Vontobel will die Notenstein Privatbank schlucken. Doch so einfach ist das nicht, wie Recherchen von finews.ch ergaben. Wie weiter?

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Spätestens seit dem vergangenen Wochenende weiss man – sozusagen halboffiziell –, dass die Zürcher Bank Vontobel ein Auge auf die Raiffeisen-Tochter Notenstein geworfen hat. Das zumindest berichtete der «Sonntagsblick».

Halboffiziell insofern, weil es dafür keine offizielle Bestätigung gibt, und Vontobel sich ziert, dazu «on-the-record» Stellung zu nehmen. Stattdessen heisst es von einem Sprecher der Bank nur, es brauche immer zwei für einen Tango.

An der ganzen Bank interessiert

finews.ch ging zunächst davon aus, dass vor allem das Asset-Management-Geschäft von Notenstein für Vontobel interessant sein könnte, während der Bereich Private Banking weniger attraktiv wäre, da sich da weniger Wachstumsperspektiven böten.

Doch wie weitere Recherchen inzwischen ergaben, ist Vontobel tatsächlich an der gesamten Raiffeisen-Tochter interessiert. Inzwischen steht auch fest, dass Vontobel dieses Thema in den vergangenen Wochen neu lanciert hat. Offiziell will man dazu aber weiterhin nichts sagen.

Zu einigem bereit

Das Vontobel-Top-Management hat indessen regelmässig bekundet, eine Übernahme anzustreben, um sich im laufenden Transformationsprozess in der Schweizer Bankbranche aktiv an der Konsolidierung zu beteiligen.

Zu einem Deal ist es – trotz voller Kassen – bislang aber nie gekommen. Und genau das soll sich jetzt ändern. Bei Vontobel ist man mittlerweile sogar zu einigem bereit, wie aus M&A-Kreisen zu hören ist.

Ein Blutbad?

Gemeint ist eine Total-Integration von Notenstein, was mit einem massiven Personalabbau verbunden wäre. Man könnte auch von einem «Blutbad» sprechen. Denn käme es tatsächlich zu einer Übernahme von Notenstein mit einem Personalbestand von 700 Beschäftigten, gäbe es in der Tat massive Überlappungen – Vontobel beschäftigt rund 1'400 Personen.

Offenbar wäre man bei Vontobel aber bereit, diesen unpopulären Schnitt zu vollziehen, wie aus firmeninternen Kreisen zu vernehmen ist.

Gesichtsverlust für Pierin Vincenz

Das lässt sich auch nachvollziehen. Denn mit den Notenstein-Kundenvermögen von insgesamt 21 Milliarden Franken, könnte Vontobel (163 Milliarden Franken an Kundenvermögen anvertraut) beträchtliche Skaleneffekte erzielen und die Vertriebskanäle substanziell ausbauen.

Dass es bei diesem Deal noch zu keinem Abschluss gekommen ist, hänge mit Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz zusammen, wie aus Vontobel-nahen Kreisen zu erfahren ist. Immerhin hat er die ganze Notenstein-Saga in den vergangenen vier Jahren orchestriert. Ein Verkauf dieser Privatbank würde derzeit für den Bündner Genossenschaftsbanker einem Gesichtsverlust gleich kommen.

Notenstein will gar nicht

Gut möglich, dass es aber auch noch andere Gründe gibt, wie Recherchen von finews.ch ergaben. Ganz konkret: Die Bemühungen Vontobels könnten sich durchaus auch als trügerischer Tango entpuppen.

Denn wie aus M&A-Kreisen weiter zu vernehmen ist, besteht von Seiten Notenstein respektive Raiffeisen gar kein Interesse an einem Deal mit Vontobel. Beide Institute hätten in den vergangenen Monaten nie so agiert, als dass die Notenstein Privatbank für einen Verkauf zurecht gemacht würde.

Angriff ist die beste Verteidigung

Die Gründung der Notenstein Asset Management Ende Oktober 2014 habe das Institut zwar schlanker gemacht, ihm aber auch die nötige strategische Flexibilität verliehen, die es braucht, um sich auf seine Wachstumsziele zu konzentrieren, heisst es weiter.

Und im Private Banking greift Notenstein gleich selber zum Mittel der Akquisition: Ende August des vergangenen Jahres übernahm das Institut die Kunden der deutschen LBBW Schweiz mit Vermögen von rund 1 Milliarde Franken. Dabei soll es nicht bleiben.

Nächster Deal bereits in trockenen Tüchern

Wie finews.ch diese Woche aus M&A-Kreisen erfahren hat, steht Notenstein derzeit in Verhandlungen für weitere Deals. Mehr noch: Die nächste Notenstein-Transaktion soll schon bald in trockenen Tüchern sein.

Bei Notenstein selber will man das alles vorläufig nicht kommentieren. In früheren Gespräch mit finews.ch hatte Notenstein-CEO Adrian Künzi allerdings wiederholt erklärt, am derzeitigen Konsolidierungsprozess auf dem Schweizer Finanzplatz eine aktive Rolle spielen zu wollen. Wichtigste Bedingung für allfällige Zukäufe sei, dass die Kundenstruktur zu den Zielmärkten Schweiz, Deutschland und Österreich passe.

Raiffeisen im Rücken

Diese Aussage lässt sich auch dahingehend interpretieren, dass weitere Akquisitionen Teil der Notenstein-Strategie sind, und mit Raiffeisen im Rücken hätte die Bank auch die erforderliche Finanzkraft, um selbst grössere Zukäufe zu tätigen. Aus dieser Sicht spricht also eher wenig dafür, von Vontobel übernommen zu werden.

Vielleicht mag gerade dies der Grund dafür sein, dass die Zürcher Traditionsbank nun über diverse Kanäle in die Öffentlichkeit gegangen ist und zum Tango bittet.

Enormer Handlungsbedarf

So viel steht fest: Der Tanz-Anlass ist noch lange nicht zu Ende. Notenstein steht unter einem enormen Handlungsdruck. Das Institut hat erwiesenermassen eine viel zu hohe Kostenbasis. Denn soll Notenstein im Rahmen der teuren Diversifikationsstrategie ihrer Muttergesellschaft Raiffeisen mittelfristig einen Beitrag leisten, muss sie zwangsläufig einen substanziellen Gewinn erzielen.

Zwischen 60 bis 70 Millionen Franken hat sich CEO Adrian Künzi zum Ziel gesetzt – davon ist er noch weit entfernt. Zudem ist die Kosten-/Ertrags-Struktur seines Instituts mit 90 Prozent astronomisch hoch.

Viele Banken stehen zum Verkauf

Da die Möglichkeiten für organisches Wachstum extrem begrenzt sind, bleiben für Künzi tatsächlich nur Zukäufe. Und die Gelegenheiten für derlei Deals waren im Schweizer Private Banking noch nie so vielfältig wie jetzt: Auslandsbanken sowie kleinere Schweizer Institute stehen zum Verkauf, während Kantonalbanken ihre Private-Banking-Aktivitäten arrondieren.

Spätestens seit der Aufhebung der Euro-Untergrenze hat sich die Ausgangslage für die Schweizer Bankbranche nochmals drastisch verschlechtert. Die Kosten bei manchen Instituten driften inzwischen ins Unüberschaubare ab, wie auch Julius-Bär-Chef Boris Collardi am Dienstag an einer Pressekonferenz in Bern bestätigte. Das alles dürfte nicht nur den Handlungsbedarf, sondern auch die Hektik in der Branche noch zusätzlich erhöhen.

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