Schlechteres geopolitisches Umfeld: Was erwartet die europäischen Finanzmärkte?

Von Tilmann Galler und Vincent Juvyns, Global Market Strategists, J.P. Morgan Asset Management

Europa erlebt seit Beginn des Ukraine-Krieges am 24. Februar 2022 eine der schwierigsten Zeiten der vergangenen 50 Jahre. In menschlicher Hinsicht sind bereits viele Opfer und zehn Millionen Flüchtlinge zu beklagen. Geopolitisch gesehen ist der Konflikt ein Rückfall in die dunkelsten Stunden des Kalten Krieges.

Zum Zeitpunkt dieses Artikels wird eine Vielzahl diplomatischer Anstrengungen fortgesetzt und trotz weiterhin dramatischer Lage vor Ort sprechen die Verhandlungsführer von leichten Fortschritten, die auf eine diplomatische Lösung hoffen lassen.

«Es muss nicht zum Schlimmsten kommen», das war zuletzt auch das Motto der Finanzmärkte, denn der MSCI-EMU-Index, der seit Jahresanfang bis zu 20 Prozent eingebüsst hatte, legte im März um knapp1 10 Prozent zu. Die Volatilität ist jedoch hoch2 und dürfte, solange die Finanzmärkte nicht wissen, wie sich der Konflikt und dessen menschliche, wirtschaftliche und finanzielle Kosten entwickeln, auch hoch bleiben.

Belastung europäischer Banktitel

Vor diesem Hintergrund ist bei einem Engagement an den europäischen Aktienmärkten weiterhin Vorsicht geboten. Die wahllosen Verkäufe zu Beginn des Konflikts waren wohl übertrieben, denn die derzeit eingesetzten haushalts- und geldpolitischen Mittel dürften die Wirtschaft generell und vor allem bestimmte Sektoren stützen.

Der Krieg in der Ukraine hat vor allem europäische Banktitel belastet, die nach einem 15-prozentigen Zuwachs seit Jahresbeginn ab dem 23. Februar um etwas mehr als 14 Prozent eingebrochen sind. Die Anleger sind besorgt über das Engagement des Bankensektors in Russland und die Auswirkungen einer eventuellen Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit in der Eurozone auf die Geschäftstätigkeit der Banken.

Das ist zwar legitim, sollte aber nicht die gesamte Branche in Verruf bringen. Der Sektor hat seit der Annexion der Krim 2014 seine Exposition gegenüber Russland um 60 Prozent gesenkt3 und die Aufrechterhaltung einer akkommodierenden Geldpolitik dürfte den konjunkturellen Schock mildern.

Das allmähliche Zurückfahren der Aufkäufe von Vermögenswerten durch die EZB dürfte zudem für höhere Zinssätze und somit für höhere Gewinnspannen der europäischen Banken sorgen. Selbst wenn in den Eurozone-Ausblicken der Ökonomen immer öfter von «Rezession» und «Stagflation» die Rede ist, sind wir noch nicht an diesem Punkt.

Beschleunigung des Energiewandels und Rückkehr von Value Investing

Unter sonst gleichen Bedingungen dürften die haushaltspolitischen Massnahmen der Regierungen und der Europäischen Kommission, wie z.B. die Steigerung der Verteidigungsausgaben, Sozialtransfers und Steuersenkungen oder Preisobergrenzen für Energie, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Energiekrise abfedern.

Der RePowerEU-Plan dürfte zusätzlich den Energiewandel in der Eurozone beschleunigen. Dies entging auch den Anlegern nicht, denn der Sektor Erneuerbarer Strom hat seit dem 24. Februar kräftig4 zugelegt. Die Erholung dieses Wachstumssektors ist umso bemerkenswerter, zumal sie vor dem Hintergrund steigender Zinsen (+76 Basispunkte für den deutschen 10-Jahres-Zinssatz seit Jahresbeginn5) stattfand, die durch den Inflationsanstieg verstärkt und durch den Wunsch der EZB zur Reduzierung dieser Wertpapierkäufe beschleunigt wurde.

In den nächsten Monaten ist aufgrund der aktuellen Energiekrise mit weiteren Zinsanstiegen bei immer noch hoher Inflation zu rechnen. Dies dürfte – wie bereits zu Jahresanfang – «Value»-Titeln stärker zugutekommen als «Growth»-Werten. Daher gehören Industrie, Energie oder Gesundheit zu den wenigen Sektoren, in denen dieses Jahr eine positive Performance festzustellen ist.

Ungewisse Zukunft

Zusammenfassend bleibt die Entwicklung des Kriegs in der Ukraine, mit seinen dramatischen menschlichen und geopolitischen Auswirkungen, sowie seine wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen ungewiss. Auch bei weiterhin hoher Volatilität an den Finanzmärkten ist Panik generell für Investoren ein schlechter Ratgeber.

Zwar bleibt in nächster Zeit Vorsicht geboten, aber auf mittlere bis lange Sicht dürfte Europa – wie bereits nach der Coronakrise – «gestärkt» aus der Ukrainekrise hervorgehen. Darüber hinaus dürfte die Normalisierung der Geldpolitik und die massiven Fiskalpakete die europäischen Märkte stützen.

Dies gilt vor allem für den Sektor Erneuerbare Energien und die «Value»-Sektoren, die nach dem erhofften Ende des Ukraine-Konflikts stärker von den steigenden Zinsen und der Aufholbewegung profitieren werden.


Empfohlene Beiträge zu Value Investing und zum Sektor Erneuerbare Energien:

1Quelle: Refinitiv Datastream, MSCI EMU, Daten zum 31.03.2022
229,9 beim VSTOXX 50
3Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
4Quelle: Refinitiv Datastream, MSCI EMU Erneuerbarer Strom, Daten zum 18.03.2022
5Daten zum 31.03.2022


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