Eine ellenlange Liste von Problemen und Herausforderungen und nur zwei Lösungsansätze. So drastisch malt ein Schweizer Private-Banking-CEO das Bild seiner Branche.

Michel Longhini (Bild) hat nicht den Ruf eines Pessimisten und Bankers, der resigniert die Hände in den Schoss legt. Der CEO Private Banking der Union Bancaire Privée (UBP) fährt eine forsche Wachstumsstrategie.

Michel Longhini

In den sechs Jahren an der Spitze des Privatkunden-Geschäfts des Genfer Institutes hat er mehrere Übernahmen orchestriert und mit dem Kauf der Coutts Privatbank die UBP auf die asiatische Landkarte gebracht.

Derweil droht das Jahr 2016 als eines der schwierigsten und schwärzesten in die Geschichte des Private Bankings einzugehen. Dies zeichnet sich schon allein auf Grund der publizierten Halbjahreszahlen diverser Schweizer Institute ab, die auf einer zunehmend wackligen Ertragsbasis stehen.

Vereinzelt zeigen dies auch eingeleitete Restrukurierungen und Sparprogramme wie bei Notenstein La Roche und bei der UBS. Auch haben bereits verschiedentlich Private-Banking-Persönlichkeiten ihrem Pessimismus Luft gemacht, wie UBS-Wealth-Management-Chef Jürg Zeltner oder Yves Mirabaud, der als Präsident der Fondation Genève Place Financiére der Branche eine Radikalkur verschreiben möchte.

Und nun auch Longhini: Auf der Branchenseite «Professional Wealth Management» schreibt der UBP-Manager nüchtern und analytisch, woran das Private Banking krankt.

Hier ist seine Liste:

1. Kundengeldwachstum ist ein Nullsummenspiel

In den favorisierten Private-Banking-Märkten und Kundensegmenten mag tatsächlich das langfristige Wachstum stecken, wonach die Branche so verzweifelt sucht. Doch laut Longhini ist diese Strategie ein Nullsummenspiel. Denn in einem Wirtschaftsumfeld, das kaum Wachstum verspricht, ist auch die Schaffung neuer Vermögen limitiert.

Dass Banken dennoch Nettoneugelder ausweisen, hat andere Ursachen: Performance auf den verwalteten Vermögen, Rekrutierung von Kundenberatern mit Kundenbüchern und Akquisitionen.

  • Vereinfacht gesagt: Was eine Bank gewinnt, hat eine andere verloren. Das Resultat dieses Nullsummenspiels sind sinkende Margen.

2. Privatbanken müssen für Wachstum höhere Risiken nehmen

Das Beibehalten einer Wachtumsstrategie im Private Banking geht daher tendenziell mit einer sinkenden Profitabilität und einer höheren Risikobereitschaft einher. Ungenügende Renditen auf den verwalteten Vermögen, sinkende Margen, teure Rekrutierungsoffensiven und Akquisitionen belasten Bilanz und auch Eigenkapital.

  • Kurzum: Die Risiken werden immer grösser

3. Privatbanken verlieren Marktanteile an Direktinvestments

Zwar ist der Hauptkonkurrent einer Privatbank immer noch die andere Privatbank. Doch in Zeiten, in denen Renditen auf klassischen Anlagen nur mit deutlich höherem Risiko zu haben sind, verlieren Privatbanken einen stetig grösser werdenden Marktanteil an Direktinvestments wie Immobilien, Infrastrukturprojekte oder Risikokapitalfonds, Flugzeuge und Gold.

Auch wenn der Kunde solche Geschäfte mit Hilfe seiner Bank abwickelt, erwirtschaftet sie damit nur kleine Erträge.

  • Mit anderen Worten: Dieser Anlageboom geht am Private Banking mehrheitlich vorbei.

4. Risikofeindliche Kunden

Private-Banking-Kunden stehen den Entwicklungen an den Finanzmärkten so skeptisch gegenüber, dass sie bereit sind, auch Negativzinsen auf ihren Bareinlagen zu bezahlen. Zudem flüchten Kunden in langfristige Anleihen-Investments, die kaum Rendite bringen, aber etwas mehr Sicherheit versprechen.

Für Privatbanken eine neue Welt: Sie können dadurch zwar ihre Zinserträge steigern, müssen sich aber von ihrem Kerngeschäft, Beratungen und Portfoliomanagement gegen Gebühr, entfernen.

  • Und: Privatbanken laden vermehrt Risiken auf sich, weil sie Kredite vergeben, die sich aufgrund des tiefen Zinsniveaus vermeintlich leicht refinanzieren lassen.

5. Das Kommissionsgeschäft schmilzt weg

Der risikoadverse Kunde handelt nicht mehr. Das trifft die Erträge im Kommissionsgeschäft empfindlich. Doch das typische Brokerage-Geschäft leidet auch unter der zunehmenden Regulierung: Gebührenstrukturen werden transparenter, Produkteverkäufe werden durch Kundenschutz-Regeln eingeschränkt.

  • Als Konsequenz: Privatbanken haben ihre Handelsaktivitäten für Kunden eingeschränkt, was weniger Erträge bringt.

6. Der Kunde macht es selbst

Kein Segen für das klassische Private Banking ist das starke Aufkommen von Online-Brokern und Robo-Advisern. Es sind gemäss Longhini vor allem die aktivsten Kunden, die ihre Anlagevermögen abziehen und günstigere Anbieter im digitalen Bereich wählen.

Soweit Longhinis Problemliste. Sein Artikel ist mit «Private Banking: Adapting for future growth» überschrieben. Insofern hat der UBP-Manager auch Lösungen parat.

1. Kosten den Möglichkeiten anpassen

Privatbanken müssen ihre Kostenbasis den effektiven Möglichkeiten anpassen, Wachstum zu schaffen und Gewinn zu erzielen.

2. Über das traditionelle Anlageuniversum hinausgehen

Wollen Privatbanken von den Vermögensflüssen ihrer Kunden nicht abgeschnitten werden und stattdessen Nettoneugelder anziehen, müssen sie über die Ränder des traditionellen Anlageuniversums hinausschauen und entsprechende Angebote schaffen. Die klassischen Wachstumsinitiativen über Rekrutierungen und Akquisitionen sind auf die Länge zu teuer.

  • Fazit: Diese Liste ist bedeutend kürzer und reflektiert das harsche Branchenumfeld umso deutlicher.
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.57%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.38%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    15.52%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    45.79%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.74%
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