Wie kann sich eine Privatbank im heutigen Umfeld von der Konkurrenz unterscheiden? Thomas Piske, CEO Private Banking der LGT, hat eine klare Meinung zu Beziehungsqualität und Integrität in seinem Metier.


Herr Piske, Bankkunden sind zunehmend besser informiert und Finanzdienstleistungen im Prinzip austauschbar. Wie kann sich eine Privatbank überhaupt noch von ihren Mitbewerbern unterscheiden?

Die Produkte oder Dienstleistungen, aber auch das Wissen und die Kompetenzen einer Bank sind ohne Zweifel wichtig. Aber, wie Sie richtig feststellen, sind sie in verschiedenen Bereichen austauschbar. Hinzu kommt, dass die klassische Nutzenargumentation an Glaubwürdigkeit verloren hat.

Was heisst das?

In der Finanzkrise haben viele Anlageprodukte nicht gehalten, was sie versprochen hatten. Dass Bankkunden gegenüber den Anbietern und ihren Versprechungen eine gesunde Skepsis entwickelt haben, ist nach den Ereignissen der vergangenen Jahre nachvollziehbar.

Vor diesem Hintergrund muss sich eine Bank, so meine Überzeugung, vor allem durch ihre Werthaltung und durch die Qualität der Beziehungen zu ihren Kunden von anderen Banken unterscheiden.

In Ihrer neuen Werbekampagne sprechen Sie von Werten: «Values worth sharing» lautet der Slogan. Was meinen Sie damit?

«Werte teilen» hat für uns zwei Bedeutungen. Einerseits wollen wir für unsere Kunden, unsere Mitarbeitenden und die Gesellschaft langfristigen Mehrwert schaffen. Andererseits möchten wir für diese Gruppen auch ein Unternehmen sein, mit dem sie sich identifizieren können, weil sie die gleichen Werte teilen.

«Kurzfristige Ertragsoptimierung passt nicht zu unserer Kultur»

«Werte teilen» heisst aber auch, dass wir diese Werte nicht einfach selbst definieren und dann gewissermassen von der Kanzel herab verkünden, sondern wir lassen uns auf einen Dialog mit unseren Kunden, Mitarbeitenden und Partnern ein. In unserer Kampagne sprechen diese Gruppen darüber, welche Werte ihnen im Leben und in einer Beziehung wichtig sind. Die Punkte, die dabei immer wieder genannt werden, sind gegenseitiger Respekt, Ehrlichkeit, Vertrauen, Verantwortungsgefühl und Integrität.

Geht es Bankmitarbeitenden und Kunden letztlich nicht darum, einen möglichst hohen Bonus repektive eine möglichst hohe Rendite zu erzielen?

Natürlich ist die Kompensation auch für unsere Mitarbeitenden wichtig. Sie wissen aber, dass langfristige Beziehungen mit zufriedenen Kunden für die Bank und für sie selbst ein wesentlich nachhaltigeres Geschäftsmodell darstellen als eine kurzfristige Renditeoptimierung auf Kosten ihrer Kunden. Ein auf kurzfristige Ertragsoptimierung ausgerichteter Kundenberater passt deshalb nicht zu unserer Kultur und wird auch kaum bei uns arbeiten wollen.

Und ja, die Anlagerendite ist ein wichtiges Kriterium für die Kundenzufriedenheit. Gleichzeitig geht es vielen vermögenden Menschen aber um mehr, als nur um Geld. Sie wissen, dass sie privilegiert sind und möchten ihr Vermögen deshalb nicht einfach nur erhalten oder vermehren, sondern dieses sinnvoll einsetzen und der Gesellschaft etwas zurückzugeben.

«Wir haben kürzlich ein Nachhaltigkeitsrating für Anlageinstrumente eingeführt»

In der Kampagne kommt stellvertretend für viele unserer Kunden eine junge Frau aus Hongkong zu Wort, die erklärt, warum und wie sie ihr Vermögen für eine bessere Welt einsetzt. Das ist auch das Anliegen unserer Eigentümerin, der Fürstenfamilie von Liechtenstein.

Und wie äussert sich das konkret?

Die LGT engagiert sich für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung, insbesondere auch als Mittlerin zwischen Anlegern und Kapital suchenden Unternehmen und Staaten. Wir haben schon früh entsprechende Richtlinien für unsere Anlagen befolgt und nutzen zum Beispiel unsere starke Stellung im Private-Equity-Bereich, um unsere Produkte nachhaltiger auszurichten.

Erst kürzlich haben wir als erstes Finanzinstitut in der Schweiz ein Nachhaltigkeitsrating für Anlageinstrumente eingeführt. Dieses verschafft Privatanlegern eine klare Orientierung, wie sie den ökologischen und gesellschaftlichen Fussabdruck ihrer Vermögensanlage optimieren können. Ein Thema, das uns besonders am Herzen liegt, ist das sogenannte Impact Investing.

«Der hanseatische Begriff des «ehrbaren Kaufmanns» drückt es sehr gut aus»

Hier investieren wir in unternehmerisch ausgerichtete Institutionen, die aktiv zur Lösung sozialer oder ökologischer Probleme beitragen. An allen diesen Engagements können sich unsere Kunden beteiligen. Nicht nur beim Anlageerfolg, sondern auch bei der Art des Anlegens geht es also letztlich um gemeinsame Werte und Interessen, die wir mit Kunden teilen.

Sie haben Respekt, Verlässlichkeit oder Integrität als wichtige Werte aus Sicht Ihrer Kunden und Mitarbeitenden erwähnt. Wie würden Sie diese Werte aus Sicht der LGT definieren?

Eigentlich genau gleich. Der etwas aus der Mode gekommene hanseatische Begriff des «ehrbaren Kaufmanns» drückt es für mich sehr gut aus. Der ehrbare Kaufmann arbeitet natürlich nicht selbstlos, aber vor dem Profit steht für ihn der Erhalt seines guten Rufes und die Achtung sowie das Vertrauen seiner Geschäftspartner. Er sucht deshalb nicht das schnelle, fragwürdige Schnäppchen auf Kosten anderer, sondern denkt langfristig, weil er auch morgen noch im Geschäft sein möchte.

«Vermögen und Gewinn sind in dieser Sichtweise nicht ein Selbstzweck»

Er sieht in Geschäftsbeziehungen nicht primär die Möglichkeit, eigene Interessen durchzusetzen, sondern einen Weg, gemeinsam mit Kunden, Mitarbeitenden und Partnern etwas zu erreichen und Mehrwert zu schaffen. Vermögen und Gewinn sind in dieser Sichtweise nicht ein Selbstzweck und zur gesellschaftlichen Verantwortung eines Unternehmens gehört auch, dass der Starke den Schwachen unterstützt.

Aus meiner Sicht sind es diese Charakteristiken und Verhaltensweises, die typischerweise die Stärken von Familienunternehmen wie der LGT ausmachen.


Der Österreicher Thomas Piske studierte Betriebswirtschaft an der Universität Innsbruck und stiess 1986 zur LGT Bank in Vaduz, wo er zunächst als Finanzanalyst und Anlageberater arbeitete. In den 1990er-Jahren hatte er diverse Führungspositionen im Private Banking inne und stieg 1998 als Leiter des Geschäftsfelds Privatkunden in die Generaldirektion auf. Seit 2009 ist er CEO LGT Private Banking und Verwaltungsratspräsident aller LGT Privatbanken weltweit. Zwischen 2002 und 2012 war Piske auch Präsident oder Vizepräsident des Liechtensteinischen Bankenverbands.