Die Königsdisziplin auf dem Schweizer Finanzplatz ist die Vermögensverwaltung. Doch die Finanzbranche hat in den vergangenen 50 Jahren zahlreiche Innovationen gesehen, die weit über das angestammte Feld hinausreichen. Dahinter standen visionäre Leute. finews.ch präsentiert zehn Innovatoren.


1. Matthias Reinhart: Gegenspieler der grossen Banken

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Gemeinsam mit dem 2001 verstorbenen Max Bolanz gründete Matthias Reinhart 1993 das VZ VersicherungsZentrum. Ihr Ziel war es, durch Preis- und Leistungsvergleiche Transparenz ins Schweizer Versicherungsgeschäft zu bringen. Nach und nach erweiterten sie die Beratungsdienstleistungen auf Vorsorge-, Erbschafts- und Anlagethemen sowie auf Steuerfragen; 1997 kam es zur Namensänderung in VZ VermögensZentrum. Die Idee war, unabhängige Beratungen anzubieten und sich damit klar von Produkteverkäufern abzugrenzen.

Eine hervorragende Öffentlichkeitsarbeit machte das VZ zu der Anlaufstelle für Finanzfragen in der Schweiz und zum kleinen Gegenspieler der grossen Banken. Das verhalf dem Unternehmen zum durchschlagenden Erfolg, so dass die VZ Holding 2007 an die Börse ging. Heute beschäftigt die Gruppe rund 1'200 Personen und verwaltet mehr als 30 Milliarden Franken an Kundengeldern; Reinhart hält direkt und indirekt gut 60 Prozent des Unternehmens. Das Schweizer Wirtschaftsmagazin «Bilanz» schätzte Reinharts Vermögen zuletzt auf 2,5 Milliarden Franken. 

2. Urs Wietlisbach, Alfred Gantner, Marcel Erni: Direktinvestoren

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Alfred Gantner, Marcel Erni und Urs Wietlisbach haben alle einmal beim US-Finanzinstitut Goldman Sachs gearbeitet, bevor sie auf eine weitere Laufbahn bei diesem namhaften Institut verzichteten und 1996 die Partners Group gründeten. Ihr Geniestreich bestand darin, dass sie frühzeitig den lukrativen Zusammenhang zwischen Private-Equity-Anlagen, die tendenziell wenig mit der Börse korrelieren, und den entsprechenden Bedürfnissen institutioneller Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen.

Dadurch konnte sich das im Kanton Zug ansässige Unternehmen rasch als der Spezialist für Direktinvestitionen in Aktien und Schuldtiteln von privaten Unternehmen etablieren. Im Jahr 2006 ging die Partners Group an die Börse. Dank ihres ausgeklügelten und hoch fokussierten Geschäftsmodells gelang es dem Unternehmen, eine der grössten Erfolgsgeschichte auf dem Schweizer Finanzplatz zu schreiben. Auch im Ausland gilt die Gruppe heute als Vorzeigeinstitut, so dass beispielweise auch den norwegischen Staatsfonds zu ihren Kunden zählt. Unlängst gaben die Gründer bekannt, einen neuen und höchst imposanten Firmensitz in Baar bei Zug zu bauen.

3. Martin Ebner: Der «Aktiensparer»

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Martin Ebner, zuvor bei der Bank Vontobel tätig, machte sich 1985 selbständig und gründete die BZ Bank. Visionär erkannte er, dass durch das BVG-Obligatorium die institutionellen Anleger zusätzliche Investitionsmöglichkeiten suchten, um die riesigen Summen an Vorsorgegeldern zu platzieren. Diesen Bedürfnissen entsprach er einerseits mit seinen Stillhalter-Optionen, und andererseits mit seinen Beteiligungsgesellschaften, den Visionen.

Im Zuge der haussierenden Aktienmärkte in den 1990er-Jahren etablierte er hierzulande auch das «Aktiensparen», indem er dazu beitrug, dass mehr und mehr Schweizerinnen und Schweizer einen Teil ihres Gelds in Aktien investierten. Obschon er im Laufe der Turbulenzen an den Finanzmärkten 2001/2002 einen substanziellen Teil seiner Fortüne verlor, schaffte er in den Folgejahren ein unglaubliches Comeback und bestätigte sich als begnadeter Investor, der auch noch ein Flair für Ferien-Fluggesellschaften entwickelte – selbst die Corona-Pandemie konnte ihm respektive seiner Helvetic Airways nicht viel anhaben. 

4. Robert Holzach: Der Ausbilder

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Der legendäre SBG-Chef Robert Holzach (1922-2009) erkannte als Erster in der Bankbranche die Wichtigkeit der lebenslangen Aus- und Weiterbildung. So initiierte er in den 1970er-Jahren das Ausbildungszentrum Wolfsberg im thurgauischen Ermatingen. In dieser Kaderschmiede wurde – und wird heute noch – die künftige Elite der heutigen UBS auf höhere Aufgaben eingestimmt.

