Der US-Asset-Manager T. Rowe Price berücksichtigt ESG-Themen in seinen Anlageentscheiden und  nimmt eine aktive Rolle an Aktionärsversammlungen ein. Maria Elena Drew sagte im Interview mit finews.ch, was damit erreicht wird.


Frau Drew, wie lange beschäftigt sich T. Rowe Price schon mit ESG-Kriterien?

Wir haben 2017 beschlossen, unsere Kompetenzen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) durch ein «Responsible Investment Team» zu erweitern. Das Ziel dabei war, unseren Anlegern zu helfen, einen besseren Einblick in die Anlagen zu erhalten, in die sie investieren.

Darüber hinaus ist unser Governance-Team unter der Leitung von Donna Anderson schon seit 2007 an Bord. Es stellt eine wertvolle Ressource für unsere Analysten und Portfoliomanager dar, die beurteilen, wie sich Governance-Faktoren auf die Performance auswirken.

Was bezweckt das Team von Donna Anderson konkret?

Dieses Jahr steht die Interessenvertretung im Mittelpunkt unserer Governance-Tätigkeit. In den wichtigsten Märkten der Welt befürchten wir eine Schwächung der Aktionärsrechte und des Anlegerschutzes.

Was unternehmen Sie dagegen?

Wir arbeiten mit anderen Anlegern zusammen, um Börsen und Aufsichtsbehörden davon zu überzeugen, dass angemessene Offenlegungs-Anforderungen und ein starker Anlegerschutz wesentliche Voraussetzungen für transparente, liquide und widerstandsfähige Kapitalmärkte sind.

Inwieweit hat die Corona-Pandemie bereits ein Überdenken der ESG-Standards bewirkt?

Es ist noch zu früh, um Schlüsse aus den langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf Firmen und Volkswirtschaften zu ziehen. Klar ist zum jetzigen Zeitpunkt, dass die Unternehmenskultur und das Wertesystem der Emittenten von Unternehmensanleihen auf der ganzen Welt wie nie zuvor auf dem Prüfstand stehen.

«Das führte zu Pauschalverkäufen beunruhigter Investoren»

Die Aussagen der Unternehmen in Bezug auf die Anwendung von ESG-Kriterien dürften von den Investoren und anderen Stakeholdern in einem völlig neuen Kontext beurteilt werden. Wir gehen davon aus, dass diese Themen künftig schnell in den Mittelpunkt des Engagements zwischen Investoren und Konzernen rücken werden.

Welche konkreten Ergebnisse haben Sie bisher erzielt?

Im vergangenen Jahr stellte unser Global-Health-Analyst Johnny Rowles fest, dass der Chemiekonzern Bayer bestimmte Kernrisiken aktiv angeht, darunter auch ESG-bezogene Themen. Im Kontext der Klagen, dass das Herbizid Roundup Krebs verursacht, führte das Prozessrisiko zu Pauschalverkäufen beunruhigter Investoren.

Unser Engagement in Sachen ESG-Themen trug dazu bei, Vertrauen aufzubauen, und dass das Unternehmen an der Lösung dieser Probleme arbeitet – von denen viele im Zuge der Übernahme von Monsanto entstanden waren. Anfang 2020 stellte Bayer eine neue Nachhaltigkeits-Strategie vor, die eine klare Verantwortungsstruktur für ESG und die Verpflichtung zur Neuentwicklung seiner Pestizidprodukte im Hinblick auf nachhaltigere Standards beinhaltete.

«Der Umgang mit den Mitarbeitenden ist ein dominierendes ESG-bezogenes Anlagethema in dieser turbulenten Zeit»

Der Aktienanalyst unseres Versicherungssektors, Zenon Voyiatzis, wiederum stellte fest, dass der Fokus auf nachhaltige Investitionen beim asiatischen Versicherungskonzern AIA-Gruppe potenzielle Abwärtsrisiken minderte. Das Unternehmen profitiert zudem von einem leistungsfähigen Management und von einem erfolgreichen Track-Record.

Die Investoren unterschätzen jedoch unserer Ansicht nach die Wachstumsbeständigkeit und -resilienz von AIA. Die Überprüfung durch unser Team für nachhaltige Investments bestätigte das robuste Umweltmanagement-Programm von AIA – mit einem besonderen Fokus auf Klimawandelfaktoren.

Die Coronakrise hat einen enormen Einfluss auf die Arbeitnehmenden. Inwiefern nehmen Sie darauf Rücksicht?

Tatsächlich ist der Umgang mit den Mitarbeitenden ein dominierendes ESG-bezogenes Anlagethema in dieser turbulenten und von Unsicherheit geprägten Zeit. Darüber nachzudenken, wie ein Unternehmen seine Mitarbeitenden behandelt, ist für uns nicht neu. Unsere firmeneigene Analyse enthält eine Kategorie, die der Behandlung von Mitarbeitern gewidmet ist.

Die Daten, die da erfasst werden, variieren zwar je nach Subbranche des jeweiligen Unternehmens. Doch sie umfassen Elemente wie Mitarbeiterfluktuation, Schulung, Gesundheits- und Sicherheitszertifizierungen sowie Kontroversen respektive Zwischenfälle.

Wie aktiv nutzt T. Rowe Price die Stimmen seiner Aktionäre bei Generalversammlungen?

Unsere Portfoliomanager sind für die Abstimmungsentscheidungen innerhalb der von ihnen verwalteten Strategien verantwortlich, während unser Abstimmungsprogramm ein Element unserer allgemeinen Beziehung zu Unternehmensemittenten ist.

«Einkommensungleichheit ist eine Schlüsselüberlegung in der sozialen Komponente von ESG»

Wir nutzen unsere Stimmrechte in einer Weise, die die anderen Aspekte unserer Beziehung zu diesen Unternehmen ergänzt – einschliesslich Engagement, Investitionsbewertung und Anlageentscheidungen. Im Jahr 2019 stimmten wir bei 6'350 Versammlung weltweit über 64'249 Vorschläge ab, was 99,2 Prozent aller abgehaltenen Anlässe entspricht.

Wird T. Rowe Price seine «Macht» als Grossaktionär künftig auch in weiteren Fragen ausüben – zum Beispiel für mehr Diversität oder für gleiche Löhne für Männer und für Frauen?

Einkommensungleichheit ist eine Schlüsselüberlegung in der «sozialen» Komponente von ESG und hat daher einen starken Einfluss auf unsere Investitionsentscheidungen in Bezug auf Staatsschulden.

Es wird weitere politische Veränderungen geben, wenn die Regierungen weiterhin auf die Forderungen nach einem breiteren Zugang zu erschwinglichen Dienstleistungen und einem besseren Schutz der Arbeitnehmer reagieren.

Wir beobachten die Einkommensungleichheit auf der ganzen Welt und beziehen sie in unsere Analysen ein – nicht zuletzt auch, um die Anlageperformance unserer Kunden zu maximieren.


Maria Elena Drew ist seit September 2017 Director of Research Responsible Investing beim amerikanischen Asset-Management-Unternehmen T. Rowe Price. Zuvor war sie neun Jahre lang Aktien-Analystin, Portfoliomanagerin und ESG-Spezialistin bei Goldman Sachs Asset Management.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.53%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.87%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.02%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.58%
pixel