Vor seinem offiziellen Amtsantritt spaziert der designierte Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam seelenruhig durch die Zürcher Innenstadt. Bald dürfte ihm die Zeit dazu fehlen. Seine Mitarbeiter wissen offenbar schon, wo er als Erstes anpacken dürfte.

Ein Gang durchs Zürcher Bankenviertel ist manchmal aufschlussreich. Insbesondere, wenn einem dabei Persönlichkeiten über den Weg laufen, die eigentlich noch gar nicht da sein sollten.

So flanierte Anfang dieser Woche der designierte Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam (Bild) sichtlich gut gelaunt durch die Zürcher Bärengasse gleich hinter dem Hauptquartier seiner Bank. Offiziell übernimmt er die Zügel bei der Schweizer Grossbank erst am morgigen Mittwoch, 1. Juli.

Sparen oder Zukaufen?

Schon bei seiner überraschenden Wahl zum Nachfolger des langjährigen Credit-Suisse-Chefs Brady Dougan im vergangenen März wurde eifrig spekuliert, wo der gebürtige Ivorer bei der Schweizer Grossbank als erstes zupacken würde. Schneidet er das Investmentbanking zurück? Holt er sich bei den Anlegern neues Kapital? Oder kauft er als erstes gar eine Bank?

Die Antwort darauf wird sich nach dem 1. Juli wohl schon bald ergeben. Den Kundenberatern der Credit-Suisse-Vermögensverwaltung dürfte indessen vor allem daran gelegen sein, dass ihr neuer CEO etwas gegen den neuesten «Pitch» der Erzrivalin UBS unternimmt.

«Schauen Sie sich nur einmal die Kapitalisierung an...»

Wie nämlich aus der Branche zu vernehmen ist, versuchen die Konkurrenten der UBS bei Kundengesprächen die Credit Suisse offenbar immer mit demselben Spruch aus dem Rennen zu werfen: «Schauen Sie sich nur einmal die Kapitalisierung an. Und dann entscheiden Sie, bei welcher Bank Ihr Geld sicherer ist.» Diese Aussage fördert drei Dinge zutage.

Erstens: Sieben Jahre nach der Finanzkrise steht die Stabilität der Grossbanken mehr denn je im Rampenlicht. Zweitens: Institute, die ihre Kunden bezüglich der Kapitalisierung beruhigen können, sind im begehrten Vermögensverwaltungs-Geschäft im Vorteil. Und drittens legitimiert es ein Vorsprung in der Kapitalstärke offenbar, Geschäft in anderen Sparten – sprich dem Investmentbanking – preiszugeben.

Nachholbedarf gegenüber der Konkurrenz im Ausland

Dabei liegt der «UBS-Pitch» nicht auf der Hand. Mit einer Leverage-Ratio gemäss den Regeln von Basel III von 3,6 Prozent lag die CS zuletzt vor der UBS mit 3,4 Prozent. Und beide Banken haben damit gegenüber der internationalen Konkurrenz noch Nachholbedarf.

Laut der Schweizerischen Nationalbank (SNB) liegt die UBS jedoch bei den «Too-big-to-fail»-Kennzahlen vorne. So betrug die risikogewichtete Eigenkapital-Quote bei der CS zuletzt 16,2 Prozent, bei der UBS hingegen 20,6 Prozent. Zudem erfüllt die UBS laut SNB bereits jetzt die Anforderungen für 2019 bezüglich der risikogewichteten Gesamtkapitalisierung.

Im Zentrum sämtlicher Überlegungen

Gut möglich deshalb, dass bei Thiam ab Mittwoch die Kapitalisierung der Credit Suisse im Zentrum sämtlicher Überlegungen stehen wird. Denn im Grunde leiten sich alle anderen Massnahmen – Ausbau im Private Banking, Rückbau der Investmentbank – von der Stabilität der Bank ab.

Und am Ende wäre damit gar ein Gegenmittel gegen den «Pitch» der Erzrivalin UBS gefunden.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.63%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.22%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.52%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.4%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.23%
pixel