Unter Anlegern besteht aktuell eine hohe Unsicherheit bezüglich der Auswirkungen der auch hierzulande stark steigenden Inflation und den höheren Zinsen auf Immobilieninvestitionen.

Von Andreas Hitz, Mortgage und Real Estate Consultant und Roger Stettler, Chief Operating Officer und Board Member

Aktuell sind im Kern zwei Elemente zu beobachten:

1. Steigende langfristige Zinsen

Seit Anfang Jahr sind die langfristigen Zinsen in der Schweiz deutlich gestiegen. So lag der 10-Jahres-SWAP per 3. Januar 2022 bei 0,13 Prozent. Per 2. Mai 2022 lag der entsprechende Wert bei rund 1,30 Prozent. Dieser Anstieg ist in Bezug auf Geschwindigkeit und Ausmass in der jüngeren Geschichte beispiellos. International sind in den wichtigsten Währungen (Euro, Dollar und Pfund) vergleichbare Bewegungen der langfristigen Zinsen beobachtbar.

Jedoch veränderten sich die kurzfristigen Zinsen im gleichen Zeitraum kaum. In den USA wurde mit der kurzfristigen Fed Fund Rate am 16. März 2022 die erste Zinserhöhung seit Dezember 2018 vorgenommen (auf 0,25-0,50 Prozent). Wann und wie stark die kurzfristigen Zinsen im Euro- und Franken-Raum steigen, ist aktuell nicht prognostizierbar, wenngleich hier viele Investoren einen ersten Zinsschritt Mitte bis Ende 2022 respektive für die Schweiz im Jahr 2023 erwarten.

Es bleibt aber anzufügen, dass historisch die Genauigkeit von Zinsprognosen sehr gering ist. Stand Ende April 2022 ist die Schweizer Zinskurve damit sehr steil und die Differenz zwischen dem drei-Monats-SARON und dem 10-Jahres-SWAP erreicht rund 200 Basispunkte. 

Inflationsrate September (annualisiert) 

   Sept 2020  Sept 2021  März 2022
 USA  1,4 Prozent  5,4 Prozent  8,4 Prozent
 Grossbritanien  0,5 Prozent  3,1 Prozent  7,0 Prozent
 EU  -0,3 Prozent  3,4 Prozent  7,8 Prozent
 Schweiz  -0,8 Prozent  1,0 Prozent  2,4 Prozent

2. Weiter steigende Inflation in allen wesentlichen Wirtschaftsräumen

Bereits vor dem Konflikt in der Ukraine litten sowohl die USA als auch Europa an einer hohen Inflationsrate. Die durch den Krieg ausgelösten Angebotsschocks (Lieferketten mit geringerer Effizienz, steigende Energiepreise, steigende Preise von Rohstoffen) werden zu einer weiteren Erhöhung der Inflation führen und gleichzeitig das Potenzialwachstum senken.

Im Falle der Schweiz war die Inflation bisher geringer als im Euro-Raum, was auf eine Mischung aus Messproblemen und einer teilweisen Kompensation der gestiegenen Importpreise durch den erstarkenden Franken zurückzuführen sein dürfte.

Aus den niedrigen kurzfristigen Zinsen in Zusammenhang mit der hohen Inflation ergibt sich eine negative Realverzinsung von risikoarmen Fixed-Income-Produkten in beträchtlicher Höhe. Selbst am langen Ende der – aktuell sehr steilen – Zinskurve (zehn Jahre) liegt die aktuelle Realverzinsung in Franken bei -0,9 Prozent.1

Welcher Handlungsbedarf ergibt sich daraus für Immobilien-Investoren?

Für eine Betrachtung der Zinssensitivität von Mieteinnahmen verweisen wir auf unsere entsprechende Publikation.2 Die Diskussion der möglichen Auswirkungen von steigenden Zinsen auf den Wert von Immobilien soll hier auch nicht im Vordergrund stehen.

Die historischen Ergebnisse sind hierzu sehr heterogen und es bestehen Hinweise, dass die Entwicklung der Realwirtschaft deutlich bedeutsamer ist als die Zinsentwicklung.3 Wir wollen fünf Hypothesen beschreiben, welche in konkreten Handlungen münden können. 

