Es gehe nicht darum, ob wir die EU mögen oder nicht, oder ob wir denken, sie funktioniere gut. Es gehe vielmehr darum, ob wir bereit sind, die Basis unserer Beziehungen zu ihr zu zerstören, schreibt der Genfer Bankier Yves Mirabaud in einem Gastbeitrag für finews.ch.

Von Yves Mirabaud, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken

Am 27. September stimmen wir unter anderem über die Initiative der SVP zur Begrenzung der Zuwanderung aus der EU ab, die faktisch auf die Beendigung unserer bilateralen Abkommen mit der EU hinausläuft.

Es geht nicht darum, ob wir die EU mögen oder nicht, oder ob wir denken, sie funktioniere gut. Es geht vielmehr darum, ob wir bereit sind, die Basis unserer Beziehungen zu ihr zu zerstören, die seit 20 Jahren für einen besseren Lebensstandard für alle in der Schweiz sorgt.

Notwendige Zuwanderung

Ja, die Schweizer Bevölkerung wächst: 1960 waren es 5,3 Millionen Einwohner, dann 6,3 Millionen im Jahr 1980, 7,2 Millionen im 2000 und schliesslich 8,6 Millionen im 2020. Diese Zahlen zeigen, dass die Freizügigkeit mit der EU nicht unbedingt zum Bevölkerungswachstum beigetragen hat. Die Nettozuwanderung (Zuwanderung minus Abwanderung) ist in der Tat auf 40'000 bis 45'000 Personen pro Jahr zurückgegangen, von denen etwa 30'000 aus EU-Ländern kommen.

Diese Zuwanderung ist notwendig, um mangels ausreichender Geburtenrate in der Schweiz die AHV-Renten der rund 500'000 Babyboomer zu finanzieren, die in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand treten werden.

Freizügigkeit ist nicht absolut

Warum gibt es in einem Land Einwanderung? Sie ist das Spiegelbild seines wirtschaftlichen Erfolgs. Ende der 1970er Jahre war die Zuwanderung negativ, Arbeitskräfte verliessen die Schweiz. Heute ist die Freizügigkeit mit der EU nicht absolut. Man braucht eine Stelle, um in die Schweiz zu kommen, oder ausreichende Mittel, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfe leben zu können.

Zur Bekämpfung des Lohndumpings gibt es flankierende Massnahmen. Die Schweizer Wirtschaft braucht gut qualifizierte Fachkräfte und Spezialisten, die in der Schweiz nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Zudem benötigen bestimmte Sektoren wie das Gesundheitswesen oder das Gastgewerbe Grenzgänger, um alle Stellen zu besetzen.

Keine Ausnahme für die Schweiz

Auch wenn die SVP-Initiative nur das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU betrifft, gehört dieses zu den ersten bilateralen Abkommen mit der EU, die alle miteinander verknüpft sind, ausser anders lautendem Entscheid der EU innerhalb von sechs Monaten nach der Kündigung eines dieser Abkommen.

Zu einem Zeitpunkt, da die EU mitten in den Post-Brexit-Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich steckt und bei jeder Gelegenheit wiederholt, dass die Personenfreizügigkeit der Eckpfeiler des Marktzugangs ist, wer glaubt denn daran, dass die EU für die Schweiz freundlicherweise eine Ausnahme machen wird?

Warteschlangen am Zoll

Man spricht viel von Schweizer Exporten in die EU, unserem mit Abstand wichtigsten Handelspartner. Und es stimmt, dass ohne bilaterale Abkommen viele Unternehmen in der Schweiz auf dem europäischen Markt nicht konkurrenzfähig wären und ihre Produktion oder gar ihren Sitz verlagern müssten.

Statt Arbeitsplätze zu retten, würde die Initiative viele davon vernichten. Erinnern Sie sich aber auch daran, wie das Leben vor den bilateralen Abkommen war: die Warteschlangen am Zoll in allen europäischen Ländern, die Schwierigkeiten, im Ausland zu studieren, die Isolation der Schweizer Forschenden.

Nicht mehr unserer Zeit angepasst

Ist es das, was wir an unsere Kinder weitergeben wollen? Und was würde mit den rund 500'000 Schweizerinnen und Schweizern geschehen, die sich dank der Freizügigkeit in den EU-Ländern niedergelassen haben?

Das Problem ist nicht die Einwanderung aus der EU, die sich zudem seit Beginn der Initiative halbiert hat. Die täglichen Schwierigkeiten vieler Menschen rühren von der unzureichenden Bewältigung des Bevölkerungswachstums in der Schweiz her: Mehr Eisenbahnen, Strassen, Wohnungen, Schulen oder Kinderkrippen hätten gebaut werden müssen. Wir leben heute mit einer Infrastruktur, die nicht mehr an unsere Zeit angepasst ist.

Einladendes Land

Aus diesen Gründen werde ich am 27. September mit NEIN gegen die Begrenzungsinitiative stimmen, damit die Schweiz ein wohlhabendes und einladendes Land bleibt, insbesondere für ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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