Greenwashing und Etikettenschwindel werden inzwischen in einem Atemzug mit der Nachhaltigen Finanz genannt. finews.ch hat sich einige ESG-Anlageprodukte angeschaut. Ein Fazit: die ESG-Ratings sind für den Zweck ungenügend.

«Whistleblower» wie Desirée Fixler oder Tariq Fancy haben deutliche Worte benutzt: Asset Manager wie DWS oder der US-Riese Blackrock betreiben in Bezug auf ihre Nachhaltigkeits-Bestrebungen «Greenwashing» oder «Etikettenschwindel». Sprich: Anlageprodukte mit einem ESG-Label (also mit Rücksicht auf Umwelt, Gesellschaft und guter Geschäftsführung) oder mit einem Klimaziel mögen zwar Nachhaltigkeits-Richtlinien entsprechen, bewirken aber keinen messbaren Impact.

Kein Zweifel: In der Finanzbranche sind grosse und ernsthafte Bestrebungen im Gange, die globale Wirtschaft auf einen nachhaltigeren Kurs zu bringen und den CO2-Ausstoss gemäss den Pariser Klimazielen massiv zu reduzieren. Genauso richtig ist aber die Feststellung, dass die Industrie den ESG-und Nachhaltigkeits-Trend für eine anhaltende Produkte-Offensive nutzt.

Seit sich die Finanzindustrie den SDG-Zielen der UNO und den Klimazielen aus dem Pariser Abkommen von 2015 verpflichtet sieht, ist auf der finews.ch-Redaktion (gefühlt) jeden Tag die Lancierung eines neues ESG- oder Impact-Produktes oder die Ankündigung einer CO2- oder Net-Zero-Strategie eines Finanzunternehmens eingegangen.

Den Ton setzt der Index

finews.ch wählte aus diesem anhaltenden Strom zufällig drei Produkte aus, die in den letzten Tagen angekündigt worden sind: Ein ETF der UBS, «Paris Climate Aligned», ein Fonds von Janus Henderson «Horizon Sustainable Future Technologies« und ein Fonds der Graubündner Kantonalbank «Aktien Europa ESG».

Beim UBS ETF bedeutet «Paris Climate Aligned», dass er sich am entsprechenden Index des Providers MSCI orientiert, dem ACWI. Dieser soll gemäss Beschrieb Investoren dabei unterstützen, ihr Exposure gegenüber dem Klimawandel und physischen Klimarisiken zu reduzieren und Chancen im Zusammenhang mit dem Wandel zu einer Wirtschaft mit tieferem CO2-Ausstoss zu packen.

Auch Erdöl-Financiers sind «Paris Climate Aligned»

Gemäss UBS-Manager Dag Rodewald bieten solche ETF als Portfoliobaustein den Vorteil, den CO2-Ausstoss zu limitieren und so den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad  zu begrenzen. Der ETF werde den höchsten Nachhaltigkeits-Standards gerecht.

Das Portfolio besteht zu einem grossen Teil aus Tech-Aktien wie Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Facebook, aber auch Finanzunternehmen wie J.P. Morgan. Man stellt fest: Eine Investmentbank wie J.P. Morgan, die zu den grössten Finanzierern von Unternehmen im Erdöl- und Kohlesektor gehört, ist «Paris Climate Aligned».

Das gilt auch bei Facebook, obwohl das Unternehmen punkto «Governance» mehr als ein Fragezeichen offen lässt, oder bei Amazon, wo bezüglich Arbeitsbedingungen die «Social»-Komponente zweifelhaft ist.

Dunkelgrün dank Tech-Aktien

Den neu aufgelegten nachhaltigen Technologie-Fonds nennt Janus Henderson «dunkelgrün». Er ist also besonders nachhaltig, was sich auf den ersten Blick anhand des Portfolios nicht gleich erschliesst. Die grössten Positionen sind Microsoft, die Software-Aktien Autodesk und Adobe, der Grafikkarten-Herstseller Nvidia und der Chip-Produzent Taiwan Semiconductor Manifacturing.

