Julius Bär hat ein Rekordergebnis erzielt. Chef Philipp Rickenbacher wirbt nun für eine Privatbank, die ihre Transformation annähernd vollendet hat. Sein Optimismus täuscht über die Probleme der Branche und der Bank hinweg.

Die Privatbanken in Europa stehen vor ungelösten Problemen: Ihre Gewinne sinken, ihre Kostensenkungs-Massnahmen sind in den letzten Jahren wirkungslos geblieben, ihre Dienstleistungs-Modelle für die Kunden sind veraltet.

Dies ist das Fazit einer Marktstudie des Beratungsunternehmens McKinsey anhand von 102 Privatbanken in Europa. Der Ausblick ist sehr düster: Laut McKinsey werden die Auswirkungen der Coronakrise auf die Privatbanken viel stärker sein, als jene der Finanzkrise vor über zehn Jahren.

Nackte Panik monetarisiert

In diesem Umfeld hat Julius Bär, die grösste Schweizer Privatbank, ein Rekord-Halbjahresergebnis erzielt. Der Effekt ist allein dem Handelsgeschäft sowie dem Verkauf von Strukturierten Produkten geschuldet. In dem Bereich lag der Ertrag im ersten Semester 2020 um rund 200 Millionen Franken höher als in den vorangegangenen Semestern. Sprich: Julius Bär gelang es, eine Periode der nackten Panik an den Märkten zu monetarisieren.

Doch darauf ging CEO Philipp Rickenbacher in seiner Präsentation nicht gross ein. Vielmehr fokussierte auch den von ihm angestossenen Strategiewandel. Die Transformation von Julius Bär sei in vollem Gange, schwärmte der ehemalige McKinsey-Berater. Die Bank sei nun, nachdem die Kostensenkungs-Massnahmen vollzogen seien, auf dem Weg, eine agile und effiziente Organisation zu werden. Den Effekt der Massnahmen werde man auf der Kostenseite im zweiten Halbjahr sehen.

Überfällige digitale Neuerungen

Julius Bär sei nun näher an den Kunden, und diese würden die digitalen Kanäle stärker nutzen. Neuerungen wie Video-Onboarding oder Whatsapp-Kunden-Benachrichtigungen hätten allerdings schon vor Jahren eingeführt gehört. Und ob dies genügt, um Julius Bär fürs nächste Jahrzehnt fit zu machen, ist mehr als fraglich.

Die Herausforderungen für Julius Bär sind durch die Corona-Pandemie noch grösser geworden, während Rickenbacher Corona als Chance sieht.

Das Problemkind Kairos

Die grundlegenden Probleme sind die anhaltende strukturelle Margenerosion sowie die stagnierenden Einnahmen bei den Gebühren. Hier wiegt die italienische Asset-Management-Tochter Kairos schwer. Reisst Rickenbacher in Mailand das Ruder nicht herum, werden Geldabflüsse und Gebührenschwund dort anhalten.

Ein weiteres Problem ist das Zinsumfeld: Die wichtige Ertragssäule aus dem Zinsgeschäft erodierte im ersten Halbjahr 2020 dramatisch. Ein Gegenrezept gibt es im Prinzip nicht – und das Zinsniveau liefert auf absehbare Zeit keine Hoffnung auf eine Besserung.

Finma und weitere Legacy-Probleme

Das dritte Problem: Julius Bär ist gemäss Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) weiterhin keine Bank mit einem «ordnungsgemässen Zustand».

Den Ausführungen Rickenbachers zufolge sind die Finma-Forderungen bereits zum guten Teil umgesetzt, zumindest, was die Risikofunktionen in Bezug auf Geldwäschereibekämpfung betrifft. Doch die Auflagen der Aufsicht – beispielsweise darf Julius Bär derzeit keine Akquisitionen tätigen – werden frühestens im nächsten Jahr aufgehoben.

Ein viertes Problem sind weitere Legacy-Probleme im Zusammenhang mit mangelnden Geldwäscherei-Kontrollen. Julius Bär droht eine Zahlung von 335 Millionen Euro plus Zinsen, weil sie in Litauen veruntreute Gelder transferiert hat.

Märkte spielen nicht immer verrückt

Rickenbacher hat in seinen ersten neun Monaten als Julius-Bär-Chef geliefert und einiges in der Bank angestossen. Doch das hervorragende Halbjahres-Ergebnis ist nicht diesen strategischen Massnahmen geschuldet, sondern es ist schnelles, an den Märkten verdientes Geld.

Julius Bär wird nicht jedes Semester das Glück haben, dass die Märkte verrückt spielen.

 

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