Mittelfristig werde viel «brachliegendes» Geld in Umlauf kommen, sagt Stephan Zwahlen, CEO der Zürcher Bank Maerki Baumann, im Interview mit finews.ch


Herr Zwahlen, vor gut einem Jahr haben Sie ein starkes Wachstum in der Vermögensverwaltung von Maerki Baumann prognostiziert. Wie ist der Stand heute?

Ende 2015 verwalteten wir 6,9 Milliarden Franken. Per Ende Mai 2017 sind es 7,7 Milliarden Franken, davon sind uns 300 Millionen Schweizer Neugelder zugeflossen.

Den Reingewinn haben wir im letzten Jahr verdoppelt, und mich würde es überraschen, wenn wir Mitte des Jahres das Gesamtjahresergebnis von 2016 nicht bereits erreichen.

Mit Deutschland hat Maerki Baumann den Steuerstreit auf Ende 2016 lösen können. Wie hoch fiel die Busse aus?

Wir haben mit den deutschen Justizbehörden eine faire Lösung gefunden, die uns zugute hielt, dass wir mit der Umsetzung der Weissgeldstrategie bereits frühzeitig gestartet waren.

«In der Tat betreuen wir mehrheitlich Kunden im fortgeschrittenen Alter»

Insgesamt zahlten wir rund drei Millionen Euro. Die Einigung ist sehr wichtig für uns, da Deutschland neben der Schweiz zu unseren Fokusmärkten zählt. Damit haben wir nun alle Altlasten bereinigt.

Maerki Baumann zehrt vor allem von der treuen, meist älteren Kundschaft. Wie wollen Sie die Kundenstruktur verjüngen?

In der Tat betreuen wir mehrheitlich Kunden im fortgeschrittenen Alter. Wir schätzen die grosse Loyalität unserer langjährigen Kundschaft und erachten diese als Zeichen der Anerkennung.

Dennoch: Die Kundenstruktur zu erneuern, das heisst ganz gezielt auch jüngere Generationen anzusprechen, gehört zu einer unserer grössten Herausforderungen. Auch vor diesem Hintergrund haben wir im Sommer 2016 unsere modulare Anlagelösung lanciert und eine Digitalisierungsstrategie erarbeitet.

Wie vermarkten Sie diese neue Anlagelösung?

Mittels eines Animationsfilms und unserem kürzlich aufgeschaltenen Konfigurator auf unserer Homepage. Der bestehende oder potenzielle Kunde kann sich dort eine individuelle Anlagestrategie zusammenstellen. Er entscheidet, welchen Anteil des Anlagebetrages er klassisch verwaltet haben will. Das geschieht im sogenannten Grundmodul.

Zusätzlich kann er zwischen rund einem Dutzend Akzentmodulen wählen, wie Nebenwerte Schweiz oder Aktien Eurozone.

Worin liegen die Vorteile dieser Lösung?

Im Gegensatz zu einem Fonds hält der Kunde die in den Modulen enthaltenen Einzeltitel in seinem Depot und kann so sämtliche Aktionärsrechte wahrnehmen.

Die Module lassen sich über die Zeit beliebig ergänzen oder austauschen. Sie können sowohl im Rahmen der Vermögensverwaltung eingesetzt oder als Bausteine in ein Beratungsportfolio integriert werden.

«Wir knüpfen einen ersten Kontakt mit dem Neukunden übers Internet»

Die einzelnen Anlagemodule werden diskretionär verwaltet, die Kosten pro Modul sind transparent, und die Performance kann der Kunde jederzeit über das E-Banking einsehen.

Das Gewicht der physischen Beratung nimmt somit ab?

Nein, beim Konfigurator handelt es sich in erster Linie um ein Akquisitions-Instrument zur Illustration. Wir knüpfen einen ersten Kontakt mit dem Neukunden übers Internet. Danach folgt ein Beratungsgespräch, das zum Ziel hat, mit jedem Kunden seine bedürfnisgerechte Anlagelösung zu besprechen.

Weiter gedacht, könnte die Auswahl der Akzentmodule künftig vollkommen autonom erfolgen – ohne physischen Kontakt zum Berater.

Das ist nicht auszuschliessen, zumindest für bestimmte Kundensegmente. Wir werden aber die physische Beratung nicht komplett durch einen Robo-Advisor oder ähnliches ersetzen.

Warum?

Unserer Erfahrung gemäss schätzen Kunden – und übrigens auch die jüngeren Generationen – eine Beratung von Angesicht zu Angesicht. Denn letztlich sind Vermögensfragen oftmals sensitiv und emotional.

Die Vertrauensbeziehung zu einem Sparring-Partner bleibt deshalb zentral. Selbstverständlich spielen digitale Kommunikationskanäle vermehrt eine wichtige Rolle. Doch wir sehen die Zukunft in einem hybriden Beratungsansatz – einer Kooperation zwischen Mensch und Maschine.

Welche Projekte schlummern sonst noch in Ihrer Pipeline?

Wir erachten den Umgang mit Big Data als wichtig. Über die vergangenen zwei Jahre haben wir eine umfassende Datenbank über die Bedürfnisse unserer Kunden erstellt. Gestützt darauf wollen wir die Individualität unserer Dienstleistungen und Informationen gezielt erhöhen.

Das müssen Sie uns etwas genauer erklären.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel bei den Anlagevorschlägen. In anderen Branchen finden wir seit Jahrzehnten analoge Modelle, so etwa beim Online-Dienstleister Amazon. Den Nutzungsmöglichkeiten sind kaum Grenzen gesetzt. So erhoffen wir uns beispielsweise über Algorithmen frühzeitig zu erkennen, ob ein Kunde seine Beziehung zu Maerki Baumann aufzuheben gedenkt.

