Deia Markova leitet die Rohstoffhandels-Finanzierung der Auslandsbank Société Générale in der Schweiz. Obendrein ist sie Nachhaltigkeit-Spezialistin. Mit finews.ch hat die Bankmanagerin über Klima und Karriere gesprochen, und warum sie nicht an gute Vorsätze glaubt.


Frau Markova, Sie haben Karriere in der Finanzierung des Metallhandels gemacht und leiten die Abteilung Commodity Trade Finance von Société Générale in der Schweiz. Gleichzeitig treiben Sie die Nachhaltigkeits-Bemühungen der Niederlassung voran. Wie passt das zusammen?

Nachhaltigkeit ist derzeit im Trend, aber Société Générale ist auf diesem Gebiet Pionier. Wir haben bereits vor 20 Jahren damit angefangen und seitdem eine starke Expertise entlang den relevanten Wertschöpfungsketten aufgebaut. Ich kann mit Zuversicht sagen, dass heute innerhalb unserer Gruppe jeder Mitarbeitende und jeder Geschäftsbereich täglich gefordert ist, Wege zu finden, um einen Beitrag zur Energiewende zu leisten und aktiv dazu beizutragen, dass unsere Kunden ihre ESG-Ziele erreichen.

Durch meine zweijährige Tätigkeit im Bereich Impact-based Finance kann ich heute gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern effiziente Lösungen für die Energiewende entwickeln.

Klingt gut. Aber wie funktioniert das im Tagesgeschäft?

Wir arbeiten etwa mit dem britischen Startup Carbon Chain und mehreren Kunden zusammen und nutzen Big Data und Machine Learning, um die Treibhausgas-Emissionen ausgewählter Handelsströme dank einer Abbildung der gesamten Lieferkette zu messen. Dieses Mapping gibt sowohl unseren Kunden als auch uns ein besseres Verständnis und mehr Transparenz darüber, wo ihr Unternehmen heute in Bezug auf den CO2-Fussabdruck bei jedem Schritt einer Transaktion steht – im Lager, im Hafen, auf dem Schiff. Es schafft auch die notwendige Prüfbarkeit und die Möglichkeit zum Vergleich mit Benchmarks.

«Wir sind Zeugen eines historischen Wandels – von einem brennstoffintensiven zu einem materialintensiven Energiesystem»

Wir haben dieses Projekt ins Leben gerufen, weil uns die nötigen Daten fehlten, um die Emissionen unseres Handelskredit-Portfolios zu analysieren und den tatsächlichen CO2-Fussabdruck komplexer Lieferketten, die wir weltweit finanzieren, zu verstehen.

Zu Ihren früheren Kunden gehörten russische Bergbau-Konzerne. Das klingt nach einem rauen Geschäft. Kann diese Branche plötzlich grün werden?

Metalle und Mineralien sind der Schlüssel für eine saubere Energiewende und kohlenstoffarme Technologien. Wind- und Solarenergie sowie Energiespeicher-Batterien werden allgemein als Schlüsselelemente für die Deckung des künftigen Energiebedarfs bei niedrigem oder keinem Treibhausgas-Ausstoss angesehen. Jede dieser Technologien ist aber mineralienintensiv und erfordert grosse Mengen an Grund- und Nischenmetallen.

Was ist die Folge?

Wir sind Zeugen eines historischen Wandels – von einem brennstoffintensiven zu einem materialintensiven Energiesystem. Ein typisches Elektroauto benötigt sechsmal so viele Mineralien wie ein herkömmliches Auto, und eine Onshore-Windenergieanlage benötigt neunmal mehr Mineralien als eine gasbefeuerte Anlage.

Also Problemzonen auf allen Seiten?

Société Générale begleitet Produzenten, die einen nachhaltigen und zuverlässigen Abbau von Mineralien sicherstellen, die für kohlenstoffarme Technologien benötigt werden. Wir unterstützen Produzenten auch bei der Umsetzung von Massnahmen, die auf eine Reduzierung ihres CO2-Fussabdrucks und einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft abzielen. Unsere Aufgabe ist es, die Dekarbonisierungsbemühungen unserer Kunden zu beschleunigen.

