Die Auguren sind sich einig – mit der Ernennung von Christine Lagarde zur EZB-Chefin wird sich an der Tiefzinspolitik im Euro-Raum nichts ändern. Die Nationalbank wird bloss noch stärker zur Geisel des Euro.

Inwieweit die Wahl des obersten Währungshüters der Europäischen Zentralbank (EZB) in Realität tatsächlich einen Unterschied für die Zinspolitik bedeutet, sei dahingestellt – im Fall von Christine Lagarde (Bild unten) scheint es sich für die wichtigsten Wachstumsgaranten in der EU (Deutschland und Frankreich) um eine möglichst risikofreie Wahl zu gehen – «a safe pair of hands» in unruhigen Zeiten.

Christine Lagarde

(Bild: Keystone)

Die Äusserungen der derzeitigen Währungsfonds-Chefin in den vergangenen Jahren – zusammengetragen von der Agentur «Bloomberg» – zeichnen ein Bild einer Exekutivkraft, welche die Politik der EZB im Sinne von Mario Draghi weiterführen dürfte. So hat sie schon vor drei Jahren die Negativzinspolitik als funktionierendes Instrument begrüsst.

Im März 2019, mithin also zu einem Zeitpunkt, als die Stimmung bezüglich neuerlichen Zinssenkungen noch nicht so eindeutig war, gab sie ihr Plazet mit deutlichen Worten: «Wenn der nächste Abschwung kommt, und dies ist unausweichlich, müssen die Währungshüter alle ihre Werkzeuge anwenden, um ihren kumulierten Effekt zu maximieren. Dies bedeutet, die Nachfrage durch eine entschlossene monetäre Lockerung und einem fiskalischen Stimulus wo immer möglich zu stützen.»

In ferner Zukunft

Für eine Finanzwelt, welche sich in den vergangenen Monaten schon darauf gefasst gemacht hat, dass die Zinsen dieses Jahr in den wichtigsten Wirtschaftsräumen sicher nicht angehoben und vielmehr gesenkt werden (die US Federal Reserve als wichtigste Zentralbank war überdeutlich in ihrer Ankündigung), bedeutet dies Ungemach auf längere Sicht.

Falls die guten alten Zeiten von erfreulich verzinsten Anleihen zurückkommen, dann nicht heute oder morgen. Thomas Jordan, der Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), hat selbst unlängst erklärt, er sei überzeugt, dass die Schweiz eines Tages wieder zu positiven Zinsen zurückkehren werde, er wisse aber nicht, wann es so weit sein werde.

Tiefzinsen, solange es den Euro gibt?

Es gibt auch Stimmen, die intrinsische Gründe für die Tiefzinsen beobachten. So schrieben die Kapitalmarktstrategen des deutschen Vermögensverwalters Flossbach von Storch kürzlich: «In Europa bleiben die Zinsen niedrig, zumindest so lange der Euro Bestand hat.»

Die Autoren begründen dies primär damit, dass die gemeinsame Währung die Wirtschaften einer ganzen Reihe von Ländern in der Währungsunion überfordere – in dieser Logik würden höhere Zinsen die ohnehin bescheidene Wirtschaftskraft noch weiter weiter nach unten drücken.

Da die SNB ihre Zinspolitik wegen der ausserordentlichen Bedeutung des Franken-Wechselkurses für die heimische, offene Wirtschaft auf diejenige der EZB ausrichtet, gibt es kaum Aussicht auf höhere Zinsen in der mittleren Frist.

Grenzen der Zinspolitik

Stimmen, welche vor einer langfristigen Weiterführung der jetzigen Zinspolitik warnen, haben es schwer. Die Ökonomen von Wellershoff und Partners beispielsweise haben vor geraumer Zeit den Effekt der niedrigen Zinsen und der Zinsdifferenz auf den Frankenkurs in Frage gestellt. Jüngst hat die Firma des ehemaligen UBS Chefökonomen Klaus Wellershoff mit einer neuen Studie nachgelegt.

Die Studie stellt die inflationäre Wirkung von tieferen Zinsen in Frage und hält fest, dass diese in gewisser Hinsicht sogar deflationär wirken können. Eines der Beispiele ist der industrielle Kapazitätsausbau, der mit einem Zinsstimulus einhergeht. Dieser Ausbau verhindert, dass die erhöhte Nachfrage inflationär wirkt. Eine ähnliche Begründung wird auch für den Schweizer Bausektor genannt. Die zwei Studien stellen Hauptpfeiler der monetären Politik, auf welcher die SNB aufbaut, in Frage.

Gesamtwirtschaftliche Interessen

Allerdings ist der SNB auch zugute zu halten, dass der rasante Anstieg des Frankens, welcher ja nicht in fundamentalen Daten begründet war, begrenzt werden konnte und damit die Wirtschaftskraft der verarbeiteten Industrie erhalten wurde.

Dieser Aspekt darf nicht ignoriert werden in der Analyse der monetären Politik, nicht zuletzt weil jetzt eine Nicht-Ökonomin an die Spitze der EZB gehievt wird, welche die Bedeutung der Gesamtwirtschaft immer wieder in den Vordergrund gerückt hat.

Keine Sorge um die Defizite

An einer Pressekonferenz des Währungsfonds im April wagte sich Lagarde gar an die, gelinde gesagt, umstrittene «Modern Monetary Theory». Verkürzt besagt, verlangen Advokaten dieser Theorie, dass Staaten sich weniger um die Defizitvorgaben kümmern sollen und stattdessen mit fiskalischen Mitteln die Wirtschaft ankurbeln sollten.

Obgleich sehr vorsichtig in ihrer Wortwahl, zeigte sie eine gewisse Offenheit gegenüber dem Prinzip des fiskalischen Stimulus – das ja kein so neues mehr ist. Dies wäre dann weniger im Sinne der «safe pair of hands», aber vielleicht durchaus im Interesse von Kräften, welchen die restriktiven Defizitkriterien im Euroraum ein Dorn im Auge sind.

 

 

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