Eine mächtige angelsächsische Finanzzeitung hat kürzlich wieder einmal den Niedergang der Schweizer Privatbank herbeigeschrieben. Doch die Kollegen haben in die falsche Richtung recherchiert.

Der Titel stachelt zum Widerspruch an. Im grossen Erzählstück «The Decline of the Swiss Private Bank» (Artikel bezahlpflichtig) gelangte die «Financial Times» kürzlich zum Schluss, dass sich die Königsdisziplin des hiesigen Bankwesens auf dem Abstieg befinde.

Diesen Niedergang suchte das britische Blatt nicht nur mit Zahlen zu belegen, sondern mit so nahmhaften Zeugen wie dem Bank-Rothschild-Chef Laurent Gagnebin oder dem Lombard-Odier-Teilhaber und früheren Bankierpräsidenten Patrick Odier.

Harte Bandagen im Standortwettbewerb

Natürlich, einmal mehr schreibt ein angelsächsisches Leitmedium den hiesigen Finanzplatz klein, liesse sich dem entgegnen. Schliesslich wird im Standortwettbewerb mit harten Bandagen gekämpft. Und die Londoner «City» befindet sich wegen der Brexit-Verhandlungen gerade in einem Popularitätstief.

Doch solcher Widerspruch führt in die Irre. Denn: Die «Financial Times» hat in die falsche Richtung recherchiert – rückwärts nämlich. Wer hingegen nach vorn blickt, muss erkennen, dass es im Banking immer weniger um die Frage geht, ob die Standortförderer in der Schweiz, London oder Hongkong gerade die besten Karten in der Hand halten.

Die Stunde der Entgrenzer

Stattdessen wird die Branche von einer neuen Phase der Entgrenzung ergriffen, welche die Frage nach der Herkunft einer Bank zunehmend zur Nebensache geraten lässt.

Einer jener Entgrenzer ist Casper von Koskull. Der Chef von Nordea, der grössten Bank Skandinaviens, beging dieses Jahr einen Tabubruch sondergleichen. Unter seiner Führung verlegt der Finanzkonzern Ende 2018 den Hauptsitz von Stockholm nach Helsinki. Damit will Koskull Milliarden an Kosten einsparen und das Unternehmen der europäischen Bankenunion unterstellen.

Das ist bemerkenswert: Koskull plant weder eine schwedische noch eine finnische Bank – sondern eine europäische.

Einerlei, ob Paris oder Polen

Mit diesem Ansinnen ist er nicht der einzige. Die diversen Banken, die sich wegen des drohenden Austritts von Grossbritannien aus der EU von London verabschieden, argumentieren ebenfalls mit dem europäischen Marktzugang. Beim Umzug ist es den Geldhäusern einerlei, ob sie sich standesgemäss im Pariser «Défense»-Quartier oder in Breslau in der polnischen Provinz niederlassen.

Finanzstandort wird demnach, wer den Instituten gegenwärtig die besten Bedingungen bietet. Schwinden die Vorteile, zieht die Karawane weiter.

Gerade im Private Banking dürften aber bald auch Regionen wie Europa zu klein werden. Mit der Digitalisierung blüht dem Metier stattdessen die Entgrenzung vom geographischen in den virtuellen Raum.

Selbstverwaltung im Aufwind

In einer aktuellen Studie kommt das Schweizer Analysehaus Myprivatebanking zum interessanten Schluss, dass unter den Vermögenden Kunden (High-Net-Worth-Individuals) bereits jeder dritte auf eigene Faust investiert und dabei auf Broker und digitale Vermögensverwaltungs-Tools setzt. Der Studie zufolge werden an die 20'000 Milliarden Dollar weltweit in Eigenregie verwaltet – Tendenz steigend.

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