  • Hohe Bauteuerung wirkt preistreibend auf Immobilienbestand
  • Kurzfristige Finanzierungen sind äusserst attraktiv, Strukturbeitrag ist wichtiger Ertragstreiber in Portfolio
  • Vorzeitige Auflösung von Festhypotheken in Kombination mit Erhöhung der Belehnung werden sehr attraktiv
  • Klauseln in Mietverträgen werden bedeutsamer und können den Liegenschaftserfolg direkt beeinflussen
  • Umfeld höherer Zinsen und hoher Inflation kann preistreibend sein, sofern Volatilität der Lage sich beruhigt

Bauteuerung ist preistreibend und höher als die Inflation

Bestehende Objekte konkurrieren im Miet- und Eigentumsmarkt mit Neubauten. Insbesondere bei einer zunehmenden Nachfrage nach Fläche (Migration, steigender Wohnraumbedarf pro Person) sollte der Preis massgeblich durch die Kosten von Neubauten beeinflusst werden.

Bereits 2021 hat in der Schweiz eine erhebliche Bauteuerung eingesetzt. So lag im Hochbau die Bauteuerung im Zeitraum Oktober 2020 bis Oktober 2021 bei 4,6 Prozent und damit um über drei Prozentpunkte über der damals ausgewiesenen Inflationsrate in der Schweizer Volkswirtschaft.4

Der aktuelle Stimmungsbericht im Markt, der von Lieferengpässen und Steigerungen der Faktorkosten geprägt ist, lässt vermuten, dass die Bauteuerung zwischenzeitlich weiter angestiegen ist. Ebenfalls wirken in diversen Kantonen zusätzliche energetische Regulierungen preistreibend.

Diese Teuerung schlägt – unter Annahme konstanter Landkosten – direkt durch auf den Preis von Neubauten. Indirekt wird dadurch auch der Preis von bestehenden Objekten – als Substitutionsprodukte – angehoben. Eine hohe Bauteuerung steigert somit den (nominalen) Wert der bestehenden Substanz.

Davon dürften im besonderen Neubauten und sanierte Objekte profitieren. Der Effekt verringert sich bei älteren Objekten, da hier die zukünftigen Investitionen nominal noch getätigt werden müssen. Für den Immobilieninvestor ist somit die Bauteuerung bedeutsamer als die «normale» Inflationsrate. Und die Bauteuerung ist aktuell deutlich höher als die ausgewiesene Inflationsrate.

Spekulation auf Strukturbeitrag attraktiv

Durch die grosse Steilheit der Zinskurve werden kurzfristige Finanzierungen für risikobereite und risikofähige Investoren deutlich attraktiver. Noch nie in den letzten fünf Jahren waren dies(e) Strategie(n) derartig attraktiv. Eine langfristige Refinanzierung ist aktuell nur lohnenswert, wenn ein starker Anstieg der Zinskurve erwartet wird.

Wir beobachten heute eine Zweiteilung des Marktes: Professionelle Investoren mit grosser Erfahrung setzen vor allem auf kurzfristige Finanzierungen. Hingegen schliessen weniger erfahrene, kleinere Investoren eher langfristige (weniger als zehn Jahre oder länger laufende) Finanzierungen ab. Finanzierungen mittlerer Laufzeit (drei bis acht Jahre) finden aktuell bei grösseren Objekten praktisch keine Nachfrage. 

«Kurzfristige Finanzierungen sind aus einer Risiko-Rendite-Überlegung aktuell sehr attraktiv.»

Aus unserer Sicht sind aktuell kurzfristige Finanzierungen aus einer Risiko-Rendite-Überlegung sehr attraktiv, sofern eine gewisse Risikofähigkeit gegeben ist. Allenfalls kann auch ein Teil des Strukturbeitrags zur moderaten Erhöhung der Liquidität verwendet werden. Dadurch besteht eine Reserve bei einem starken Anstieg des SARON-Satzes.

Refinanzierungen werden attraktiver

In einem Umfeld von Negativzinsen waren die Vorfälligkeitsentschädigungen für die vorzeitige Auflösung eines Hypothekardarlehens prohibitiv hoch. Durch die gestiegene Zinskurve ist aktuell ein Ausstieg aus langlaufenden Festhypotheken zu deutlich moderateren Preisen möglich. Kunden könnten heute bei einer Auflösung einer Festhypothek sogar eine Abschlagszahlung des finanzierenden Instituts erhalten.

Gleichzeitig ist die Inflationsrate heute deutlich höher als der Hypothekarzins. Es kann somit lohnend sein, eine Hypothek zu erhöhen und die gewonnenen Mittel in weitere – wenig inflationssensitive – Anlagen zu investieren. Aktuell beobachten wir eine steigende Nachfrage nach vorzeitiger Auflösung von Hypotheken bei gleichzeitiger Erhöhung der Belehnung.

