unterschiedlichen Führungspositionen die Entwicklung strategischer Initiativen mitprägte.