In den USA haben die Vermögenswerte in passiven Aktienfonds die Volumen in aktiven Fonds vor kurzem übertroffen. Dies könne manche Anleger verunsichern, sagt der Schweizer Finanzprofessor Francesco Franzoni. Denn so stelle sich zwangsläufig die Frage, ob aktives Management überhaupt noch eine Zukunft habe.


Herr Professor Franzoni, was ist das Thema Ihres nächsten «Master Class» am Swiss Finance Institute?

In meiner Master Class werden wir die Möglichkeiten in der aktiven Vermögensverwaltung diskutieren. Dieses breite Thema umfasst verschiedene Themen. Zunächst werden wir einen Schritt zurück machen und prüfen, was die Grundlagen der aktiven Vermögensverwaltung sind. Mit anderen Worten, welche Annahmen der Praxis der aktiven Vermögensverwaltung zugrunde liegen?

Anschliessend gebe ich einen Überblick über die Strategien, die sich im heutigen aktiven Umfeld gut entwickeln. Dabei wird mich Giordano Lombardo unterstützen, ein Experte im europäischen Asset Management mit langjähriger Erfahrung als institutioneller Investor.

«Diese Entwicklung ist revolutionär und kann gewisse Investoren verunsichern»

Schliesslich werden wir einige aktuelle akademische Ergebnisse diskutieren, die darauf hindeuten, dass es möglich ist, Vermögensverwalter zu identifizieren, die eine Outperformance erzielen. Diese Fähigkeit erfordert spezifische Techniken, die ich in der Klasse beschreiben werde.

Warum haben Sie sich für dieses Thema entschieden?

Erst kürzlich haben in den USA die Vermögenswerte in passiven Aktienfonds die Volumen in aktiven Fonds übertroffen. Diese Entwicklung ist revolutionär und kann gewisse Investoren verunsichern. So stellt sich zwangsläufig die Frage, ob es überhaupt eine Zukunft für aktives Management gibt.

«So gesehen ist es genau jetzt profitabel, ein aktiver Vermögensverwalter zu sein»

Obwohl die akademischen Erkenntnisse in der Vergangenheit dahin gingen, dass aktive Manager keine Outperformance generieren können, wird diese Frage nun wieder positiver beurteilt. Vor diesem Hintergrund fand ich, dass es in diesem historischen Moment durchaus Sinn macht, das Bild der aktiven Vermögensverwaltung wieder zuversichtlicher zu zeichnen. 

Erwarten Sie, dass die aktive Vermögensverwaltung ein eigentliches Comeback erleben wird?

Ich gehe zumindest davon aus, dass das aktive Management weiterhin eine wichtige Rolle im Asset Management spielen wird. Vereinfacht gesagt denke ich, dass effiziente Märkte die Investoren dazu zwingen, ihre «Hausaufgaben» zu machen und die nötigen Informationen zusammentragen, um aktiv zu handeln.  Geschieht dies nicht, werden sich die Preise von den fundamentalen Bewertungen abkoppeln.

«Natürlich könnten wir darüber diskutieren, wie viel aktives Management wir tatsächlich brauchen»

So gesehen ist es genau jetzt profitabel, ein aktiver Vermögensverwalter zu sein. Mit anderen Worten, aktive Manager sind eine entscheidende Voraussetzung für gut funktionierende Finanzmärkte. Natürlich könnten wir darüber diskutieren, wie viel aktives Management wir tatsächlich brauchen... aber ich glaube kaum, dass es darauf eine konkrete Antwort gibt. 

Aktives Asset Management ist unter Anleger auch deshalb unbeliebt, weil es nicht nur hohe Kosten verschlingt, sondern man in jüngster Zeit den Eindruck gewann, aktive Manager würden ihre Ziele gar nicht erreichen. Stimmt das?

Das ist korrekt. Die akademische Finanzliteratur spielte dabei eine wichtige Rolle. Zunächst formulierte Eugen Fama, Wirtschaftsnobelpreisträger von 2013, die These der effizienten Märkte. Nach dieser Theorie sollten Anleger nur Indexfonds kaufen, weil sich mit aktivem Management der Markt gar nicht schlagen lasse.

