Die Ereignisse in den vergangenen zwölf Monate haben den Schweizer Bankenplatz nachhaltig verändert. Daraus ergeben sich einige Fragen, auf die finews.ch Antworten gesucht und gefunden hat.  


1. Schafft es die UBS, die Credit Suisse zu integrieren?

Colm Kelleher und Sergio Ermotti (von links, Bild: Keystone)

Ja. Wozu die UBS in der Lage ist, hat sie bereits im vergangenen Halbjahr gezeigt. Im selben Tempo wird es 2024 weitergehen; dafür sorgen CEO Sergio Ermotti und Präsident Colm Kelleher, die sich mit dieser «Übung» beide ein Denkmal setzen wollen.

Darüber hinaus steht die Bank aufgrund ihrer Systemrelevanz im Fokus zahlreicher Behörden und Institutionen, die bei einem drohenden Fehltritt vermutlich schon früh eingreifen würden – anders als im Fall der Credit Suisse (CS), wo das Unbekümmertheit mancher Instanzen die Misere bloss befeuerte.

2. Kann die Bank Julius Bär das Debakel mit ihrem Kunden René Benko aussitzen?

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Julius-Bär-Hauptsitz in Zürich (Bild: finews.ch)

Nein. Alles deutet darauf hin, dass Julius Bär den Schadensfall mit ihrem Kunden René Benko aussitzen will. Nur so lässt sich die Funkstille erklären, die noch bis zum 1. Februar 2024 dauern soll, wenn die Bank dann ihre 2023er-Jahren sowie einen Ausblick liefern wird. Es ist jedoch zweifelhaft, ob das genügt.

Mit ihrer Verwedelungstaktik in Bezug auf die Verwantwortlichkeiten im Hause nach dem Debakel hat sich Julius Bär keinen guten Dienst erwiesen. So wirken das Management und der Verwaltungsrat schwach. Entscheidend wird die weitere Entwicklung des Aktienkurses sein.

Die bisherigen, zögerlichen Kursavancen reichen noch bei weitem nicht aus, eine Trendwende zu erkennen. Vieles deutet darauf hin, dass personelle Konsequenzen unabdingbar sein werden.

3. Wird die Doppel-Spitze von Vontobel überzeugen?

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Georg Schubiger und Christel Rendu de Lint (von links, Bild: Vontobel)

Nein. Schwierig präsentiert sich die Situation auch bei der anderen Zürcher Traditionsbank: Vontobel hat das neue Jahr mit einer dualen Führungsspitze begonnen. Christel Rendu de Lint und Georg Schubiger haben die Nachfolge von Zeno Staub angetreten.

Das Duo und die damit neue Führungsorganisation überzeugen nicht, selbst wenn Vontobel-Präsident Andreas Untermann nicht müde wird, in der Öffentlichkeit das Gegenteil zu behaupten. Die beiden Co-CEOs sind dermassen mit der Arbeit in ihren jeweiligen Divisionen (Investments respektive Wealth Management) absorbiert, dass die Oberleitung der Bank unter diesen Prämissen zu kurz zu kommen droht.

Dass mit dem Weggang des medialen «Spin Doctor» Peter Dietlmaier nun auch jene Person fehlt, die nach aussen die Wahrnehmung am besten hätte steuern können, ist zwar vordergründig ein Detail, aber effektiv ein wichtiges.

4. Löst die Krypto-Renaissance den Nachhaltigkeits-Trend ab?

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Kopenhagen (Bild: finews.ch)

Ja. Mit dem Thema «Nachhaltigkeit» haben die meisten Finanzinstitute in den vergangenen Jahren ein willkommenes Marketing-Tool erhalten, mit dem sie sich als Gestalter einer besseren Welt profilieren und dabei erst noch Geld verdienen konnten. Doch die Welt ist in dieser Zeit leider nicht viel besser, sondern in manchen Belangen eher schlechter geworden, was wiederum die Prioritäten der Bankkundinnen und -kunden verlagert hat.