In Holzachs Epoche wurden keine 08/15-Kurse geboten. Stets ging es dort um einen ausgeklügelten Mix aus «Fachausbildung, Führungslehre und ganzheitsbezogene Bildung», wie es Holzach einmal formulierte. Das alles wurde in Lehrgängen und Schulstunden gepaukt, aber auch in Diskussionen erörtert und oftmals sogar in Rollenspielen inszeniert – etwa, wie man als Kadermann der Boulevardpresse Paroli bietet oder mit politischen Demonstranten vor einer Geschäftsstelle umgeht. Im geselligeren Teil der Ausbildung organisierten die Wolfsberg-Verantwortlichen Exkursionen und Treffen mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Wer nicht in den Wolfsberg berufen wurde, hatte innerhalb der SBG (heute UBS) keine Chance auf eine weitere Karriere.

5. Marc Bürki: Der digitale Händler

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In den 1990er-Jahren erkannten auch hierzulande verschiedene Finanzfachleute das Potenzial im Online-Banking, doch Marc Bürki, eigentlich Elektroingenieur und Telekommunikations-Spezialist, setzte ab 1997 das Geschäftsmodell in der Schweiz am konsequentesten und erfolgreichsten um. Besonders nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2001, als es den vielen anderen Akteuren in diesem Segment sehr schlecht ging und manche von ihnen aufgaben, hielt Bürki an der Idee beharrlich fest und schaffte es so, Swissquote zur führenden Online-Bank der Schweiz zu machen.

Im Jahr 2000 ging das Unternehmen an die Börse und erhielt die Banklizenz der Eidgenössischen Bankenkommission (heute Finma). Bürki und Co-Gründer Paolo Buzzi sind heute unangefochten die Nummer eins auf ihrem Gebiet; souverän haben sie auch den Schritt in Richtung digitale Vermögenswerte geschafft und profitieren nun von diesem Boom enorm. Der Erfolg ist momentan so gross, dass sie ihre Gewinnziele laufend überbieten und sich neue setzen müssen. 

6. Edgar de Picciotto: Der Hegdefonds-Pionier

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Der gebürtige Libanese jüdischer Abstammung studierte zuerst Ingenieurswissenschaften, bevor er mit seiner Familie in den 1950er-Jahren von Beirut via Italien in die Schweiz flüchtete. Im Jahr 1955 gelangte Edgar de Picciotto (1929-2016) nach Genf, wo er in die kleine Société Bancaire de Genève «einheiratete». Im Jahr 1969 gegründete er die Compagnie de Banque et d'Investissement (CBI), mit der er 1990 die wesentlich grössere Trade Development Bank – American Express Bank (TDB) übernahm. Daraus entstand die heutige Union Bancaire Privée UBP).

De Picciotto, der 1972 die Schweizer Staatsbürgerschaft erlangte, investierte auf dem Schweizer Finanzplatz schon früh – zusammen mit dem ungarisch-amerikanischen Investor George Soros – in alternative Anlagen, namentlich in Hedgefonds. Damit war er hierzulande der Pionier auf diesem Gebiet – was ihm zu einem Milliardenvermögen verhalf. Trotz dieser Erfahrung geriet die UBP 2008 in den Strudel des US-Grossbetrügers Bernard Madoff und erlitt einen herben Reputationsverlust. Dank seines beherzten Eingreifens ins operative Geschäft schaffte es der dannzumal knapp 80-jährige de Picciotto, die Bank wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Er verstarb 2016 in seinem 87. Lebensjahr.

7. Jan Schoch: Wegbereiter der Strukturierten Produkte 

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Strukturierte (Finanz-)Produkte gab es schon lange. Doch es war der Appenzeller Jan Schoch, der diesem Anlageinstrument in der Schweiz zum Durchbruch verhalf. Er arbeitete zunächst für verschiedene internationale Finanzinstitute wie J.P. Morgan, Goldman Sachs und Lehman Brothers, wo er sich als Spezialist für Derivate einen Namen machte. Die sichere Karriere im Schosse eines dieser Finanzinstitute schlug er jedoch aus und gründete 2007 mit einigen Partnern die Firma EFG Financial Products, die später nach dem Börsengang 2012 in Leonteq umfirmiert wurde.

