Die Schweizer Bankenlandschaft bewege sich in einem komplexen Spannungsfeld, in dem es nicht nur um die Übernahme von EU-Recht gehe, sagt Marcel Stalder, Schweiz-CEO der Beratungsfirma EY.


Herr Stalder, Ihre digitale Strategie hat bereits im ersten Jahr angeschlagen, und EY erzielte in der Schweiz ein leichtes Umsatzplus. Die Finanzbranche ist Ihre wichtigste Kundengruppe. Wo steht sie in dieser digitalen Transformation?

Ich glaube, sie ist in der Gesamtheit, auch im Zuge der Digitalisierung, sehr gut positioniert. Denn auch in der digitalen Zukunft wird die Finanzwirtschaft von starken Marken getragen werden, sei es von einer UBS oder Credit Suisse in der weltweiten Vermögensverwaltung, oder von einer Raiffeisen im Retailbanking.

Wenn ich jemandem mein Geld anvertrauen möchte, suche ich nicht über Google eine Adresse, sondern setze auf bekannte Marken. «Brand» und Vertrauen werden auch in der digitalen Welt enorm wichtig sein.

Wie positionieren sich Banken mit ihren Marken in der digitalen Welt?

Die Zukunft in der Finanzbranche wird eine Symbiose bekannter Marken und ihren darum herum aufgebauten digitalen Ökosystemen sein. Banken werden sich durch den Bau dieser Ökosysteme, die vielfach über Kooperationen und Akquisitionen vollzogen werden, digital transformieren.

Fintech-Firmen haben diesen Vertrauens- und Markenbonus nicht. Stufen Sie die Gefahr eines Angriffs von Startups auf die dominierenden Banken deswegen als gering ein?

Fintech-Startups haben den grossen Vorteil, dass sie im Vergleich zu etablierten Banken agil sind und keine «Legacy»-Probleme wie veraltete IT-Systeme vor sich her wälzen. Doch ihnen fehlt der Vertrauensbonus.

«Ich glaube nicht, dass in zehn Jahren keine Grossbanken mehr existieren werden»

Was das für die Zukunft heisst? Ich bin kein Hellseher, es ist sehr gut möglich, dass sich vereinzelte Fintechs als Konkurrenten etablieren werden. Doch ich würde keine extreme Position einnehmen. Weder glaube ich, dass alle Fintechs zum Scheitern verurteilt sind, noch glaube ich, dass in zehn Jahren keine Grossbanken mehr existieren werden.

Die Geschäftsmodelle und Wertschöpfung der Banken wandeln sich: weg von einem produktebasierten hin zu einem beratungs- und gebührenbasierten Modell. Das ist bei EY sehr ähnlich.

Richtig – und darum ist auch der Aufbau eines Ökosystems ein sehr wichtiger Faktor. So ist EY im vergangenen Jahr mehr als 20 Allianzen eingegangen. Ein anderes Beispiel aus der Schweizer Versicherungsbranche: Mobiliar hat die Online-Plattform Immoscout wie auch das Mietkautionsunternehmen Swisscaution akquiriert.

Anstatt einfach Versicherungspolicen zu verkaufen, kann die Mobiliar die Wertschöpfungskette Immobilien, Mieten und Versichern somit viel besser abdecken, weil das Angebot die Sichtweise des Kunden übernommen hat.

In der Bankenlandschaft ist dies genau gleich: Im Zentrum wird das Bedürfnis des Kunden stehen, und Banken werden ihr Ökosystem um diese Bedürfnisse herum aufbauen und organisieren.

Sie haben den digitalen Umbau bei EY vor gut einem Jahr angestossen. Wie nutzen Sie diese Erfahrungen in der Beratung von Banken, die sich transformieren wollen?

In der gesamten EY-Geschäftsleitung nutzen wir diese Erfahrung sehr stark. Wichtig ist: Eine Transformation funktioniert nicht, wenn man seine Mitarbeiter dabei nicht miteinbezieht und auch keinen kulturellen Wandel einleitet. Ich kann als CEO einen Prozess nicht von der Kanzel aus dirigieren und bestimmen.

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War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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