Die Grenzen zwischen Glücksspiel-Apps und Börsenhandels-Tools verschwimmen zusehends. Denn viele Finanzinstitute sehen in der online-affinen Generation Z die Klientel von morgen. Doch damit steigt auch die Suchtgefahr in der Bevölkerung.

Bunte digitale Blumensträusse, aufsteigende Heissluftballons, blinkende Lichtpunkte und Herzchen – all das bieten Online-Spiele wie Candy Crush oder Apps mit Glücksspielen optisch. Trading-Applikationen für den Börsenhandel sehen zunehmend auch so aus.

Früher war das anders. Als der Online-Handel vor einigen Jahren definitiv zum Mainstream mutierte, hatten es die traditionellen Banken eilig, möglichst einfach Tools mit Optionen für das Trading in Aktien, Fonds oder anderen Vermögenswerten anzubieten.

Entgangene Erträge

Mit dieser Schlichtheit – man könnte auch von Bescheidenheit sprechen – waren sich die Banken durchaus bewusst, dass ihnen Erträge entgingen, erklärt Jan-Philip Schade gegenüber finews.ch. Er ist im Rahmen des Studiengangs «Innovation in Finance» Dozent an der Universität St. Gallen. Er ist überzeugt, dass die Banken ihren Privatkunden mehr Handelsfunktionen, auch im Intraday-Handel, zur Verfügung stellen würden, sofern sie die Technologie hätten, die ihnen das erlaubt.

Mit der fortschreitenden Digitalisierung im Banking ändert sich das nun rasant. Denn die Geldhäuser nehmen nun zunehmend die jüngere Publikum als Zielkundschaft ins Visier. «Die Generation, die mit sozialen Medien aufgewachsen ist, ist besonders empfänglich für alle visuellen Eindrücke auf einer App», erklärt Christian Ingold gegenüber finews.ch. Er ist Direktor von Radix Zürich, einem Präventionszentrum für Suchtverhalten.

Sobald die ersten Schulden da sind

Ingold richtet bei seiner Arbeit inzwischen ein besonderes Augenmerk auf junge Online-Börsentrader. «Ich gehen davon aus, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft mehr von dieser Gruppe hören werden – und zwar sobald sich die ersten Schulden angehäuft haben werden, erklärt er.

Professionelle Börsenhändler wüssten, so Ingold weiter, dass man die Finanzmärkte nicht beeinflussen kann, während Amateure beim Handel genauso vorgehen würden wie bei einer Sportwette: «Sie erliegen der Illusion, dass es eine ausgleichende Kraft gibt, wonach der nächste Trade die vorherigen Verluste kompensieren wird.»

Schillerndes Beispiel

So erging es auch Nick Leeson Mitte der 1990er-Jahre. Er ist vermutlich das prominenteste Beispiel eines Traders, der seiner Illusion erlag.

Obschon selber ein professioneller Börsenhändler, war er felsenfest davon überzeugt, dass er mit immer höheren Einsätzen an der Singapurer Börse seine Verluste auf den japanischen Nikkei-Index kompensieren könnte. Doch das gelang ihm nicht, so dass er seine Arbeitgeberin Barings, Grossbritanniens älteste Investmentbank, in den Ruin trieb. 

Bloss keine schlafenden Hunde wecken

Nachdem Ingold zwischen 2011 und 2015 mehrere Patienten, darunter auch professionelle Börsenhändler mit pathologischen Störungen, behandelt hatte, wandte er sich 2016 an mehrere grosse Banken auf dem Platz Zürich und bot ihnen an, sie zu beraten, wie sie die diese Sucht unter ihren Mitarbeitenden bekämpfen könnten. Das Interesse war gering, wie sich der Fachmann erinnert.

«Die Banken wollten diese Probleme innerhalb ihren Personalabteilungen behalten. Vielleicht ging es auch darum, bloss keine schlafenden Hunde zu wecken», sagt Ingold. Die Banken hätten die nicht einfache Aufgabe, Leute zu rekrutieren, die sich einerseits nicht scheuten, hohe Risiken einzugehen, aber andererseits auch sich selbst im Griff hätten, fügt er hinzu.

So steigt der Druck

«Unabhängig davon, wie professionell oder erfahren jemand ist, kann ein unerwarteter Gewinn eine schwere psychologische Belastung für den Menschen werden», fährt er fort. Plötzlich stelle sich bei manchen Menschen dauernd die Frage: «Kann ich das wiederholen?» Von da an steige der Druck, es nochmals zu versuchen und einen noch grösseren Einsatz zu tätigen, erklärt Ingold.

Da immer mehr Menschen die Möglichkeit haben, über ihr Handy zu handeln, würde sich Ingold wünschen, dass die Eidgenössische Finanmarktaufsicht (Finma) dem Schutz von Online-Händlern den gleichen Stellenwert einräumen würde, wie dies Casinos für ihre Kundinnen und Kunden tun. Zum Beispiel durch den Einsatz von Tools zur Überwachung und Kennzeichnung von Verhaltensweisen und Aktivitätsniveaus.

Genügend Finanzwissen?

Auf Anfrage von finews.ch zu den Schutzmassnahmen für ihre Klientel verwiesen zwei typische Online-Trading-Institute, die IG Bank sowie Swissquote, auf die Verzichtserklärung, die Kundinnen und Kunden bei der Eröffnung eines Kontos anklicken müssen. Darin bestätigen sie auch, dass sie über genügend Finanzwissen verfügten, um zu wissen, was bei ihren Aktivitäten ablaufe. Zwei andere Häuser, Dukascopy sowie die Saxo Bank, gaben bis zum Zeitpunkt der Publikation dieses Beitrags keine Stellung ab.

Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) erklärte auf Anfrage, dass auf den hierzulande zugelassenen Trading-Apps der Banken keine Gamification-Prozesse bekannt seien. Gemeint sind damit Funktionen, die den Spieltrieb wecken respektive erhöhen. Es sei jedoch nicht ausschliessen, dass solche Produkte von im Ausland registrierten Unternehmen für Schweizer Bürgerinnen und Bürger verfügbar sind.


 

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