So konsequent wie Schoch konzentrierte sich hierzulande niemand auf die Entwicklung und den Vertrieb von Strukturierten Produkten – Produkte, die sich vor allem im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 einer immer grösseren Beliebtheit unter Anlegern erfreuten; was sich bei Schoch und seinen Mitstreitern finanziell niederschlug. Der Erfolg hatte jedoch auch seinen Preis. Schoch konnte den überhöhten Erwartungen mit der Zeit nicht mehr entsprechen. Leonteq stürzte an der Börse ab; Schoch wurde aus dem eigenen Unternehmen vertrieben. Nach einer Zeit der Selbstfindung ist er wieder da, als Hotelier, Investor, aber auch wieder als Finanzunternehmer mit neuer Firma.

8. Marianne Wildi: Die Open-Banking-Architektin

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Bereits 1984 stieg Marianne Wildi bei der Hypothekarbank «Hypi» Lenzburg ein, wo sie zunächst in der Informatik arbeitete. Bald siteg sie auf. Von 2007 bis 2017 war sie Geschäftsleitungsmitglied des Bereichs Dienste, Informatik und Logistik; 2010 wurde sie zur Vorsitzenden der Geschäftsleitung der «Hypi» ernannt. Unter der Führung Wildis entwickelte sich das Unternehmen zu einer Bank, die sich mit einer Open-Banking-Strategie von ihren Mitbewerbern unterscheidet. Wildis Plan besteht darin, mit der unternehmenseigenen Banken-Software Finstar ein «ganzes Ökosystem», mit offenen Schnittstellen, sogenannte Open-APIs, aufzubauen.

Mittlerweile haben zahlreiche Fintechs und andere Service-Anbieter nach einer vorgängigen Prüfung durch die Hypothekarbank Lenzburg an Finstar angedockt und können mit dem Banksystem Daten austauschen. Damit schuf die Hypothekarbank Lenzburg unter der Führung Wildis die erste offene Bankenplattform der Schweiz. Weit über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen sorgte auch Wildis Entscheid, Blockchain- und Krypto-Unternehmen mit Sitz in der Schweiz bei der Hypothekarbank Lenzburg eine Kontoverbindung anzubieten.

9. Guy Monson: Der erste nachhaltige Investor

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Heute ist der Anspruch auf nachhaltiges Investieren in der Finanzbranche eine Selbstverständlichkeit. Das war nicht immer so – im Gegenteil. Bis sich «Sustainable Investing» durchsetzen konnte, dauerte es lange. Eine Pionierrolle in dieser Entwicklung hatte die damalige Basler Privatbank Sarasin (heute J. Safra Sarasin), die sich in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre mit diesem Thema intensiv befasste – als Reaktion auf das Reaktorunglück in Tschernobyl sowie nach dem Grossbrand von Schweizerhalle, als verunreinigtes Löschwasser in den Rhein geflossen war – beides Ereignisse im Jahr 1986.

Die treibende Kraft bei Sarasin war der Investment-Spezialist Guy Monson, der schon damals den Wert nachhaltiger Anlagestrategien erkannt hatte und konsequent umsetzte. Damit konnte und kann sich die Bank vom Rheinknie bis heute profilieren und differenzieren. Massgeblich zum Nachhaltigkeitserfolg bei Sarasin trug auch Andreas Knörzer bei, der inzwischen bei Vontobel arbeitet.

Monson, der mittlerweile mehr als 35 Jahre an Anlageerfahrung besitzt, ist heute Chief Investment Officer und Senior Partner bei der inhabergeführten Finanzgesellschaft Sarasin & Partners LLP in London und leitet die globale Anlage- und Marktstrategie des Unternehmens für eine Palette von Wohltätigkeits-, Stiftungs- und Privatkunden.

10. Vitalik Buterin: Das Krypto-Wunderkind

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Der erst 27-jährige, kanadisch-russische Software-Entwickler Vitalik Buterin ist im besten Sinne des Wortes ein globaler Nomade. Doch seine Zeit in der Schweiz, genauer gesagt in Zug, ist entscheidend für ihn, aber auch für die Finanzwelt als Ganzes. Denn in Zug entwickelte er 2014 mit Gleichgesinnten das Blockchain-Netzwerk Ethereum und die damit verbundene Kryptowährung Ether. Längst ist Ethereum für viele das vielversprechendste Blockchain-Projekt, weil die Anwendungsmöglichkeiten beinahe unbegrenzt sind.

Derzeit profitiert die Plattform von sogenannten Non-Fungible Token (NFT). Mit ihrer Hilfe können digitale Kunstobjekte wie Bilder, Fotos oder 3D-Modelle mit einem Zertifikat versehen und dadurch einzigartig gemacht werden. Für den Käufer ist das eine Garantie, dass das erworbene Objekt echt ist. Im Jahr 2017 verlagerte Buterin seinen Wohnsitz nach Singapur. Im Jahr 2018 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Basel. Mit Buterin würdigte die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Basel einen «besonders kreativen und innovativen Denker, der die digitale Revolution unserer Zeit entscheidend mitgestaltet hat».  

 

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