Details in Mietverträgen werden bedeutsamer

Durch das langanhaltende Umfeld niedriger Inflation haben weder Vermieter noch Mieter in den letzten Jahren Bedingungen in Mietverträgen grosse Beachtung geschenkt. Zu diesen gehören insbesondere bei Gewerbe- und Retailobjekten die definierten Bedingungen für Mietanpassungen (zum Beispiel Anteil überwälzbare Erhöhung des LIKs5).

Aber auch die eingesetzten Standards (effektiv und/oder pauschal) für Nebenkosten bei Wohnraum. Um Schwierigkeiten bei zu hohen Nebenkosten-Nachzahlungen aufgrund der gestiegenen Energiekosten zu vermeiden, hat ein Teil der Vermieter bereits damit begonnen, Nebenkostenakontos zu erhöhen.

Insbesondere im tieferen Preissegment machen die Nebenkosten einen erheblichen Anteil am Bruttomietpreis aus. Wir erwarten darum in den nächsten Monaten und Jahren vermehrte Konflikte um Nebenkosten.

Schwankung des Zinssatzes ist Hauptproblem, nicht Zinshöhe

Die heute stark schwankenden Zinssätze und die steigende Inflationsrate könnte Unsicherheiten sowohl bei Käufern und Verkäufern von Liegenschaften als auch bei Kreditgebern und Kreditnehmern auslösen. Tägliche Schwankungen des SWAP-Satzes von teilweise über 15 Basispunkten erschwert die Kalkulation, die Schwankung des Realzinses die adäquate Bewertung.

Ebenso haben sich vor allem natürliche Personen in der Schweiz noch nicht an ein Umfeld mit höherer Inflationsrate gewöhnt. Es gibt aktuell Indizien, dass daher die Liquidität des Schweizer Marktes abnimmt. Dies im Unterschied zu den USA, welche sowohl im Zins- als auch Inflationszyklus weiter fortgeschritten sind und der Immobilienmarkt weiter hoch liquid ist – und die Immobilienpreise in den letzten zwölf Monaten in einem Umfeld steigender Zinsen um 19,2 Prozent gestiegen sind.6

Eine Abnahme der Zinsänderung (Volatilität) und eine Verfestigung der Inflationserwartung könnte der Treiber einer erneuten starken Aufwärtsbewegung am Immobilienmarkt sein.

Fazit und Ausblick

In der Schweiz ist es über 25 Jahre her, seit einem vergleichbaren Umfeld mit hohen Inflationsraten. Es besteht damit unter den aktuellen Marktteilnehmern nur ein geringes Know-How und wenig Erfahrung mit dem Umgang mit Inflation. Gleichzeitig bieten sich zahlreiche Chancen in einem solchen Umfeld, insbesondere wenn sich die heutige Situation der negativen Realverzinsung verfestigt.

Solange die Nachfrage nach Wohn- und Gewerberaum weiter stark bleibt und die Bauteuerung auf dem aktuellen hohen Niveau verbleibt, bieten sich für Immobilieneigentümer mehr Chancen als Risiken und die Chance auf weitere erhebliche nominale Preissteigerungen ist intakt.

1Berechnet mit einer Inflationsrate von 2,4 Prozent (LIK März 2022) und 1,3 Prozent SWAP 10 Jahre.
2Siehe Immobilien, Immobilienerträge und Inflation, 07.12.2021
3So liess sich im Nachgang zur Finanzmarktkrise 2008 bei sinkenden Zinsen in südeuropäischen Staaten und Irland ein eigentlicher Einbruch der Immobilienpreis beobachten, während z.B. in Schweden, Norwegen, Schweiz oder Deutschland bei einer ähnlichen Zinsentwicklung die Preise anstiegen.
4BFS, Baupreisindex
5Landesindex der Konsumentenpreise, wird monatlich vom Bundesamt für Statistik publiziert
6S&P CoreLogic Case-Shiller U.S. National Home Price NSA Index, Vergleich März 2022 mit März 2021.


Hyrock ist ein unabhängiger Hypothekarexperte für anspruchsvolle private und institutionelle Kunden in der Schweiz an den Standorten Zürich, Schindellegi und Genf. Im Jahr 2021 hat Hyrock für seine Kunden insgesamt mehr als 1’047 Millionen Franken an Finanzierungslösungen realisiert; mit einem durchschnittlichen Volumen von 7,37 Millionen Franken pro Transaktion. Davon waren rund 288 Millionen Franken Mezzanine und Bridge Loans.

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