Im Bereich der digitalen Währungen ging lange Zeit der Privatsektor mit Innovationen voran. Als die Pläne der Fintech-Pioniere immer mächtiger wurden, horchten die staatlichen Stellen auf. Für sie gilt es jetzt, ihre Autorität in der Geldpolitik zu erhalten.

Die spannendsten Geschichten im Bereich der Krypto-Währungen schrieben dieses Jahr für einmal nicht Libra oder Bitcoin, sondern nationale und supranationale Projekte wie der digitale Euro. Natürlich, die Rekordjagd des Bitcoins fasziniert die eingeweihte Anlegerschar. Aber wirklich neu ist die Hatz nach höheren Preisen für eine Objekt der Investorenbegierde nicht.

Um zu verstehen, warum die staatlichen Projekte so spannend sind, muss man etwas genauer hinschauen. Was die Zentralbanken heute versuchen, ist das Speichermedium für unser Geld durch ein neues zu ersetzen. Cloud statt Langspielplatte (LP), sozusagen.

Aus der Hand genommen

Mit dieser Umstellung erreicht eine Zentralbank gleich mehrere Ziele. Erstens versucht sie den privaten Angriff auf die Hoheit der Währungshüter abzuwehren. Zweitens schafft sie Raum für Effizienzgewinne auf dem Finanzplatz. Und drittens legt sie den Grundstein für die lückenlose Überwachung der Geldströme.

Doch eins nach dem anderen. Eine Zentralbank sorgt mit ihren Instrumenten für stabile geldpolitische Verhältnisse und überwacht die systemrelevante Finanzmarkt-Infrastruktur. Wenn ihr ein zentrales Instrument aus der Hand genommen würde, gefährdet dies die Erfüllung des Mandates. Beispielsweise also der Ersatz der eigenen Währung durch eine Fremdwährung (wie häufig in instabilen Ländern geschehen, wo der Dollar zur Leitwährung wird), oder aber wenn eine private Alternative aus Effizienzgründen überhandnimmt.

Bewirtschaftung mittels Künstlicher Intelligenz

Zugegeben, wir sind weit von einer solchen Situation entfernt. Das Gedankenspiel ist aber durchaus seine Zeit wert. Wir müssen davon ausgehen, dass supranationale Konzerne wie Amazon oder Alibaba künftig einen grossen Teil des Privatkonsums steuern und abwickeln. Sie besitzen die gesamte Logistikkette vom Hersteller bis zum Endkonsumenten. Sie kennen sämtliche «Bedürfnisse» der Menschen und wissen sie zu bewirtschaften mittels Künstlicher Intelligenz.

Der nächste, logische Schritt im Ausbau ihrer Macht ist die Einführung einer eigenen Währung. Dies vereinfacht die Abwicklung des privaten Handels um ein Vielfaches und schafft einen grossen, gemeinsamen Währungsraum vom Hersteller, über Händler, Lieferanten, bis zum Konsumenten.

Abwehrende Haltung nur logisch

Dies ist alles kein Problem, solange die Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern in Franken, Euro oder Kronen bezahlt werden und sie damit die Handelswährung kaufen. Wenn sie aber zum Beispiel zur Hälfte in Amazonas oder Alibabas bezahlt würden, verliert die jeweilige Zentralbank einen Teil ihrer Macht an den privaten Anbieter. Die abwehrende Reaktion des Staates auf das ursprüngliche Libra-Projekt aus dem Haus Facebook war aus diesem Grund nur logisch.

Das Projekt «Helvetia», das die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Rahmen des Innovationshubs der BIZ in Basel unternommen hat, geht nicht auf diese erste Frage ein, sondern greift den zweiten Kernpunkt der digitalen Revolution auf. Die traditionellen Banken kämpfen noch immer mit der Umstellung auf das digitale Banking. Sie werden laufend von neuen Anbietern herausgefordert, die ohne historischen Ballast und mit äusserst schlanken Organisationen arbeiten.

Effizienzgewinn mit digitalem Franken

Der digitale Franken aus dem Hause SNB soll ihnen einen Effizienzgewinn ermöglichen und die Abwicklung der Transaktionen erleichtern. Mit diesem Vorgehen hat die SNB zwar einen viel defensiveren Ansatz gewählt als andere Zentralbanken – zum Beispiel als die EZB, die schwedische Reichsbank oder die chinesische Zentralbank – aber vermutlich passt der pragmatische Ansatz ausgezeichnet zum Schweizer System und Denken.

Hand in Hand mit dem Infrastrukturkonzern SIX (der dem Finanzplatz gehört) einen echten, messbaren Fortschritt zu erzielen, könnte ein guter Zwischenschritt in Richtung digitaler Zukunft bedeuten. Die SIX plant bekanntlich, im 2021 ihre digitale Wertschriftenbörse SDX live zu schalten. Dazu würde dann der digitale Franken für Finanzintermediäre der SNB perfekt passen.

Verlockende Aspekte

Denn für den nächsten, dritten und abschliessenden Schritt ist die Schweiz wohl kaum bereit. Die digitale Version von Bargeld wird in den erwähnten Wirtschaftsräumen aktiv diskutiert. Zu verlockend erscheinen gewisse Aspekte des Digitalgeldes, insbesondere natürlich die Effizienz im Vergleich mit dem Bargeld-Handling, aber auch – und dies ist kritisch – die Nachvollziehbarkeit von Transaktionen.

Natürlich, damit könnten allerlei Bösewichte in ihren Aktivitäten gestört werden. Aber die damit einhergehende Überwachung der Bürger widerspricht unserem Staatsverständnis fundamental und ist deshalb abzulehnen. In Europa und auch den USA ist der komplette Ersatz von Bargeld deshalb nicht absehbar, auch wenn vielleicht die digitale Währung auf Sicht durchaus seinen Platz neben dem Bargeld hat.

Projekt Helvetia nimmt nächste Hürden

Die Entwicklung auf diesem Gebiet steht also erst am Anfang. Das zu Ende gehende Jahr hat von staatlicher Seite einiges an Innovation gebracht. Auch das kommende Jahr wird aber neue spannende Experimente bringen. So wird sich die EZB intensiv um die Einführung einen digitalen Euro kümmern (und vielleicht dagegen entscheiden).

In der Schweiz steht die SDX vor ihrer Eröffnung und das Projekt «Helvetia» nimmt die nächsten Hürden. Noch wenig gehört hat man von den USA, aber vielleicht bringt die neue Administration hier Bewegung ins Spiel.

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