Die Greenwashing-Ermittlungen im Ausland haben die Schweizer Finanzbranche aufgeschreckt. Die hiesige Aufsicht ist bei der Kontrolle von Fonds schon auf Nachhaltigkeit-Vesprechen gestossen, die sich nicht belegen liessen.

Sei diesem August ist Greenwashing mehr als nur ein Schimpfwort. Die kolportierten Untersuchungen der US-Börsenaufsicht SEC und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) beim deutschen Fondshaus DWS haben die Akteure der Nachhaltigen Finanz weltweit aufgeschreckt.

Auch in der Schweiz: Hierzulande wird laut Recherchen von finews.ch befürchtet, dass die negative Presse die Anstrengungen des Finanzplatzes in diesem Bereich zurückwerfen könnte. Der Finanzplatz strebt eine Hub-Funktion bei Nachhaltige Investments auf. Das Angebot, das stark auf den Werten der Anleger aufbaut, ist besonders sensibel gegenüber Image-Schäden.

Kurssturz inbegriffen

Entsprechend setzten sich Branche wie Behörden in Bewegung. Seitens der Swiss Sustainable Finance (SSF) läuft ein Pilot, der die Transparenz von nachhaltigen Investment-Angeboten erhöhen soll. Wie die Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) auf Anfrage erklärte, würden vor-Ort-Kontrollen zur Thematik Nachhaltigkeit laufen. Dies, nachdem die Behörde dieses Jahr schon eine Handvoll entsprechender Kontrollen mit Fokus auf das Asset Management gemacht hat.

«Es sind weitere geplant», so ein Sprecher.

Wie der Fall DWS gezeigt hat, drohen Vermögensverwaltern nach Greenwashing-Vorwürfen auch handfeste wirtschaftliche Risiken. Nachdem die amerikanische Zeitung «Wall Street Journal» erstmals über die SEC-Untersuchung berichtete, verloren die DWS-Aktien zeitweilig mehr als 10 Prozent an Wert.

Böse Blogs

Die Ermittlungen stehen offenbar in Zusammenhang mit Vorwürfen der ehemaligen DWS-Nachhaltigkeits-Chefin Desirée Fixler. Ihr zufolge ist die Deutsche-Bank-Fondstochter zu lax mit Kriterien bei nachhaltigen Investments umgegangen und hat Investments nachhaltiger aussehen lassen, als sie es waren. DWS hat sich bereits gegen die Greenwashing-Vorwürfe gewehrt.

Fixler ist nicht die einzige Whistleblowerin aus dem inneren der Fondsindustrie. Noch um einiges harscher fällt der Rundumschlag von Tariq Fancy gegen die Branche aus, die mittlerweile nicht weniger als 35’000 Milliarden Dollar an Vermögen verwaltet. Seines Zeichens ehemaliger Nachhaltigkeit-Chef beim weltgrössten Vermögensverwalter Blackrock, gelangt Fancy in seinen Blog-Beiträgen zum Schluss, dass Nachhaltige Anlagen ein «gefährliches Placebo» seien.

Nachhaltige Finanzen 3.0

Gefährlich auch für den Schweizer Nachhaltigkeit-Hub? Der Markt für nachhaltige Anlagen ist in der Schweiz im vergangenen Jahr um 31 Prozent auf 1,52 Billionen Franken angeschwollen. Erstmals machen die Volumen der mit Rücksicht auf Umwelt, Gesellschaft und gute Unternehmensführung (ESG) geführten Fonds mehr als die Hälfte des gesamten Schweizer Marktes aus. Als letzter Schrei gilt jetzt die Forderung nach Wirkung (Impact); damit steht die Branche nach eigener Ansicht vor der Ära «Nachhaltige Finanzen 3.0».

Es gibt also einiges zu verlieren.

Noch sind am Schweizer Finanzplatz keine Whistleblower aktiv geworden. Doch an Kritik von aussen mangelt es nicht. Die Umweltaktivisten von Greenpeace haben unlängst Testpersonen auf «mystery shopping»-Tour bei 19 hiesigen Banken gegangen. Sie kamen zum Urteil: die Beratungsqualität sei mangelhaft und die empfohlenen Produkte nur marginal klimafreundlicher als konventionelle Anlagen.