«Mittelfristig wird sehr viel ‹brachliegendes› Geld im Umlauf sein»

Weiter diskutieren wir über die Erweiterung unserer E-Banking- respektive Mobile-Banking-Funktionalitäten, die Lancierung eines Chat-Kanals zwischen Berater und Kunde sowie die Modularisierung unserer Anlagekommunikation.

Maerki Baumann ist grösstenteils im hart umkämpften Schweizer Markt tätig. Wo sehen Sie noch Wachstumschancen?

Der Wettbewerb im Schweizer Geschäft ist tatsächlich intensiv. Doch wir haben das Privileg, in einer Branche mit wachsenden Vermögen zu arbeiten. Mittelfristig wird sehr viel «brachliegendes» Geld im Umlauf sein, etwa aus Erbschaften oder der Vorsorge. Entsprechend hoch ist der Beratungsbedarf.

Das ist auch eine grosse Chance für Vermögensverwaltungsbanken. Es muss uns aber gelingen, den Fokus auf die Beratung zu lenken und sicherzustellen, dass der Kunde für die Beratungsleistungen zu zahlen bereit ist. Dann wird auch die Bedeutung des transaktionalen Geschäfts abnehmen.

Es gibt allerdings immer noch viele Banken, die stark am Depotbankgeschäft und den variablen Erträgen aus dem Courtagengeschäft hängen.

Diese Ertragsmodelle sind aber kaum nachhaltig. Nehmen Sie die Courtagen. Diese werden früher oder später gegen Null tendieren und von dienstleistungsorientierten Preismodellen abgelöst, ähnlich wie bei den Gesprächskosten in der Mobiltelefonie.

Sie stellen damit den Bankstatus in Frage. Gilt das auch für Maerki Baumann?

Das muss man immer wieder neu prüfen. Derzeit halten wir an der Banklizenz fest. Auch, weil wir Hypothekar- sowie Lombardkredite anbieten wollen und im transaktionalen Geschäft im Fee-Sharing mit unserer Partner-Bank InCore immer noch solide Erträge erwirtschaften.

«Die Diskussion um die kritische Grösse hat in erster Linie mit dem Depotbankgeschäft zu tun»

Aber man muss das Geschäftsmodell laufend an den Marktrends ausrichten, was uns als Private-Banking-Boutique leichter fällt. Insofern kann es sein, dass die Banklizenz dereinst obsolet sein wird.

Damit sind wir beim Thema der kritischen Grösse…

Ja, es ist generell ein Trend, mit dem sich kleinere und mittelgrosse Vermögensverwaltungsbanken beschäftigen müssen. Denn die ganze Diskussion um die kritische Grösse einer Bank hat in erster Linie mit dem Depotbankgeschäft zu tun.

Nämlich?

Dieses ist zwar hochstandardisiert, die notwendigen Infrastruktur-Investitionen und Betriebskosten sind aber sehr hoch. Letztlich geht es in diesem Bereich um Grössenvorteile.

Deshalb sollten solche und andere Tätigkeiten, mit denen sich ein Finanzinstitut ohnehin nicht von anderen Anbietern unterscheiden kann, ausgelagert werden.

Sie hauchen dem oft totgesagten unabhängigen Vermögensverwalter neues Leben ein.

Die grösstmögliche Unabhängigkeit wird erreicht, wenn ein Vermögensverwalter keine eigenen Produkte anbietet und selber nicht Depotbank ist. Darauf lässt sich eine solide, vertrauensvolle Kundenbeziehung bauen. Das Modell des unabhängigen Vermögensverwalters ist somit alles andere als tot.

«Nur wenn wir diese Generation verstehen, können wir sie auch für uns gewinnen»

Schwierig ist es, ein funktionierendes Geschäftsmodell zu finden. Wir sind überzeugt, mit unserer Outsourcing-Strategie, dem konsequenten Fokus auf zwei Hauptmärkte und der Etablierung unserer modularen Anlagelösung ein solches gefunden zu haben.

Letztes Mal haben Sie ein Buch von ihrem Lieblingsschriftsteller Martin Suter gelesen. Welches Buch liegt heute auf Ihrem Tisch?

«Born Digital – How Children Grow Up in a Digital Age» von den beiden Harvard-Professoren John Palfrey und Urs Gasser. Es zeigt auf, wie Digital Natives ticken und gibt Tipps, wie Lehrkräfte und Eltern mit dieser Generation umgehen können.

Die Erkenntnisse kann man aber auch aufs Banking anwenden. Denn nur wenn wir diese Generation verstehen, können wir sie als Kundin gewinnen. Aber Digitalisierung im Banking ist nur eine Facette. Die Gesellschaft als Ganzes wird durch die Digitalisierung wesentlich verändert. Dies erfordert künftig auch neue gesellschaftliche Modelle.


Der 39-jährige Stephan A. Zwahlen wurde Anfang Februar 2016 überraschend zum CEO von Maerki Baumann & Co. ernannt. Zuvor verantwortete er bei derselben Bank während sieben Jahren den Bereich Investment Solutions & Services. Ab September 2010 war er zudem stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsleitung.

Der promovierte Ökonom der Universität St.Gallen begann seine Karriere 2005 bei Maerki Baumann als Gesamtprojektleiter für die strategische Neupositionierung der Bank und die Gründung der Schwesterbank InCore. Danach wechselte Zwahlen zur UBS Global Wealth Management, wo er im Bereich des Mandatsgeschäfts tätig war, bis er zu seinem vorherigen Arbeitgeber zurückkehrte.

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