Die Bedingungen für eine Zinswende sind mit der rapide steigenden Inflation auch in der Schweiz gegeben. Eine schneller Abkehr von den Negativzinsen käme daher auch der Nationalbank durchaus zupass.

Als Präsidentin Christine Lagarde am 23. Mai in einem Blogeintrag auf der Webseite der Europäischen Zentralbank (EZB) zwei kleine Zinsschritte für den Juli und September ankündigte, war dies Ausdruck der angespannten wirtschaftlichen Situation und der rapide anziehenden Inflation.

Die öffentliche Ankündigung verdeutlichte aber auch die Differenzen innerhalb des obersten EZB-Gremiums. Die «Falken» dort wollen viel schneller vorgehen und sehen sich spätestens seit den jüngsten Inflationsdaten in ihrer Analyse bestätigt. Im Mai verteuerten sich die Konsumgüter in der Eurozone um ganze 8,1 Prozent. Das ist weit entfernt von der 2-Prozent-Zielmarke der EZB und auch signifikant mehr, als Ökonomen erwartet haben.

In der Folge steigt der Druck auf die EZB, den Ausstieg aus den Negativzinsen bald zu vollziehen. Die nächste Sitzung findet am 9. Juni statt.

Die Schweiz und der zweite Leitzins

Der EZB-Zinssatz ist für die Schweiz zu einem zweiten Leitzins geworden, spätestens seit die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit ihrer Geldpolitik viel Augenmerk auf den Frankenkurs legt. Das Präsidium unter der Leitung von Thomas Jordan versucht, mit einer stabilen Zinsdifferenz zur Eurozone dem Aufwertungsdruck auf den Franken entgegenzuwirken.

Mit dem Ukrainekrieg, den massiv verteuernden Energieträgern und den unterbrochenen Lieferketten haben sich die Prioritäten verschoben. Die Konsumentenpreise sind im Mai auch in der Schweiz schneller gestiegen als erwartet und haben mit einer Rate von 2,9 Prozent auch das mittelfristige SNB-Ziel von 2 Prozent deutlich übertroffen.

Dabei sind vor allem die Mietpreise, Heizölprodukte und Lebensmittel teurer geworden. Da stellt sich natürlich die Frage, ob und wie schnell die SNB diesen ökonomischen Bedingungen Rechnung tragen wird. Jordan hatte in einem Interview schon angekündigt, dass die SNB die hohen Inflationsraten im Ausland in die Überlegungen einbeziehen werde – die SNB führt ihre Zinssitzung am 16. Juni durch. Ihmzufolge ist die geldpolitische Situation mittlerweile als unangenehm zu betrachten.

Inflation tatsächlich vorübergehend?

An der letzten Sitzung im März passte die SNB die Schätzung für die Jahresinflation auf 2,1 Prozent an, wobei diese in den beiden Folgejahren wieder auf 0,9 Prozent zurückgehen sollte. Ob diese Werte haltbar sind, muss sich zeigen – und vielleicht muss die SNB vielmehr auf die hiesige Inflation achten. Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse beispielsweise publizierte heute Donnerstag eine neue Prognose, gemäss der die Inflation dieses Jahr ganze 2,9 Prozent betragen wird.

Im ersten Halbjahr hatte die SNB noch damit überrascht, dass sie plötzlich einen gewissen Anstieg des Frankens gegenüber dem Euro zuliess, weil damit ein Teil der Inflation aufgefangen werden konnte – ein stärkerer Franken macht Einkäufe im Ausland günstiger.

Die Zentralbank ging bei der Inflation, wie auch die Prognosen zeigen, immer von einem vorübergehenden Phänomen aus, dass sich spätestens nächstes Jahr zurückbilden werde. Ob die Rechnung von schnell nachlassendem Preisanstieg und ein Franken, der die Inflation kontrollieren hilft, noch aufgeht, scheint aber zunehmend in Frage gestellt.

Bewegung bei den Zinserwartungen

Ökonomen sind bis vor kurzem davon ausgegangen, dass die SNB erst im nächsten Jahr erste Zinserhöhungen vornehmen würde und sicherlich erst im Nachgang zur EZB. Dies aber unter der Annahme, dass die Inflation einigermassen unter Kontrolle bleibt und dass der Franken nach wie vor die wichtigste Komponente für die SNB-Zinsgebung bleibt.

Mittlerweile haben sich die Parameter verschoben. In der jüngsten Unternehmensumfrage von economiesuisse beispielsweise ist die Inflation zur dominierenden Sorge der Unternehmer geworden, gefolgt von Lieferengpässen und Rohstoffknappheit, sowie von einer drohenden Energieknappheit. Der Wechselkurs folgt im Sorgenbarometer mittlerweile auf Platz 6 mit 3 Prozent Nennungen. Und dies, obwohl der Franken seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine fast die Parität zum Euro erreicht hat.

Nicht die erste Überraschung

Es würde deshalb nicht mehr überraschen, wenn die SNB wieder einmal eine Überraschung im Köcher hätte. Schon die Aufhebung des Währungslinks zum Euro Anfang 2015 und die Einführung des Negativzinses kam überraschend. Anders als die EZB-Oberen übt sich die SNB-Spitze nicht in öffentlichen Diskussionen über das Wann und Wieviel der kommenden Zinsschritte.

Natürlich, die Zinsdifferenz zum Euro dürfte bleiben, da sonst eine eventuell schmerzhafte Aufwertung des Franken droht. Aber falls die EZB sich zu einer schnellen Handlung gezwungen sieht, was angesichts der Zahlen durchaus im Bereich des Möglichen liegt, könnte auch die SNB versucht sein, den im Finanzmarkt so ungeliebten Negativzins loszuwerden.

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