Schlechte Noten

Teils schlechte Noten an Schweizer Anbieter verteilte dieser Tage auch das britische NGO Influence Map; die Organisation bewertete, wie nahe die Verwaltung der Fonds den im Pariser Abkommen festgelegten Klimazielen – etwa keine CO2-Emissionen mehr bis ins Jahr 2050 – tatsächlich kommt. Seitens der geprüften Finanzfirmen wurde allerdings Kritik an der Methodik des Ratings laut.

Das ist das Problem der Greenwashing-Vorwürfe: Weil im noch jungen Marktsegment einheitliche Standards fehlen, stehen oft Aussage gegen Aussage, Vorwurf gegen Vorwurf. «Greenwashing liegt aus meiner Sicht dann vor, wenn ein Anbieter etwas verspricht, das er mit seinem Investment-Ansatz gar nicht einlösen kann», sagt Sabine Döbeli. Sie ist CEO der Branchenvereinigung SSF, der die meisten Schweizer Anbieter von Nachhaltigen Investments angeschlossen sind.

«Das ist ein grosses Missverständnis»

Vielfach werde aus Sicht von Beobachtern eine Wirkung von Fonds verlangt, die aber nach dem Ansatz der ESG Integration investieren, also gar nicht auf Wirkung (Impact) ausgelegt sind, erklärt Döbeli weiter. «Das ist ein grosses Missverständnis.» Da gegen 90 Prozent der in der Schweiz gehandelten Nachhaltigen Anlagen nicht nach Impact-Kriterien investieren, ist die Gefahr solcher Missverständnisse erheblich.

Gleichzeitig ist der Impact-Trend eine Quelle für neuerliche Vorwürfe. Die SSF-Chefin hält dazu fest: «Ein Investor erzeugt noch keinen Impact, wenn er die Aktien eines Unternehmens kauft, das etwa in Bezug auf den Klimawandel eine positive Wirkung hat.»

Heikle Berechnungen

Bei der Finma ist die Problematik ebenfalls bekannt. «Im Rahmen unserer Aufsichtstätigkeit in diesem Bereich sehen wir auch, dass Anbieter von ihrem Produkt eine nachhaltige Impact Wirkung versprechen, die sie aber nicht belegen können», heisst es bei der Behörde. So seien die Angaben und Berechnungen zu angeblichen CO2-Ersparnissen bei Produkten «häufig» nicht nachvollziehbar.

Wo der Anlegerschutzes tangiert ist, greift die Behörde durch. «Aus Finma-Sicht ist zentral, dass den Kundinnen und Kunden nachvollziehbar aufgezeigt wird, inwiefern das Produkt das hält, was es verspricht. Wo dies nicht der Fall ist, hat die Finma bereits entsprechend interveniert.»

Namen nennt die Aufsicht keine, stellt aber fest, dass die Beaufsichtigten vergleichsweise rasch auf kritische Fragen oder Hinweise für Verbesserungen reagierten.

SIF meldet sich im Herbst

Allerdings sind die Finanzaufseher mit der Situation konfrontiert, dass es bisher keine allgemeingültige regulatorische Definition von Greenwashing gibt. Dem soll nun Abhilfe geschaffen werden: Das Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF) hat vom Bundesrat das Mandat erhalten, zusammen mit der Finma den Regulierungsbedarf im Bereich der Greenwashing-Prävention bis diesen Herbst zu vertiefen.

Die Branche wiederum hat erkannt, dass sie in der Sache nicht untätig bleiben kann: Es fehlt an Durchblick. Vergangenen Juni hat SSF in einem Papier Empfehlungen zur Berichterstattung über ESG-Transparenz formuliert. Verfolgt wird das Ziel einer einheitlichen Berichterstattung über Fondsführung und Portefeuilles.

«Dabei setzen wir auf Kennzahlen, die einen Vergleich ermöglichen und sich auch aggregieren lassen», berichtet Döbeli. Ein Pilot bei Fondsanbietern dazu ist bereits gestartet.

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