Die gegenwärtige Situation zeige einmal mehr, dass gerade die grossen Asset Manager, die auf die notwendigen Ressourcen zurückgreifen könnten, gestärkt aus der Krise herauskommen werden, sagt Paolo Corredig, Länderchef von T. Rowe Price in der Schweiz im Interview mit finews.ch.


Herr Corredig, hat der Zins in der Investmentwelt ausgedient?

Es ist zwar schwieriger geworden, Zinserträge zu erwirtschaften. Doch dies bedeutet nicht, dass der Zins ausgedient hat.

Nach wie vor gibt es Regionen, in denen Anleihen positive Renditen abwerfen wie in Asien etwa. Aber auch abseits dieser Wachstumsmärkte lassen sich mit Anleihen mittlerer und langer Laufzeit positive Zinserträge erzielen.

Was sind mittel- und langfristig die Auswirkungen niedriger Zinssätze?

Meiner Meinung nach wird 2021 herausfordernd für Investoren in Obligationen: Sinkende Renditen und kleiner werdende Bonitätsaufschläge, die den breiten Markt 2020 nach oben getrieben haben, sind vorläufig passé. Stattdessen könnte eine moderate Inflation variabel verzinsliche Anleihen attraktiv machen.

«Das könnte zu einem heissen Thema werden»

Zudem könnte die Duration in einem Umfeld, in dem die kurzfristigen Zinsen um die Nulllinie pendeln, während die Chance auf eine wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie zu steigen scheint, für viele Investoren zu einem heissen Thema werden.

Warum?

Bei einer längeren Duration könnte selbst ein geringer Anstieg der Zinsen und der Inflation zu erheblichen Kursverlusten bei qualitativ erstklassigen Staats- sowie Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Status führen.

«Ich glaube, dass sich Anleger grundsätzlich auf tiefere Renditen einstellen sollten»

Angesichts der weltweit tiefen Renditen und hohen Aktienbewertungen finden wir im Markt für Unternehmensanleihen Schwellenländern überzeugende Anlageideen.

Müssen wir uns aufgrund der Zinssituation generell auf tiefere Renditen einstellen?

Die Höhe des Zinses ist ja nicht der einzige Faktor, der die Rendite eines Wertpapiers bestimmt. Bei Anleihen etwa spielt auch die Qualität des Schuldners eine zentrale Rolle.

Gleichwohl hat sich die Zinskurve in den vergangenen Jahren signifikant verflacht. Daher glaube ich, dass sich Anleger grundsätzlich auf tiefere Renditen einstellen sollten, vor allem im Investment-Grade-Segment und bei Staatsanleihen guter Bonität.

Gibt es rund ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie eigentlich Investmentoptionen zu diesem Thema?

Auf jeden Fall. Wenn Krisen auftreten, passen Anleger ihre Erwartungen ständig an die sich entwickelnde Realität an. Während volatiler Anpassungsphasen führt die emotionale Unvernunft Kursen, die von den Fundamentaldaten abweichen.

«Substanzwerte würden in diesem Fall möglicherweise besser abschneiden als Wachstumstitel»

Daher können Investoren mit einem scharfen Auge, einem klaren Kopf und Geduld Einstiegsmöglichkeiten identifizieren und darauf warten, dass sich die Preise im Laufe der Zeit den angemessenen Bewertungen annähern. Volatilität ist hilfreich, weil sie reichlich Anlagemöglichkeiten für aktive Manager schafft.

Konkret dürften die Impfstoffe eine schnellere Rückkehr zur Normalität ermöglichen. Eine damit verbundene wirtschaftliche Erholung auf breiter Front wird vielen Branchen zugute kommen, die unter dem Virus besonders gelitten haben, wie Reisen, Freizeit und der Energiesektor.

Darüber hinaus könnte eine Verbesserung der konjunkturellen Lage die Ausgabenströme von den Gewinnern der Pandemie zu Unternehmen mit konjunkturabhängigen Geschäftsmodellen umlenken, die unter der Coronakrise besonders gelitten haben.

Substanzwerte würden in diesem Fall möglicherweise besser abschneiden als Wachstumstitel.

China wird bereits wieder als hoch attraktives Anlage-Thema gehandelt. Teilen Sie diese Einschätzung?

