Etliche Firmen haben Zulassungen für Gentherapien erhalten oder stehen kurz davor. Die Produkte reparieren erblich bedingte Defekte oder kommen gegen Krebserkrankungen zum Einsatz.

Von Cyrill Zimmermann, Head Healthcare Funds & Mandates, Bellevue Asset Management

Was Produktzulassungen angeht, war 2017 für Gentherapien ein Schlüsseljahr. Dabei hatten sich die medizinischen Fortschritte zuvor über Jahrzehnte hinweg weitgehend unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung vollzogen.

Zwar wurde 2012 mit Glybera von Uniqure in Europa die erste Gentherapie gegen eine erblich bedingte Stoffwechselstörung zugelassen. Weil Glybera aber kommerziell nicht erfolgreich war, beantragte Uniqure im Oktober 2017 keine Verlängerung der EU-Zulassung.

Marktreife Gentherapien

Allerdings haben 2017 einige Medikamente, die das Potenzial für jährliche Milliardenumsätze mitbringen, den Durchbruch zur Marktreife geschafft. Den Anfang machte Novartis im August mit der Zulassung von Kymriah.

Dieses Präparat wirkt gegen Formen der akuten lymphatischen Leukämie und ist die erste in den USA zugelassene Gentherapie. Gilead Sciences setzte im Oktober das zweite Highlight und meldete kurz nach der abgeschlossenen Übernahme von Kite Pharma die US-Zulassung für Yescarta. Diese ebenfalls auf der Basis der CAR-T-Technologie von Kite entwickelte Arznei kommt gegen Formen des Non-Hodgkin-Lymphoms zum Einsatz.

Nächste Produktgeneration

CAR-T war auch das Gesprächsthema Nummer eins an der Jahreskonferenz der American Society for Hematology (ASH) Anfang Dezember in Atlanta. Zu den Höhepunkten zählten die klinischen Ergebnisse, die Bluebird Biotech präsentierte. Das zusammen mit Celgene entwickelte Präparat bb2121 zeigte in der klinischen Phase I bei 94 Prozent der Patienten mit multiplem Myelom eine noch nie beobachtete Wirkung. Bereits 2018 soll eine klinische Studie starten, die zulassungsrelevante Ergebnisse liefern soll. Das multiple Myelom ist die zweithäufigste Form von Blutkrebs und galt bisher als unheilbar.

In den kommenden Jahren wird auch eine neue Generation von CAR-T-Therapien klinische Wirksamkeitsdaten präsentieren. Diese Kandidaten können auf die Erfahrungen mit den jetzt zugelassenen CAR-T-Produkten aufbauen und in Zukunft das Risiko von Nebenwirkungen verringern.

Lebensbedrohliche Überreaktionen

Zu diesen Risiken zählen die als Reaktion auf die Behandlung auftretenden lebensbedrohlichen Überreaktionen des Immunsystems. Aus diesem Grund werden zellbasierte Krebstherapien vorerst auf einen Patientenkreis limitiert bleiben, bei dem herkömmliche Medikamente nicht mehr anschlagen.

Dazu kommt der Kostenfaktor: Die Produktion und Verabreichung der Substanzen ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Dementsprechend hoch sind die Behandlungskosten. So verlangt Novartis für die Infusion von Kymriah 475'000 Dollar, eine Behandlung mit Yescarta kostet 373'000 Dollar.

Pioniere in weiteren Krankheitsfeldern

Die Behandlung von Bluterkrankheiten (Hämophilie) ist ein weiteres Feld für Gentherapien. Nach Schätzungen der World Federation of Hemophilia sind weltweit 150'000 Personen von Hämophilie A und etwa 30'000 Menschen von Hämophilie B betroffen.

Auf der ASH-Konferenz 2017 zogen die klinischen Daten von Spark Therapeutics und Biomarin die grösste Aufmerksamkeit auf sich. Spark hat sein Gentherapie-Produkt gegen Hämophilie A bereits an Pfizer «verpartnert». Weil nach Auffassung der Konferenzteilnehmer Biomarin mit seinen Daten den besseren Ansatz für Hämophilie A lieferte, geriet die Aktie von Spark während der Konferenz in Kursturbulenzen.

Produkt mit Blockbuster-Potenzial

Allerdings legte Spark noch im Dezember mit der US-Zulassung für ein anderes Gentherapieprodukt nach. Luxturna wurde als Gentherapie zur Behandlung von genetisch bedingter Netzhautdystrophie bei Patienten mit einer bestimmten Genmutation zugelassen.

Trotz des limitierten Patientenkreises hat das Produkt Blockbuster-Potenzial, weil Experten davon ausgehen, dass Spark aufgrund des Heilungserfolgs einen Preis von bis zu USD 1 Mio. pro Patient festsetzen könnte.

Dass sich mit genetischen Therapieansätzen hohe Preise erzielen lassen, beweist auch die Antisense-Technologie, eine natürliche Möglichkeit der Genregulation für die Proteinbiosynthese. Mit Spinraza von Biogen/Ionis gegen spinale Muskelatrophie ist ein potenzieller Blockbuster auf dem Markt: Im dritten Quartal 2017, also neun Monate nach der Zulassung, ist der Umsatz auf gut 270 Millionen Dollar gewachsen. Von den US-Biotech-Firmen Alnylam und Ionis befinden sich weitere Produkte in der fortgeschrittenen klinischen Entwicklung.