Alles in allem hat sich die UBS auf Geheiss des Staates von einer zuverlässigen, ertragsgenerierenden Institution mit einer hohen Kapitalrendite in ein bizarres Casino verwandelt, wo auf einen schwer fassbaren Erfolg in den nächsten Jahren gewettet wird, wie finews.ch-Herausgeber Claude Baumann findet. 

Wie schnell sich doch die Zeiten ändern können. Vor genau einem Jahr präsentierte der damalige UBS-Chef Ralph Hamers das beste erste Quartalsergebnis der Bank seit 15 Jahren. Die Zahlen waren so gut, dass die frisch gesetzten Finanzziele bereits wieder Makulatur waren und Hamers drauf und dran war, die Bank zum führenden «Ökosystem für Finanzbelange» zu machen.

Zwölf Monate später ist Hamers – trotz allem Erfolg – nicht einmal mehr im Amt, und die UBS läuft grosse Gefahr, das in den vergangenen Jahren Erreichte innert kürzester Zeit zu verspielen; dies nicht etwa selbstverschuldet, sondern auf Geheiss des Staates. Denn die grösste Bank der Schweiz wurde vor Monatsfrist von der Schweizer Regierung dazu verknurrt, ihre in Notlage geratene Erzrivalin Credit Suisse (CS) zu übernehmen, damit diese nicht kollabiert.

Hochriskante Wette

Vordergründig und im Lingo der Bundesbeamten ist dabei auf eine solidarische Massnahme zu schliessen, die zum Wohl unserer Volkswirtschaft gereicht, weil dadurch unser System nicht selbst einbricht oder mindestens einen massiven Schaden nimmt.

Bei genauerem Hinsehen jedoch erweist sich diese Aktion als eine hochriskante Wette zu Lasten eines privaten Unternehmens, das geläutert aus der Finanzkrise von 2008 gekommen war und aufgrund einer durchdachten Restrukturierung zu neuem, weltweitem Erfolg gelangte. Ein Erfolg notabene, der gleichzeitig massgeblich zur Reputation des hiesigen Finanzplatzes sowie seiner Akteurinnen und Akteure beigetragen hat.

Mit anderen Worten: Seit dem 19. März 2023 hat die Schweiz beschlossen, ein Erfolgsmodell aufs Spiel zu setzen. Das zeigt sich spätestens mit dem Vorliegen der Ergebnisse der (noch) zwei Schweizer Grossbanken zum ersten Quartal 2023. Und zwar in mehrfacher Hinsicht.

1. Nicht alles Geld fliesst zur UBS

Tatsächlich hat die CS auch im laufenden Jahr weiter geblutet und erhebliche Kundengelder im Umfang von rund 60 Milliarden Franken verloren. Es ist aber nicht so, dass diese Vermögen allesamt zur UBS flossen. Unter dem Strich waren es «nur» 28 Milliarden Dollar.

Das sei wenig, finden die Privatbanken und reiben sich die Hände, weil ihnen viele Kundinnen und Kunden der Grossbanken die Türen einrennen. Kurzum, die UBS wird ihre Position als grösste globale Vermögensverwalterin zwar ausbauen können, aber wohl kaum im Sinne, dass 1 + 1 = 2 ergeben.

2. Träge Kunden – flüchtiges Geld

Enorme Vermögenswerte werden derzeit tatsächlich zwischen verschiedenen Banken bewegt. Doch die Kundinnen und Kunden verhalten sich passiv, parken ihr Geld in bar auf dem Konto oder legen es kurzfristig in Geldmarktfonds an. Damit sichern sie sich die grösstmögliche Flexibilität, um diese Mittel nach Bedarf wieder weiter zu verschieben. Entschieden ist also nicht nichts, was die endgültige Wahl eines Finanzinstituts betrifft. Die Kundschaft wartet ab, prüft die Optionen.