Angesichts der anhaltenden geopolitischen Konflikte, der unklaren Zinsentwicklung und den Rezessionsängsten stehen nun Sparen, Kapitalerhalt und der «Heimbonus» im Vordergrund. Für die «Extrameile Nachhaltigkeit» haben die meisten Leute derzeit wenig Verständnis.

Im Gegensatz dazu dürfte sich die Salonfähigkeit digitaler Währung nach dem offenbar überstandenen «Krypto-Winter» verstetigen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der weiter steigenden Verschuldung in vielen Ländern und dem abnehmenden Vertrauen in staatliche Institutionen.

5. Bleibt Thomas Jordan noch lange Präsident der Schweizerischen Nationalbank?

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Thomas Jordan (Bild: Keystone)

Nein. Einiges deutet darauf hin, dass schon bald Martin Schlegel (Bild unten) die Nachfolge von Thomas Jordan als Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) übernehmen wird. Er ist in den vergangenen Monaten verschiedentlich als Sprachrohr der SNB aufgetreten und hat damit eine wichtige Rolle, die sonst eher dem Präsidenten zusteht, übernommen.

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Martin Schlegel (Bild: SNB)

Jordan präsidiert seit April 2012 das Direktorium der SNB und hat in dieser Zeit einen überzeugenden Leistungsausweis erbracht. Mit dem vorläufigen Ende des Zinserhöhungszyklus’ und dem Verschwinden der Unsicherheit rund um die CS hat auch für die SNB ein neues Kapitel begonnen, das mit einem neuen Präsidenten am besten zum Ausdruck kommt.

Ausserdem bestünde bei einem Wechsel auch die Chance, dass nach dem Abgang von Andréa Maechler wieder eine Frau ins Direktorium nachrückt.

6. Lohnt sich die Expansion vieler Schweizer Finanzinstitute in den Nahen Osten?

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Dubai (Bild: Shutterstock)

Ja. Seit rund zwei Jahren strömen zahlreiche Banken und Vermögensverwalter in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), namentlich nach Dubai und Abu Dhabi, wie auch finews.ch verschiedentlich berichtet hat. Der «Business-Hub» in der Wüste ist im internationalen Wettbewerb der Finanzzentren nicht mehr wegzudenken – und hat aufgrund des Ukraine-Kriegs noch an Stellenwert gewonnen, da die VAE keine Sanktionen gegen Russland erlassen haben.

Auf halbem Weg zwischen Europa und Asien ist die Drehscheibe ideal gelegen. Kommt hinzu, dass derzeit wohl an keinem anderen Ort der Welt so viel Geld gescheffelt wird wie in Dubai und Abu Dhabi; allein vor diesem Hintergrund entgehen allen Finanzhäusern, die nicht vor Ort sind enorme Erträge – eine gute Compliance immer vorausgesetzt.

Ob sich die Bedeutung Dubais als Finanzzentrum langfristig halten kann, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Wie in der Welt des Geldes üblich, stehen überall Blasen, die irgendwann einmal platzen.

7. Braucht es die Schweizerische Bankiervereinigung noch?

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Logo der Schweizerischen Bankiervereinigung (Bild: SBVg)

Nein. Manchereins hat sich gefragt, wo denn der Dachverband der Schweizer Banken war, als die CS taumelte – und fiel. Wenig bis gar nichts kam da von der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg). Nun kann man ihr zugutehalten, dass es nicht Aufgabe eines Verbands sei, sich zu einzelnen Mitgliedern öffentlich zu äussern.

Doch dem Reputationsschaden, den die CS insbesondere im Ausland zeitweilig angerichtet hat, hätte die SBVg durchaus medial entgegenwirken können, was ja auch ihre Aufgabe wäre, und dies nicht einfach dem UBS-Chef Sergio Ermotti überlassen sollen.

Je länger sich der Dachverband nicht stärker und pointierter in die diversen Diskussionen und Themen rund um die Bankbranche und die Förderung des Finanzplatzes einbringt, desto weniger braucht es ihn – besonders nicht in den bestehenden Dimensionen (vgl. auch Punkt 8).

