Während Kapital zunehmend frei um die Welt fliesst, sind die Besitzer an eine Nationalität gebunden. Christian Kälin weiss Abhilfe. finews.ch traf den «Passport King».

Der jüngste «Wealth Report» des Beratungsunternehmens Knight Frank ist Wasser auf die Mühlen des Christian Kälin, Chairman der Kanzlei Henley & Partners. «How money is moving around the world», ist der Report überschrieben.

Jährlich werden Milliarden von Dollar an Privatvermögen verschoben – in sichere Währungshäfen und Jurisdiktionen, Offshore-Zentren, Steueroasen oder in Länder, die nicht viel mehr anzubieten haben, als eine Staatsbürgerschaft.

Ein wahrhaft globales Geschäft

36 Prozent aller Superreichen auf der Welt (also Familien oder Individuen mit mehr als 50 Millionen Dollar Vermögen) hätten bereits einen zweiten Pass, 26 Prozent wollen permanent ihre Heimat verlassen, heisst es da weiter.

Es ist ein Riesengeschäft für Berater, Family-Office-Dienstleister, Steueranwälte – und Kälin. Denn er ist der «Passport King», der «Mr. Citizenship». Mit seiner inzwischen in 30 Ländern präsenten Kanzlei Henley & Partners und über 300 Mitarbeitern bedient der Zürcher die mobile, superreiche Klientel, vermittelt ihnen Staatsbürgerschaften von Ländern auf dem ganzen Erdball: Sei es Österreich oder Vanuatu, Portugal oder Neuseeland, Grenada oder Kambodscha.

Eine Notwendigkeit

Auf ein Volumen von 25 Milliarden Dollar wird das Geschäft mit Staatsbürgerschaften inzwischen geschätzt – Tendenz steigend – und Kälin ist mit Henley & Partners zum Marktführer aufgestiegen.

Im Gespräch mit finews.ch sagt er: «Es ist heute für sehr vermögende, in internationalen Geschäftsbeziehungen stehende Privatpersonen einfach eine Notwendigkeit, über eine zweite Staatsbürgerschaft und einen entsprechenden Reisepass zu verfügen.»

Freiheit, Sicherheit

Nicht aus steuerlichen Gründen, wie der promovierte Jurist dezidiert sagt. Steuern zahlten seine Kunden weiterhin dort, wo sie domiziliert seien. Ein zweiter Pass sei einerseits der Reisefreiheit sehr förderlich, beispielsweise, um sich innerhalb der EU frei bewegen zu können.

Andererseits entspreche eine zweite Staatsbürgerschaft einem Sicherheitsbedürfnis. Sprich: Mit der «falschen» Nationalität zu reisen, sei oftmals ein Risiko. Bei den Terroranschlägen in Mumbai vor über elf Jahren identifizierten die Attentäter ihre Opfer aufgrund ihrer Reisepässe. Amerikaner und Briten wurden exekutiert, andere Nationalitäten blieben verschont.

Grosse Sorge der Private Banker?

Weniger drastisch, aber für die Sicherheit von Privatvermögen dennoch gefährlich, sind Regierungswechsel, politische Umschwünge, allgemein politisch instabile Länder. Kälin erwähnt im Gespräch Südafrika, wo er derzeit immense Nachfrage nach zweiten Pässen spürt.

«Die Situation in Ländern mit grosser politischer Unsicherheit und Instabilität bereitet gerade auch hiesigen Private Bankern grosse Sorgen», weiss Kälin. «Ihren Kunden könnte schlicht die Reisefähigkeit abgesprochen werden, wodurch der Zugriff auf die Vermögen erschwert würde.»

Inwiefern Henley & Partners von den Sorgen Schweizer Private Banker profitiert, liess sich nicht eruieren. In Gesprächen äusserten sich Branchenvertreter eher zurückhaltend. Da Henley & Partners vielfach Kunden aus problematischen Ländern habe, seien die Berührungspunkte zum Schweizer Private Banking eher rar.

Vorwurf: Steuerflucht, Kriminalität, Geldwäscherei

Kripa Sethuraman vom Family Office Accuro Fiduciary sagte hingegen: «Es kann mit einem 'schwierigen' Pass – indisch, russisch oder chinesisch – sehr entmutigend sein, viel zu reisen. Der Visumprozess ist sogar für kurze Aufenthalte langsam und kompliziert.»

Tatsächlich werden die Dienste von Henley & Partners nicht überall gleich gern gesehen. EU-Kommission und OECD verurteilen den Passhandel oder vielmehr Programme mit dem Namen «Citizenship by Investment», bei denen Vermögende Individuen für eine Investition wie den Kauf von Immobilien oder Staatsanleihen im Gegenzug einen Pass erhalten.

Pauschal wird da der Passhandel mit Steuerflucht, Kriminalität und Geldwäscherei angeprangert – wogegen sich Kälin vehement wehrt. Die Henley-Kunden würden sehr sorgfältig ausgewählt.

Ein Kunden-Screening wie bei der Privatbank

«Unser Prozess ist dem einer Privatbank beim Umgang mit sogenannten PEPs, also ‚politically exposed persons‘, sehr ähnlich», sagt er. «Dies führt dazu, dass wir eine Vielzahl von möglichen Kunden aufgrund ihres Exposures und ihrer Reputation ablehnen.»

Das Geschäftsmodell von Henley & Partners richtet sich an potenzielle Anbieter und Nachfrager von Staatsbürgerschaften: Kälin berät Regierungen und erstellt die Citizenship-Programme, gleichzeitig vermittelt er die entsprechenden Staatsbürgerschaften. Diese kosten je nach dem zwischen einigen Hunderttausend und einem zweistelligen Millionen-Betrag, den man in Österreich investieren muss, um den dortigen Pass zu erhalten.

Wirksames Mittel, Auslandinvestitionen zu fördern

Kälin räumt ein, dass seine Services nur einer sehr vermögenden Kundschaft offen stehen. Doch sei er der Überzeugung, dass die sogenannte Investment Migration gerade auch für strukturschwache Länder ein wirksames Mittel ist, Auslandinvestitionen anzuziehen und die Wirtschaft zu fördern.

Kälin räumt auch unumwunden ein, dass diese Staatsbürgerschafts-Programme auch für Individuen interessant sind, die nicht die beste Reputation haben. Weil Henley & Partners der Marktführer ist, sind Schlagzeilen rasch gemacht.

So hiess es kürzlich, Jho Low, der mutmassliche Drahtzieher der Milliarden-Korruption beim malaysischen Staatsfonds 1MDB sei Kälins Kunde gewesen und habe die zypriotische Staatsbürgerschaft erhalten.

Schlagzeilen auf Malta

Auf Malta sind Kälin und Henley & Partners ebenfalls in den Schlagzeilen gewesen. Die Kanzlei vermittelte seit dem Jahr 2013 zig maltesische Staatsbürgerschaften an russische, pakistanische oder saudische Millionäre. Milliarden von Euro flossen so auf die Insel.

Die Journalistin Daphne Caruana Galizia wurde 2017 als unliebsame Kritikerin der maltesischen Regierung ermordet. Ein Dorn im Auge war ihr auch das Citizenship-Programm. Ermittlungen brachten diesen Herbst Verbindungen vom Auftraggeber des Mordes bis zur Regierung ans Licht, Premierminister Joseph Muscat wird nun von der EU gedrängt, vorzeitig zurückzutreten.

Kälin sagt dazu: «Die gegenwärtigen Entwicklungen sind sehr unglücklich und waren so nicht vorhersehbar. Unser dortiges Citizenship-Programm war stets allen bestehenden internen Kontrollen unterworfen.»

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