Surfen statt Abtauchen: Wie Banken den Technologieschub nutzen können
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
Der griechische Philosoph Heraklit soll gesagt haben: «Wandel ist die einzige Konstante». Ohne Zweifel trifft diese Aussage auf den Bankensektor zu. Die vergangenen Jahre haben eindrücklich gezeigt, wie sich Rahmenbedingungen grundlegend verändern können: von der globalen Finanzkrise über die langanhaltende Negativzinsphase bis hin zu Kryptowährungen und neuen digitalen Ökosystemen. Anpassungsfähigkeit ist gefragt, wenn man im Bankgeschäft bestehen will.
«Die vergangenen Jahre haben eindrücklich gezeigt, wie sich Rahmenbedingungen grundlegend verändern können.»
Um Anpassungsfähigkeit zu gewährleisten, wird es kaum ausreichen, ehemals entworfene Strategien oder einmal aufgebaute IT-Landschaften über Jahre zu konservieren. Geschäfts- und Betriebsmodelle müssen flexibel, wandlungsfähig und resilient gestaltet sein. Dies gilt insbesondere für die technologische Infrastruktur und schliesst das Kernbankensystem ein.
Hohe Stabilität sicherzustellen und sich gleichzeitig rasch an neue Anforderungen anpassen zu können, klingt zunächst nach einem Widerspruch. Aber der technologische Fortschritt zeigt, dass die beiden Ziele gleichberechtigt sind und sich gleichzeitig verfolgen lassen.
Moderne IT-Architekturen schaffen Raum für Wandel
Moderne Softwarearchitekturen vereinen unterschiedliche Technologien auf unterschiedlichen Plattformen zu modularen IT-Landschaften. Dadurch ermöglichen sie eine flexible Interoperabilität zwischen stabilen Kernsystemen, agilen Frontends und individuell angebundenen Umsystemen. Die Entscheidung «entweder oder» ist damit hinfällig und wird ersetzt durch die Fähigkeit, neue Technologien integriert zu denken. So entsteht eine kohärente Gesamtarchitektur, die Wandel unterstützt statt ausbremst.
«Bei einer technologischen Transformation tut man gut daran, auch das Geschäftsmodell zu überdenken.»
Der Wechsel zu einer modernen Applikationslandschaft, wie sie oben beschrieben ist, muss heute kein teurer und risikoreicher Big Bang mehr sein. Durchdachte Migrationspfade erlauben eine schrittweise Transformation. Auf Microservices, APIs und einem Integration Layer basierende Architekturkonzepte ermöglichen es, bestehende Systeme systematisch zu entkoppeln und iterativ zu neuen Funktionalitäten und Betriebsmodellen zu gelangen. Der technologische Umbau kann somit in kleinen, beherrschbaren Schritten erfolgen – ohne den laufenden Betrieb über die Massen zu gefährden.
Technologie als Wegbereiter, nicht als Ziel
Trotz ihrer wichtigen Rolle ist Technologie allein nicht die Lösung für alles. Eine technologische Transformation in die Wege zu leiten, ohne das Geschäfts- und das Betriebsmodell kritisch zu überdenken, wäre eine verpasste Chance. Dies gilt insbesondere für einen vollständigen Umbau unter Einschluss des Kernbankensystems. Eine solche Transformation hat auch strategischen Charakter. Sie eröffnet Spielraum für Anpassungen an Produkten, Prozessen und Kundenerlebnissen. Jeder Technologieschub bietet zudem die Möglichkeit, neue Geschäftsfelder gewinnbringend zu erschliessen, zusätzliche Dienstleistungen und Produkte profitabel anzubieten oder die Wertschöpfungskette zu straffen.
Aber nicht nur Erweiterungen sollten im Zentrum der Überlegungen stehen. Auch die Fokussierung auf das Wesentliche sollte rechtzeitig Bestandteil der Neuausrichtung sein.
Ballast in Form von veralteten Technologien, Know-how-Inseln und wenig rentablen Dienstleistungen und Produkten möglichst umfassend und frühzeitig abzuwerfen, reduziert die Komplexität der Transformation. Den geringsten Aufwand verursachen stets die Aufgaben, welche ersatzlos von der Aufgabenliste gestrichen werden.
« Eine technologische Transformation bedeutet Wandel.»
Der Wandel infolge eines Technologieschubs darf also nicht nur von der IT getrieben werden – er muss vom Business mitgestaltet und vorangetrieben werden. Wenn die Fachbereiche das Potenzial der neuen Technologien verstehen und in ihre strategischen Überlegungen aufnehmen, wird sich der Mehrwert der Transformation umso stärker entfalten.
Chancen des Wandels erkennen
Eines ist sicher: Eine technologische Transformation bedeutet Wandel. Einen Wandel, der Druck auf die eigene Komfortzone ausübt. Aber es gilt, darin nicht ein unausweichliches Übel zu sehen, sondern eine Chance, die genutzt werden will. Surfen statt Abtauchen, ist also die Devise, wenn eine Transformationswelle auf einen zurollt.
Harald Bader ist Programmleiter bei der Finnova AG Bankware und engagiert sich in der Fachgruppe Innovation der swissICT, dem Fachverband der IT-Branche. swissICT verleiht jedes Jahr die Digital Economy Awards, mit denen Innovation gefördert wird. Die nächste Preisverleihung findet am 13. November im Zürcher Hallenstadion statt.