Und was hat dies mit Ihren russischen Handelspartnern zu tun?

Zu den jüngsten Beispielen in der Region Russland und in der GUS gehört die Strukturierung des ersten grünen Darlehens im globalen Goldbergbau-Sektor, eines der ersten grünen Darlehen im Bergbau und das erste in jener Weltregion. Darüber hinaus haben wir den ersten Nachhaltigkeit-bezogenen Kreditrahmen für einen der grössten kohlenstoffarmen Aluminiumproduzenten der Welt arrangiert.

Wir sind stark daran beteiligt, Industriestandards für die Dekarbonisierung zu setzen. Durch die Co-Leitung der Steel Climate-Aligned Finance Working Group wollen wir mithelfen, einen Weg zu definieren, der mit der Entwicklung von kohlenstoffarmen Industrielösungen im Stahlsektor vereinbar ist.

«Meines Erachtens ist dies ein beeindruckendes Ergebnis»

Société Générale unterstützt bereits Stahlproduzenten, die Wasserstofftechnologien zur Herstellung von kohlenstoffarmem Stahl einsetzen und damit das Klimaanpassungs-Potential dieser Branche demonstrieren.

Und wenn wir den Fokus wieder näher rücken: Was kann die Niederlassung von Société Générale in der Schweiz speziell bewirken?

Société Générale hat sich zum Ziel gesetzt, den nachhaltigen Wandel im Finanzwesen voranzutreiben, und die Schweizer Niederlassung stellt keine Ausnahme in diesem Bestreben dar. Wir haben eine ganze Reihe innovativer nachhaltiger Finanzlösungen für unsere Kunden entwickelt, sowohl für Unternehmen als auch für Finanzinstitute.

Um nur ein Beispiel zu nennen: ESG-gebundene Finanzierungs-Instrumente sind bereits bei allen unseren Firmenkunden in der Schweiz im Einsatz oder werden implementiert, sobald ältere bestehende Instrumente in den kommenden Jahren ausgelaufen sind. Wir haben auch eine einzigartige Beratungskompetenz in Bezug auf die Strukturierung von ESG-gebundenen Anleihen und gegenüber externen ESG-Ratingagenturen aufgebaut.

Sie waren an der Building Bridges Konferenz in Genf dabei. Tut das Schweizer Finanzwesen genug für die Nachhaltigkeit?

Ich hatte die Ehre, meine Ansichten zum Thema ‹Die Hebelwirkung des Finanzsektors› für einen gerechten Übergang in einer Podiumsdiskussion darzulegen. Building Bridges ist eine einzigartige Konferenz mit sehr breiter Beteiligung und aussergewöhnlich reichhaltigem Inhalt. Einzigartig ist, dass sie verschiedene Akteure aus der Finanzbranche, den Vereinten Nationen, internationalen Organisationen, NGOs, der Wissenschaft sowie lokalen, kantonalen und nationalen Behörden zusammenbringt und uns dazu bringt, über die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu diskutieren und gemeinsam daran zu arbeiten.

Eine zentrale Frage geht aber nach der Wirkung, nach dem Impact. Mit Reden alleine ist es nicht getan.

Lassen Sie mich kurz auf das Impact Investing eingehen, wo die Schweiz eine herausragende Rolle spielt. Laut der Swiss Sustainable Investment Market Study 2021 sind nachhaltige Anlagen in der Schweiz im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich um 31 Prozent gewachsen. Das Gesamtvolumen der Anlagen, die ESG-Faktoren mit mindestens einem der abgedeckten Ansätze berücksichtigen, erreichte demnach bis Ende 2020 bereits 1'520 Milliarden Franken.

«Unsere Geschäftsleitung ziemlich einzigartig»

Das bedeutet, dass etwa jeder dritte in der Schweiz verwaltete Franken in irgendeiner Form einen Nachhaltigkeits-Faktor berücksichtigt. Meines Erachtens ist dies ein beeindruckendes Ergebnis, das sich von Jahr zu Jahr verbessert.

Wo sehen Sie trotzdem Nachholbedarf?

