Die Schweizerische Nationalbank hat am Donnerstag als letzte europäische Notenbank die Ära der Negativzinsen beendet – nach rund acht Jahren. Finanzexperten begrüssen den Zinssschritt der SNB mehrheitlich, weisen teilweise aber auch auf Probleme hin.

«Mit der Zinserhöhung hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Markt ein weiteres Zeichen gesetzt», sagt Armin Brun, CEO der Berner Kantonalbank. «Mit dem Ende der Negativzinsen steht der Schweiz nun ein wirksames Instrument gegen die Inflationsgefahr zur Verfügung».

«Ein bedeutsamer Moment», meint auch Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, zum Ende der Negativzinspolitik. Seiner Meinung nach hat sich die SNB in ihrer Lagebeurteilung ungewohnt klar geäussert. «Für die SNB ist die Wortwahl im Pressetext ungewöhnlich – was auch bereits auf die geldpolitische Lagebeurteilung im Juni zutraf.» Die SNB halte sich normalerweise mit jeglicher Art von ‹Forward Guidance› zurück. «Wenn allerdings zu lesen ist, dass weitere Zinsanhebungen nicht auszuschliessen seien, ist dies für SNB-Verhältnisse deutlich.»

«Der Franken dürfte gegenüber dem Euro in der kurzen Frist erstarken, gegenüber dem US-Dollar in der mittleren Frist. Die grosse Inflationsdifferenz zwischen der Schweiz und den USA respektive der Eurozone weist auf deutliches Aufwertungspotenzial des Frankens hin», schreiben die beiden UBS-Ökonomen Alessandro Bee und Florian Germanier in einer Einschätzung zum Zinsschritt der SNB.

«Mit dem heutigen Entscheid, den SNB-Leitzins um 75 Basispunkte auf 0,5 Prozent anzuheben, werden nun auch die Giroguthaben bei der SNB erstmals bis zu einer bestimmten Limite positiv verzinst», erklärt David Marmet, Chefökonom Schweiz der Zürcher Kantonalbank. «Dies ist notwendig, um den für die Hypothekargeschäfte wichtigen Referenzzinssatz Saron an das gewünschte Niveau zum SNB-Leitzins heranzuführen. Zusätzlich werde die SNB liquiditätsabschöpfende Massnahmen einsetzen. «Die SNB verfügt somit über die erforderlichen Instrumente, um trotz strukturellem Liquiditätsüberschuss und aufgeblähter Bilanz ihre Geldpolitik durchzusetzen.»

«Die SNB hat den Leitzins von -0,25 auf 0,5 Prozent angehoben. Nun müssen Banken die Verzinsung der Sparkonten umgehend erhöhen und Gebühren senken. Sonst drohen den Sparer und Sparerinnen wegen der hohen Inflation massive Vermögensverluste», fordert Sara Stalder, Geschäftsleiterin vom Konsumentenschutz. Spielraum dafür gibt es laut Stalder jetzt genug: «Das Hypothekargeschäft ist das wichtigste Standbein der Schweizer Banken. Der Zinssatz für zehnjährige Festhypotheken zum Beispiel betrug vor drei Jahren rund 1 Prozent, heute sind wir bei ungefähr 3 Prozent.»

«Für die Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet der historische SNB-Entscheid das Ende der Nullzinspolitik; das heisst, dass wieder höhere Zinsen für Geld auf dem Sparkonto bezahlt werden», erklärt Comparis-Finanzexperte Michael Kuhn. «Die Erträge werden jedoch durch die derzeit hohe Inflation weggefressen», warnt er. Zu hoffen bleibe deshalb, dass die aktuell weltweiten Zinsschritte das Ingangsetzen der Lohn-Preis-Spirale tatsächlich verhindern können. «Auf jeden Fall aber werden auch die Hypothekarkredite weiter steigen. Da in den letzten Jahren verschiedene Materialien für das Bauen wegen Lieferknappheit teurer geworden sind, wird die Finanzierung von Wohneigentum künftig noch anspruchsvoller.»

«Weitere Leitzinsanhebungen stehen bevor, wobei wir per Jahresende einen Leitzins bei 1 Prozent als wahrscheinlichstes Szenario einstufen», heisst es derweil bei Property Captain, der Immobilien-Plattform der Avobis Group. Sicher sei, dass der Leitzins nächstes Jahr höher liegen werde als heute. «Solange die Unsicherheiten an den Zinsmärkten dominieren, werden Hypotheken höheren und volatilen Zinssätzen unterliegen. Wenn der Leitzins und somit auch der Saron-Satz auf 1 Prozent per Ende Jahr steigt, verteuern sich auch die Saron-Hypotheken entsprechend. Wir erwarten, dass Hypothekarnehmende – abhängig von der festgelegten Marge – für eine Saron-Hypothek per Ende Jahr zwischen 1,60 und 2 Prozent bezahlen müssen.»

Auf Seiten der langfristigen Festhypotheken dürfte der Zinsanstieg bis Ende Jahr bescheidener sein, heisst es weiter. Für zehnjährige Festhypothek wird mit eher seitlich tendierenden Hypothekarzinsen gerechnet, die per Ende Jahr bei zwischen 2,80 bis 3,20 Prozent zu liegen kommen dürften.

«Die Anhebung des Leitzinses durch die SNB wird zum Problem für die Schweizer Sachversicherer, die sich zu einem signifikanten Anteil mit Investitionsgeschäften finanzieren», kommentiert Philipp Kaupke, Versicherungs- und Bankexperte von Simon-Kucher & Partners in Zürich. Obligationen versprechen nach dem Entscheid der SNB zwar wieder höhere Renditen. «Doch wird sich dieser Effekt erst verzögert einstellen. Zudem liegen die Renditen nicht mehr so hoch wie noch in den Nuller- und in den Neunzigerjahren», sagt der Experte der globalen Strategie- und Marketinberatung.

«Im Gegensatz zu anderen Zentralbanken scheint die SNB nicht besonders besorgt darüber zu sein, dass die Inflation ausser Kontrolle gerät», urteilt Maxime Botteron, Ökonom der Credit Suisse. «In der Schweiz scheint eine rasche Straffung der geldpolitischen Bedingungen durch eine Reihe grosser Leitzinserhöhungen nicht notwendig zu sein.»

«Grundsätzlich ist das Ende der Negativzinsen eine gute Nachricht für alle Banken. Vergessen sollten wir dabei allerdings nicht, dass es sich hier lediglich um einen Schritt zurück in die Normalität handelt», befindet Jürg Schnider, Leiter Treasury bei der Zürcher Kantonalbank. «Mit dem Zinsschritt der SNB bewegt sich der Leitzins für den Schweizer Franken zwar endlich wieder im positiven Bereich, aber historisch betrachtet noch immer auf sehr tiefem Niveau.»

«Billiges Geld führt zu Verzerrungen», merkt Rudolf Minsch an, Leiter allgemeine Wirtschaftspolitik & Bildung und Chefökonom beim Think-Tank Economiesuisse. «Doch das Schuldenparadies währt nicht ewig. Aktuell haben wir in der Schweiz lediglich wieder das Zinsniveau von 2008 erreicht. Eine weitere Normalisierung steht also noch an. Doch immerhin sind die Negativzinsen nun Geschichte. Hoffentlich für immer.»

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