Aus Sicht der Banken wird es dadurch sehr schwierig, die Gebühreneinnahmen zu steigern, zumal die Kundschaft derzeit auch nur sehr beschränkt (Lombard-)Kredite in Anspruch nimmt und auch von anderen Transaktionen absieht. Von einem grossen «Push» kann also kaum die Rede sein.

3. Verhaltene Ertragsaussichten

UBS-Chef Sergio Ermotti zeigte sich am Dienstag in seinem Ausblick eher verhalten, was angesichts der passiven Kundinnen und Kunden, aber auch vor dem Hintergrund der Flaute im Investmentbanking – das M&A-Beratungsgeschäft ist momentan sehr schwach – wenig überrascht.

Aber auch die makroökonomischen Perspektiven sind angesichts der Inflation und der drohenden Rezession sowie der geopolitischen Konflikte alles andere als rosig. Wie schon einmal, muss sich die UBS darauf besinnen, auf absehbare Zeit wieder «kleinere Brötchen» zu backen oder anders formuliert: Die Erfolgswelle der vergangenen Jahre ebbt ab.

4. Tiefere Zinsmarge

Die eingetrübte Stimmung schlägt sich auf die Zinsmarge nieder, die zuletzt auch bei der UBS gesunken ist, wie aus den am Dienstag präsentierten Quartalszahlen hervorgeht. Der Effekt aus der von den Zentralbanken eingeläuteten Zinswende hat sich bislang noch nicht in einem ausreichenden Masse manifestiert.

Darüber hinaus stiegen die Kosten der UBS im ersten Quartal mit 7,2 Milliarden Dollar deutlich höher als die prognostizierten 6,5 Milliarden Dollar. Zurückzuführen ist dies vor allem auf den Umstand, dass der frühere CEO Hamers den Personalbestand markant ausbaute sowie in die Digitalisierungsoffensiven und in die Erneuerung der Unternehmenskultur (Stichwort: Agile) investierte. Steigt unter diesen Vorgaben der Ertrag nicht signifikant, bleibt unter dem Strich weniger Geld, sprich, gerät das Geschäftsmodell in Gefahr.

5. Absorbierte Management-Kapazitäten

Gerade die Tatsache, dass der bislang so erfolgreiche UBS-Tanker ins Stottern zu geraten droht, sollte dem Top-Management Anlass genug sein, unbelastet auf der Kommandobrücke zu stehen und den Kurs umsichtig den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.

Mit der staatsverordneten Übernahme der CS drohen jedoch erhebliche Managementkapazitäten in die Integrationsarbeiten zu fliessen, was wiederum die Ressourcen im operativen Geschäft stark absorbiert. Das sind nicht die besten Voraussetzungen, um den globalen Führungsanspruch der UBS zu verteidigen.

6. CS-Rechtsfälle als Blackbox

Zwar kriegt die UBS bei der Übernahme und Integration der CS enorme staatliche Unterstützung. Doch wie sie die hohe Zahl an nach wie vor laufenden Rechtsfällen, in die sich die CS in der Vergangenheit verwickelt hat, bewältigen soll, ist eine weitere Unbekannte, welche die UBS allein schon medial in den nächsten Jahren stark belasten dürfte. Denn letztlich wünschen sich die Kundinnen und Kunden keine Banken, die fortlaufend in den Schlagzeilen stehen.

Alles in allem hat sich die UBS auf Geheiss des Staates von einer zuverlässigen, ertragsgenerierenden Institution mit einer hohen Kapitalrendite in ein bizarres Casino verwandelt, wo auf einen schwer fassbaren Erfolg in den nächsten Jahren gewettet wird. Wenn die Historiker dereinst auf unsere Zeit zurückblicken, werden sie vielleicht erstaunt sein, mit welcher Leichtfertigkeit die Behörden in Bern ein Erfolgsmodell zu Gunsten einer nicht überlebensfähigen Bank geopfert haben.

 

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