Im Horizon Global Technologie Leader Fund von Janus Henderson, auf dem der Nachhaltigkeits-Fonds aufbaut, sieht das Portfolio mit etwas anderer Gewichtung sehr ähnlich aus. Immerhin: Im Nachhaltigkeits-Fonds findet sich eine grössere Position mit Aktien von Evoqua Water Technologies, einem US-Unternehmen mit Fokus auf Technologie für sauberes Wasser.

Ausschlusskritieren aus dem letzten Jahrhundert

Das «Sustainability»-Label begründet Janus Henderson auch mit Ausschlusskriterien. Unternehmen, welche der Umwelt und der Gesellschaft Schaden zuführen, kommen nicht in den Fonds. Früher bezogen sich Ausschlusskriterien in der Regel auf die Waffen-, Alkohol-, Tabak- und Porno-Industrie. Heute kann sich ein Fonds, der beispielsweise ein Unternehmen ausschliesst, das Landminen herstellt, als «nachhaltig» bezeichnen.

Somit ist auch der neue Fonds mit europäischen Aktien der Graubündner Kantonalbank (GKB) ESG-konform. Unternehmen im Bezug zu kontroversen Waffen würden ausgeschlossen, schreibt die GKB zu ihrem Produkt und in Bezug auf das ESG-Rating. Dieses unternimmt wiederum MSCI. Der Index-Provider stützt sich dabei unter anderem auf den UN Global Compact aus dem Jahr 2000, eine nicht verbindliche Vereinbarung zur Ermutigung von Firmen, eine nachhaltige und sozial verantwortliche Geschäftspolitik zu betreiben.

Minimale Eintrittshürden

Somit unterscheidet sich der ESG-Fonds mit europäischen Aktien der GKB sich punkto Portfolio kaum vom Vorgänger-Fonds, bei dem das Label «ESG» noch fehlte. Die GKB hat diesen ESG-Zusatz nun konsequent auf ihre gesamte Fonds-Palette ausgeweitet – dank dem ESG-Rating-Modell von MSCI.

Was aus dieser zufällig getroffenen Auswahl an Investment-Produkten hervorgeht, lässt sich zum allergrössten Teil der ESG-Anlagewelt sagen: Die Eintrittshürden für Asset Manager in ein Nachhaltigkeits-Universum sind winzigklein. Es ist im Rückblick kein Wunder, dass ESG-Investments der mächtigste Trend der Finanzindustrie geworden sind.

Luftverschmutzer, aber gut gemanagt

Möglich machen es Rating-Firmen wie MSCI oder auch Sustainalytics. Ihre ESG-Ratings beziehen sich in erster Linie auf Unternehmensrisiken, die sich in Verbindung mit ESG-Faktoren ergeben. So kann eine Firma Millionen von Tonnen CO2 ausstossen und dennoch einen ESG-Score erhalten, der für einen Nachhaltigkeits-Fonds qualifiziert, weil dieser CO2-Ausstoss keine Gefahr für eine tiefere Unternehmensbewertung darstellt. Ausserdem ist der ESG-Score eines Unternehmens das Ergebnis unterschiedlich gewichteter ESG-Faktoren.

Somit schaffen es Erdöl-Unternehmen wie Exxon Mobile oder der Tabakmulti Philipp Morris oder auch Coca Cola oder Pepsi, deren Produkte immense Gesundheitskosten verursachen, anständige ESG-Scores zu erhalten.

Technologie gleich Nachhaltigkeit

Den einfachsten Weg in die ESG-Produkte-Welt bieten wohl Investments in Technologie-Aktien, schliesslich ist der CO2-Ausstoss von Unternehmen wie Facebook, Alphabet (Google) oder Amazon im Vergleich zu anderen Sektoren sehr gering. Dass diese Unternehmen zerstörerische Monopole darstellen, mit ihren Algorithmen Fake News, Rassismus oder andere gesellschaftlich schädliche Inhalte fördern, spielt in den ESG-Scores keine Rolle.

Es müsste in den meisten CIO-Offices und -Committees angekommen sein, dass mit dem bestehenden ESG-Rating-System weder ein Klimaziel noch die SDG-Ziele der UN erreicht werden können.

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