Der Kampf um die technologische Vorherrschaft zwischen den beiden Supermächten USA und China verschärft sich zunehmend, sowohl bei Halbleitern als auch bei der künstlichen Intelligenz – zwei Bereiche, die sich kaum trennen lassen. 

Von Jacques-Aurélien Marcireau, Co-Head of Equities, Tech-Experte bei Edmond de Rothschild Asset Management

Der enge Zusammenhang zwischen Technologie und Macht darf nicht ausser Acht gelassen werden, wenn man über ethische Fragestellungen und insbesondere die Regulierung künstlicher Intelligenz diskutiert. 

Was in wirtschaftlicher und geopolitischer Hinsicht auf dem Spiel steht, muss dabei zwingend berücksichtigt werden.

Gleichgewicht finden

Wie sich neue Technologien auf die Gesellschaft auswirken, hängt stark von den Absichten derjenigen ab, die sie besitzen und kontrollieren. Deshalb gilt es wachsam mit Blick auf die Gefahren der künstlichen Intelligenz zu sein, insbesondere was Diskriminierung, die Verletzung der Grundfreiheiten und des freien Willens betrifft.

Es ist unerlässlich, darüber nachzudenken, wie sich Daten mithilfe neuer Technologien wie maschinelles Lernen (manchmal vorschnell als künstliche Intelligenz bezeichnet) zum Wohl der Gesellschaft, etwa im Gesundheitswesen oder im Kampf gegen den Klimawandel nutzen lassen.

Die Forschungsarbeit «Tackling Climate Change with Machine Learning», die von Google, DeepMind, Microsoft und einem Dutzend der weltweit führenden Universitäten mitverfasst wurde, wobei Frankreich leider durch Abwesenheit auffällt und die Eurozone mit Ausnahme einer deutschen Universität nur schwach vertreten ist, untersucht eine Reihe nützlicher Anwendungen. Smart Meter sind hier nur ein Teilbereich.

Im Gesundheitswesen führten in den 1950er-Jahren die systematische Analyse der Daten von Zehntausenden von Neugeborenen in Grossbritannien – und von reproduzierten Daten aus anderen Industrieländern – sowie deren Überwachung in den Jahrzehnten nach der Geburt zu grossen Fortschritten bei der Verminderung der Kindersterblichkeit und der Verbesserung der Gesundheitspolitik. Es handelte sich um eine im Vergleich zu den heutigen Möglichkeiten sehr einfache Form der Analyse.

Die Analyse von Massendaten und die Nutzung ausgeklügelter Algorithmen tragen wesentlich zur Verbesserung der Diagnostik, zum Aufkommen der personalisierten und prädiktiven Medizin sowie zu Fortschritten in der Epigenetik bei. Voraussetzung für all dies ist, dass eine Dezentralisierung von Daten aktiv vorangetrieben wird. Bei diesem Schlüsselthema bestehen jedoch erhebliche Vorbehalte, die noch überwunden werden müssen.

Kein vorgezeichneter Weg

Wo die Reise hingehen wird, steht noch nicht fest. Aus unserer Sicht müssen eine proaktive Politik und das Vertrauen in unser Gesellschaftsmodell – vor allem in die Demokratie – als Hebel eingesetzt werden, um diese neuen Technologien zu fördern, die grossen Herausforderungen von morgen anzugehen, eine Balance zwischen den Grossmächten aufrechtzuerhalten und durch Gespräche auf Augenhöhe für eine Deeskalation zu sorgen.

Unsere Zukunft und die künftiger Generationen in die Hände anderer zu geben, ist ebenso unverantwortlich wie die Entwicklung dieser Technologien zu einem böswilligen Zweck. Die Verantwortung dafür, das richtige Gleichgewicht zu finden und gleichzeitig mit voller Geschwindigkeit voranzuschreiten, liegt deshalb bei uns.


EDR Logo H CMJN