Bankenberater Bernhard Sauer springt als Extremsportler von Felswänden – das ging zuletzt schief. Im Interview mit finews.ch reflektiert Sauer über das Managen von Risiken. Selbstüberschätzung führe am ehesten zu Fehlverhalten, ist er überzeugt.


Herr Sauer, Sie sind in zwei scheinbar völlig gegensätzlichen Welten zu Hause: Sie sind unter anderem Strategieberater bei der Hypothekarbank Lenzburg und seit Jahrzehnten Extremsportler. Das heisst Sie, springen mit einem sogenannten Wingsuit von hohen Felswänden herab. Wie passt das zusammen?

In der Tat bewege ich mich als selbständiger Unternehmensberater mit den Schwerpunkten Unternehmensstrategie und Geschäftsmodell(weiter)entwicklung in Banken in einer ganz anderen Umgebung als in meiner Freizeit. Neben einem abgeschlossenen Studium als Diplom-Ingenieur an der Technischen Universität in München musste ich mir, um das Studium zu finanzieren, entsprechende Einnahmequellen suchen. Ich hatte deshalb bereits während meines Studiums die beiden internationalen Ausbildungen zum Berg- und Skiführer sowie zum Skilehrer absolviert.

Wie kamen Sie zum BASE-Jumpen?

Ich fing noch als Teenager mit dem Drachenfliegen an, ging dann zum Gleitschirm fliegen und zum Fallschirmspringen über. Folgerichtig habe ich 1997 mit dem BASE-Jumpen, also dem Springen von festen Objekten, begonnen. Kurz darauf zog ich erstmals einen dieser Wingsuits, also Flügelanzüge an, mit denen wir von hohen Felswänden kilometerweit fliegen können. Nun war ich wirklich in meinen Element angekommen.

Wie passt dies zum Berufsbild eines Unternehmensberaters im Banking?

Für mich war immer schon klar, dass ich mich nicht in selbstmörderischer Absicht in irgendwelche Risikosportarten begeben werde.

Bernhard Sauer Sprung

Vielmehr habe ich mich diesen Themen, neben der körperlichen Vorbereitung, auch immer intellektuell und mental angenähert.

«Natürlich kann ich das Restrisiko nicht negieren»

Die Analyse der vielen, teilweise auch tödlichen Unfälle – auch vieler meiner Freunde – haben bei mir zu der Schlussfolgerung geführt, dass es eigentlich keine gefährlichen Sportarten gibt, sondern nur riskant handelnde Menschen.

Nun ja, statistisch gesehen betreiben sie die mitunter riskantesten Sportarten überhaupt - auch gemessen an den objektiven Gefahren.

Natürlich kann ich das Restrisiko meiner Sportarten nicht negieren und es ist natürlich höher als beim Schachspielen. Für mich waren aber meine Extremsportarten immer mehr als nur die physische Herausforderung. Es beinhaltet auch die Dimension der Selbstreflexion und die Rückführung auf die elementaren philosophischen Fragen des Lebens. Eigentlich ist es eine Art aktive Meditation, getreu dem Motto «Der Weg an die Grenze führt zu dir selbst». Wichtig dabei ist natürlich, dass man sowohl seine physischen als auch psychischen Grenzen kennt!

Sprung vom Kjerag in Norwegen im Juni 2019

Es kommt durchaus vor, dass ich an der Felskante stehe und mich entscheide, nicht zu springen. Umkehren ermöglicht viele weitere Erfolge. Deshalb habe ich auch viele meiner Aktivitäten im Hochgebirge ganz alleine unternommen. Damit konnte ich mich jedem fremdbestimmten Gruppendruck entziehen, der aus meiner Sicht ein Risiko erhöhender Faktor sein kann. Übrigens auch im Geschäftsleben.

Heisst das, in Bezug auf das Managen und Eingehen von Risiken können Sie aus beiden Welten Erfahrungen und Know-how ziehen und entsprechend anwenden?

Ganz richtig. In beiden Welten ist die Übernahme von Eigenverantwortung von zentraler Bedeutung. Ich muss mir über die Konsequenzen meines Handelns im Voraus vollumfänglich Gedanken machen – auch bezüglich möglicher Worst-Case-Szenarien.

Sie berechnen also das Risiko des Eintreffens eines Worst Case als Entscheidungshilfe?

Ich habe einmal folgenden Spruch gelesen «Mut bedeutet nicht, eine Gefahr blind zu übersehen, sondern sie sehend zu überwinden». Das würde ich als aktives Risikomanagement bezeichnen.

«Man denkt die Dinge nicht mehr zu Ende»

Aber ich spreche lieber von Chancen- und Risikomanagement. Es geht also um eine Art von Güterabwägung. Und ich darf Ihnen versichern: Wenn es dabei um das eigene Leben geht, wäge ich sorgfältig ab.

Ist dies angesichts der Söldner-Mentalität in der Geschäftswelt weniger der Fall?

Ob dies im Geschäftsleben, noch dazu unter Einsatz von Fremdmitteln, immer im gleichen Umfang mit der gleichen Seriosität vorgenommen wird, möchte ich per se erst einmal hinterfragen. Für mich ist es aber sowohl in meinem privaten wie auch im geschäftlichen Bereich essenziell, ganz dem Spruch folgend: «Quidquid agis, prudenter agas et respice finem» (Anmerkung Red: Was auch immer du tust, du mögest es klug tun und das Ende beachten).

Bernhard Sauer Sprung 2

Ein grosses Problem unserer kurzlebigen Zeit ist meiner Meinung nach, dass man Dinge nicht mehr zu Ende denkt. Würde man dies tun, würden manche Entscheidungen möglicherweise komplett anders ausfallen.

Nun haben Sie bei Ihrem letzten Sprung in Norwegen auch Pech gehabt. Können Sie erzählen, was geschehen ist?

Bei einem Sprung vorletzte Woche hatte ich nach der Öffnung des Fallschirms eine Fang- und Steuerleinenverdrehung. Dies führt dazu, dass man den Fallschirm nicht mehr steuern kann, sofern man es nicht schafft, die Verdrehung zu lösen. Ich hatte solche Verdrehungen im Laufe meiner Springerei schon öfters, konnte sie aber jeweils lösen und konnte den Fallschirm normal und sicher landen.

Diese Mal gelang das nicht?

Nein, dieses Mal war es aufgrund des ausgeprägten Ausmasses der Verdrehungen leider nicht mehr möglich. Ich bin bei der Landung mit der linken Rückenseite auf einen Felsblock gestürzt. Dabei habe ich mir fünf Rippen gebrochen.

War das eines dieser Worst Case Szenarien, auf das Sie vorbereitet waren?

Ja, dieses Szenario hatte ich immer im Kopf und war darum so gut darauf vorbereitet, wie es unter den Umständen möglich ist. Um meinen Rücken zu schützen, habe ich deshalb immer einen massiven Plastikprotektor an.

«Rückschläge sollte man immer mit einkalkulieren»

Und auf dem Kopf natürlich immer einen Vollvisierhelm. Nach 22 Jahren in dieser Sportart, bei der ich bisher keine schlimmen Unfälle hatte, hat dieses Mal vermutlich einfach die Statistik zugeschlagen.

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