8. Kann der Schweizer Finanzplatz seine Führungsrolle als Offshore-Zentrum bewahren?

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Bankschliessfach (Bild: Shutterstock)

Nein. Der Schweizer Finanzplatz wird nicht schlechter, aber andere Zentren holen auf, und die Präferenzen und Bedürfnisse des Geldadels verlagern sich. Das erklärt die sukzessiv schwindende Bedeutung der Schweiz als Offshore-Drehscheibe wie sie es Jahrzehnte lang gewesen ist.

Es ist eine Tatsache, dass das «neue» Geld nicht primär in der Schweiz oder in Europa entsteht, sondern in Asien, in den USA sowie im Nahen Osten. Für die Kundinnen und Kunden dort, ist die Schweiz als «Geldtresor» kaum mehr erste Wahl, sondern bestenfalls eine Alternative unter verschiedenen.

Auch vor diesem Hintergrund täte die SBVg gut daran, die Standortqualitäten der Schweiz im Ausland offensiver zu vermarkten (vgl. auch Punkt 7).

9. Wird es 2024 mehr Frauen in Top-Positionen im Banking geben?

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(Bild: Shutterstock)

Ja. Was vor einigen Jahren noch ein wünschenswertes Anliegen war, ist mittlerweile ein Imperativ. Frauen gehören in die Führungsetagen, weil sie zumeist einen wesentlichen Teil der Belegschaft vertreten, ihre Kompetenzen ebenbürtig zu denjenigen der Männer sind und sie mit ihren Wesensmerkmalen dazu beitragen, dass ein Unternehmen vielgestaltiger und zum Abbild unserer Gesellschaftsstruktur wird.

So förderlich der Trend auch sein mag, er darf nicht dazu führen, dass talentierte Männer zu kurz kommen zugunsten von Quoten oder Alibiübungen. Mehr Frauen in Top-Positionen sind wünschenswert – doch auch da zählt die Qualität in Form von Kompetenz und Komplementarität.

10. Wird das Geschäft mit reichen Russen zum Stolperstein für Schweizer Banken?

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Roter Platz in Moskau (Bild: Mitya Ivanov, Unsplash)

Ja. Die amerikanischen Behörden erweisen sich im Umgang mit Schweizer Banken immer wieder als höchst unzimperlich wie der Steuerstreit zwischen den USA und der Schweiz gezeigt hat. Insgesamt sind Bussenzahlungen von mehreren Milliarden Franken über den Atlantik nach Amerika geflossen – zuletzt wurde selbst die noble Genfer Privatbank Pictet zur Kasse gebeten, wie auch finews.ch berichtete.

Insgesamt wird man den Eindruck nicht los, dass die USA ein notorisches Interesse haben, den Schweizer Finanzplatz – gelinde gesagt – unter Druck zu setzen. Den Vorwand dafür könnten in diesem Jahr die russischen Gelder liefern, die bei Schweizer Finanzinstituten liegen. Zwar halten sich die Schweizer Banken streng an die ausgesprochenen Sanktionen, doch geraten immer wieder Fälle an die Öffentlichkeit, bei denen russische Bürgerinnen und Bürger respektive deren Geldgeschäfte erstaunlich kulant abgewickelt wurden.

Natürlich schwingt bei all diesen Vorstössen der USA immer auch eine gehörige Portion Doppelmoral und Heuchlerei mit – und eine Politik, die darauf abzielt, gewisse ausländische Finanzplätze, zu denen zweifelsohne die Schweiz gehört, zu schwächen.

Doch angesichts der Durchsetzungskraft, welche die US-Behörden auch exterritorial besitzen, wäre für die Schweizer Banken eine Extraportion Vorsicht vonnöten, wenn es um russische Gelder geht. Bloss ist die Gefahr gross, dass das manche Institute diese gefährliche Konstellation weiterhin unterschätzen.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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