Die Société Générale ist aktives Mitglied der Swiss Sustainable Finance SSF. Die Roadmap, die SSF während der Building Bridges Week lanciert hat, zeigt konkrete Massnahmen auf, die von den Schweizer Finanzmarktakteuren ergriffen werden müssen, um die Erreichung der globalen Klimaziele und der Uno-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu beschleunigen.

Es handelt sich um eine ehrgeizige Roadmap mit konkreten Massnahmen für alle Akteure des Schweizer Finanzdienstleistungssektors. Da die Schweiz im Bereich der nachhaltigen Finanzen bereits viel erreicht hat, zielt diese Roadmap darauf ab, die nächsten Schritte zu steuern und wirksame Massnahmen auf breiterer Ebene einzuführen.

Die Schweizer Geschäftsleitung von Société Générale setzt sich bereits zur Hälfte aus Frauen zusammen. Was zeichnet die Entscheidungen dieses Gremiums aus?

In der Tat ist unsere Geschäftsleitung ziemlich einzigartig. Neben der Tatsache, dass wir zur Hälfte aus Frauen bestehen, haben wir auch eine grosse Vielfalt an Nationalitäten und Werdegängen. Dies ermöglicht es uns, Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu diskutieren. Unsere Entscheidungen sind das Spiegelbild dieser Vielfalt – sie sind ausgewogen und an die multikulturelle Realität unserer Branche angepasst.

Wer gibt den Ton an – die Frauen oder die Männer?

Wir sind immer bestrebt, auf der Vielfalt der Standpunkte aufzubauen und den besten Kompromiss zu finden, der es dem Unternehmen ermöglicht, sich weiterzuentwickeln, während unsere Mitarbeitenden ihre Arbeit weiterhin mit Leidenschaft ausüben.

Sie haben Karriere in einer Männerdomäne gemacht und wirken in der Geschäftsleitung einer Bank. Welchen Rat würden Sie jungen Bankerinnen auf den Karriereweg mitgeben?

Seien Sie mutig und glauben Sie an sich. Was im Geschäftsleben wirklich den Unterschied ausmacht, ist Mut – eine kalkulierte Risikobereitschaft. Menschen, die zu guten Führungskräften werden, sind überdurchschnittlich bereit, mutige Schritte zu unternehmen, aber sie erhöhen ihre Erfolgschancen durch sorgfältige Überlegung und Vorbereitung.

«Ich versuche immer, die Menge der Geschenke zu begrenzen»

Und das geht oft mit dem Einbringen neuer Denkansätze und Innovationen einher. Ein Beispiel: die Durchführung eines Grossauftrags für Ihren Kunden erfordert oft eine mutige Verhandlung, die Umsetzung einer innovativen Lösung und eine Menge Überzeugungskraft. Aber das sind die Geschäfte, durch die Sie in einem Unternehmen sichtbar und anerkannt werden. Und das ist wichtig, um die Karriereleiter hinaufzuklettern.

Und was sind Ihre Vorsätze fürs neue Jahr?

Ich glaube nicht an Neujahrsvorsätze. Ich denke, wenn man etwas ändern will, sollte man es heute tun und nicht bis zum neuen Jahr warten.


Deia Markova hat Anfang 2020 die Leitung der Abteilung Trade Commodity Finance bei Société Générale in der Schweiz übernommen – ein Bereich, in dem die französische Grossbank traditionell ein grosses Rad dreht. Schon zuvor entwickelte sie in der Zürcher Niederlassung neue Finanzierungslösungen, mit denen nachhaltige Entwicklungsziele verfolgt werden. Markova startet ihre Karriere im Firmenkunden-Geschäft bei der Auslandsbank in Paris. Später arbeitete sie als Spezialistin für strukturierte Handelsfinanzierungen für Metall- und Bergbauproduzenten aus Russland und den GUS-Staaten. Von 2014 bis 2017 leitete Markova das Firmenkreditgeschäft der Sberbank (Schweiz) mit dem Schwerpunkt Rohstoffproduzenten und -händler.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.57%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.88%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.97%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.04%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.54%
pixel