«Behavioral Finance spielt dabei eine wichtige Rolle»

Mit der Zeit setzte sich allerdings die Erkenntnis durch, dass diese Theorie nicht so einfach ist. Die Behavioral Finance spielt dabei eine wichtige Rolle, wie die Verleihung der Nobelpreise an Robert Shiller und Richard Thaler bezeugen. Deren Arbeiten argumentieren, dass manche Investoren irrational handeln, was wiederum die Preise verzerrt und entsprechend Raum schafft für «intelligente», aktive Manager, die gewisse Bewertungen korrigieren und so Gewinne erzielen können.

Es gibt sogar Thesen, wonach es möglich ist, einzelne aktive Manager zu identifizieren, die ihre Benchmarks konsequent übertreffen. Dies werden wir im Rahmen der Master Class ebenfalls diskutieren.

In Ihrer wissenschaftlichen Arbeit befassen Sie sich auch mit Exchange Traded Funds, sogenannten ETFs, und der Frage, ob diese Instrumente die Volatilität des Marktes erhöhen. Könnten Sie das näher erläutern?

Um eine lange Geschichte kurz zu halten, stelle ich fest, dass eine wachsende Investorennachfrage die ETF-Preise vom Wert ihrer zugrunde liegenden Portfolios entfernt. So übt beispielsweise ein grosser institutioneller Anleger, der ETFs zur Absicherung eines langfristigen Aktienengagements verkauft, Druck auf den ETF-Preis aus.

«Die tägliche Volatilität in Aktien mit einem höheren ETF-Besitz steigt um rund 15 Prozent»

Das erklärt denn auch, dass spezialisierte Unternehmen im Markt handeln, um die Preise von ETFs laufend an das zugrunde liegende Portfolio anzupassen. Diese Aktivität soll Schocks im ETF-Markt auf die zugrunde liegenden Wertpapiere übertragen. Denn wenn sich Schocks ausbreiten, erhöht dies die Volatilität der Preise der zugrunde liegenden Wertpapiere. In einem Artikel im «Journal of Finance» stelle ich fest, dass die tägliche Volatilität in Aktien mit einem höheren ETF-Besitz um rund 15 Prozent steigt.

Würden Sie auch zustimmen, dass ETFs in einem Abschwung Crash noch verstärken?

Wahrscheinlich verschärfen ETFs Abwärtsbewegungen und Illiquidität in Anlageklassen, die nicht sehr liquide sind, wie Unternehmensanleihen. Es gibt heute eine Menge Geld, das in Obligationen-ETFs fliesst, weil die Anleger glauben, dass diese ETFs vollkommen liquide sind.

«In der Master Class werden wir uns auch mit der Frage befassen, wie man diese ‹Stärksten› identifizieren kann»

In gewissen Situationen von «Marktstress» ist es allerdings durchaus denkbar, dass die Illiquidität mancher Anleihen auch Druck auf die entsprechenden ETFs ausüben würde. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dies allerdings bloss eine Vermutung, da wir eine solche Situation noch nie erlebt haben.

Wer ist Ihre Zielgruppe in der eingangs erwähnten Master Class?

Alle Mitarbeitenden von Banken und Finanzinstituten, die sich eine Bestandsaufnahme der jüngsten Trends in der Vermögensverwaltung wünschen und kritisch darüber nachdenken wollen, wie die Zukunft aussehen könnte.

Welche Erkenntnisse können die Teilnehmer erwarten?

Kurz gesagt: Aktives Management wird nicht verschwinden. Allerdings werden nur die stärksten Anbieter überleben. In der Master Class werden wir uns auch mit der Frage befassen, wie man diese «Stärksten» identifizieren kann.

  • Master Classes: Die zeitgemässe Form der Weiterbildung im Finanzsektor. Erfahren Sie mehr.

Francesco Franzoni ist ordentlicher Professor für Finanzwirtschaft an der Wirtschaftsfakultät der Università della Svizzera Italiana (USI). Er hat am Massachusetts Institute of Technology (MIT) promoviert und einen Bachelor- und Masterabschluss der Bocconi University erworben. Er stiess im September 2007 zur USI. Seine Forschung umfasst verschiedene Bereiche der empirischen Vermögenspreisgestaltung. Sein Interesse gilt insbesondere institutionellen Investoren und deren Einfluss auf die Vermögenspreise. An der USI lehrt er Investments and Financial Modeling im Masterprogramm sowie Empirical Asset Pricing im Ph.D.-Programm.