Selbst wenn Facebook mit der eigenen Krypto-Währung Libra gute Absichten hat: Das Projekt wird scheitern. Doch es gibt Alternativen, um den Armen der Welt Zugang zum Finanzsystem zu ermöglichen, schreibt Initium-Chef Daniel Spier. 

Wenn ein Tech-Unternehmen mit dem Gewicht von Facebook in die Welt der Krypto-Währungen einsteigt, sind die Schlagzeilen garantiert. Aber ob dem Hype droht ein wichtiges Thema vergessen zu gehen: Die geschätzten 1,7 Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu elementaren Bankdienstleistungen haben. Dieser grosse, banklose Teil der Menschheit steht eindeutig im Zentrum des Leitbilds und des White Papers von Libra.

Viele Kommentatoren haben hinterfragt, ob das wirklich der Zweck des Projekts ist. Warum sollte ein profitorientierter Weltkonzern sich um diesen Markt kümmern, der zwar gross ist, aber kaum sehr lukrativ? Doch selbst wenn wir annehmen, dass es Facebook damit Ernst ist, gibt es fundamentale Gründe, weshalb Libra und «Big Tech» die Lösung nicht liefern können.  

Das wird wahrscheinlich böse enden

Im Unterschied zu anderen Krypto-Währungen, deren Wert auf der Herausforderung des «Mining» gründet, soll Libra mit einem Korb von wichtigen Währungen unterlegt sein. Wenn also alles nach Plan läuft, werden diejenigen ohne Zugang zu Banken – welche vor allem in Ländern wie China, Indien, Indonesien, Pakistan und Bangladesch leben – eine Währung nutzen, deren Bewertung an die Volkswirtschaften von Industrienationen geknüpft ist. Die Geschichte hat gezeigt, dass das wahrscheinlich böse enden wird. 

Man muss sich nur die Europäische Union anschauen, in der 19 Mitgliedstaaten den Euro als Gemeinschaftswährung nutzen. Die europäische Schuldenkrise wurde dadurch verstärkt, dass verschiedene Volkswirtschaften, die sich an unterschiedlichen Punkten im ökonomischen Zyklus befanden, ans gleiche Währungs-Regime gekettet waren. Länder wie Griechenland mussten jahrelang einen schmerzhaften Sparkurs fahren, weil die Kosten des Schulddienstes an viel stärkere Volkswirtschaften wie Deutschland geknüpft waren. 

Der Unterschied zwischen Deutschland und Bangladesch

Das bringt uns zurück zu Libra. Facebook will damit eine «globale Währung» schaffen. Wenn der Unterschied zwischen Griechenland und Deutschland schon zu gross ist, wie verhält es sich dann mit der Differenz zwischen Deutschland und Bangladesch? Und anstelle der Geldpolitik der Zentralbanken wäre diese entweder inexistent oder unter der Kontrolle der globalen Unternehmen, welche Mitglied der Libra-Stiftung sind. Keines dieser Szenarien ist sonderlich attraktiv oder demokratisch. 

Natürlich gibt es keinen Grund zu glauben, dass ganze Länder Libra als Währung übernehmen werden, oder dass Arbeitgeber ihre Leute damit bezahlen werden. Libra wäre eher ein Parallelsystem von digitalen Guthaben als eine echte Währung. Ebenso wie Bitcoin könnte diese möglicherweise als Fluchtwährung bei Hyperinflation dienen (solange keine Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden), die Wechselkurs-Fluktuationen machen sie allerdings ungeeignet fürs Lohnkonto. 

Es gibt bessere Alternativen

Das soll nicht heissen, dass Libra keinen potenziellen Nutzen hat. In gescheiterten Staaten, wo das Finanzsystem komplett zusammengebrochen ist, wäre Libra besser als nichts. Das Projekt könnte frischen Wind ins Geschäft mit Fremdwährungen bringen und die Gebühren von Firmen wie Western Union oder Moneygram drücken. Ziemlich sicher bietet Libra eine Grundlage für ein System von Online-Mikrotransaktionen. Diese Anwendungsfälle sind betreffen diejenigen allerdings nur am Rande, die gar keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen haben. 

Innovative Fintech-Unternehmen haben dagegen das Potenzial, diesen Menschen zu helfen. Sei es Online-Banking, Mikrofinanz oder Crowd-Investing – mithilfe von Technologie können Finanzdienstleistungen leichter zugänglich gemacht werden. Dafür sind kleine Firmen allerdings besser geeignet; im Gegensatz zu globalen Tech-Riesen, die alle über den gleichen Kamm scheren, kennen sie die lokalen Bedürfnisse und Probleme.

Klein anfangen

Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, einem Wirtschaftssektor zu helfen, der ebenfalls nur beschränkt Zugang zu Finanzdienstleistungen hat: Fintech- und Blockchain-Unternehmen. Schweizer Firmen, welche die Distributed-Ledger-Technologie nutzen, werden von Banken oft als Kunden abgelehnt – auch andernorts unterliegen die Startups solchen Einschränkungen. Wenn wir also wirklich etwas für finanzielle Integration tun wollen, sollten wir vielleicht mit den kleineren, innovativeren Firmen anfangen, die auf lokaler Ebene wirklich etwas bewegen können. 


Daniel Spier ist Gründer und CEO von Initium, einem Unternehmen, welches Bankdienstleistungen für Startups aus dem Fintech- und Blockchain-Bereich erbringen will. Zu diesem Zweck hofft die Firma gleich an mehreren Orten auf eine Banklizenz, darunter in Liechtenstein. Das Unternehmen arbeitet auf der Technologie-Seite mit Swisscom Blockchain zusammen. Die Bank-Expertise bringt Spier selbst mit, er war zuletzt CEO von IDT Financial Services, einer Bank mit Sitz in Gibraltar, die vor allem im Kartengeschäft tätig ist. 

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