Wenn Sie unsere Teams für Schwellenländeranleihen und -aktien fragen, erscheint die wirtschaftliche Erholung in China im Vergleich zu den Industrieländern und anderen Schwellenländern stabil. Allerdings tendieren die Renditen chinesischer Unternehmensanleihen mittlerweile nach oben, und das könnte dem Kreditwachstum 2021 Grenzen setzen.

Wie beurteilen Sie das Verhältnis USA-China?

Die neue US-Administration dürfte die noch von Präsident Donald Trump verhängten Zölle auf chinesische Waren kaum zurücknehmen – auch wenn der Handelsstreit künftig weniger scharf ausgefochten werden könnte.

«Globale Anleger sind in chinesischen Aktien strukturell untergewichtet»

Die Regierung von Joe Biden wird entscheiden müssen, wie sie mit Themen wie Handel, geistiges Eigentum und Menschenrechte gegenüber Peking verfahren will. Die Fundamentaldaten für chinesische Aktien sehen jedoch insgesamt positiv aus.

Warum?

Dafür gibt es drei wesentliche Gründe: Die Konjunkturerholung dürfte sich fortsetzen, vor allem dank der Entwicklung des privaten Konsums; zweitens, die Zulassung und Auslieferung von Impfstoffen dürfte China erlauben, seine Grenzen zum Rest der Welt im Verlauf des nächsten Jahres wieder zu öffnen; und drittens sind globale Anleger in chinesischen Aktien strukturell untergewichtet.

Anders ausgedrückt: Unsere Kunden sehen hier Nachholpotenzial.

Erwarten Sie in der Ära von Joe Biden auch neue Anlageoptionen?

Da die Demokraten durch ihre Siege in den beiden Stichwahlen in Georgia die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses erlangt haben, ist Joe Biden nun in der Lage, seine Agenda durchzusetzen.

«Der Dollar schwächelt generell»

Unserer Analystin in Washington, Katie Deal, zufolge könnte dies zusätzliche fiskalische Stimuli von 1 bis 1,5 Billionen Dollar bedeuten – selbst wenn der aktuelle Vorschlag auf 1,9 Billionen Dollar lautet -, die neben weiteren Entlastungen für den US-Haushalt auch Hilfen für Bundesstaaten und Kommunen sowie weitere wirtschaftspolitische Massnahmen zur Abmilderung der Pandemie umfassen.

Dies könnte die wirtschaftliche Erholung fördern. Anleger sollten zudem allfällige Steuererhöhungen berücksichtigen, wie die Erhöhung des Körperschafts-Steuersatzes von 21 Prozent auf ein Niveau, das unter den von Biden im Wahlkampf avisierten 28 Prozent liegt.

Der Dollar und der chinesische Renminbi befinden sich in einem Abwertungskampf. Welche Entwicklung erwarten Sie?

Generell schwächelt der Dollar, während der Renminbi Stärke zeigt. Gegenüber dem Renminbi dürfte der Abwärtstrend des Dollar in diesem Jahr aus unterschiedlichen Gründen anhalten.

Warum?

Zum einen befindet sich der Renminbi im Aufwind, weil China die Pandemie besser gemeistert hat und die Konjunktur dort deutlich stärker wächst. Zum anderen bieten Renminbi-Anleihen rund 200 Basispunkte höhere Zinsen als vergleichbare Dollar-Papiere.

Bitcoin oder Gold?

Kryptowährungen gehören nicht zu unserem Kerngeschäft, und ich bin kein Experte auf diesem Gebiet. Aber mit Blick auf Gold überrascht es nicht, dass einige Investoren ihre Allokation angesichts der Marktvolatilität und der Möglichkeit einer moderaten Inflation erhöhen.

ESG-Kriterien sind in der Anlagewelt mittlerweile weit verbreitet. Sind sie mehr als nur ein Modetrend?

Ja. ESG ist kein Marketing-Tool, sondern eine neue Realität – vorangebracht von den Investoren, unseren Kunden und dem regulatorischen Umfeld. Während die Pandemie diesen Prozess weiter beschleunigt hat, sind unsere Kunden zunehmend daran interessiert, wie wir ESG implementieren, welche Instrumente wir verwenden, und wie wir dieses Thema bewerten.

«Bei ESG hat jeder Asset Manager seine eigenen Richtlinien»

In Sachen Nachhaltigkeit findet ein grundlegender Wandel statt: Beinhaltete vor einigen Jahren eine Angebotsanfrage noch wenige Fragen zu ESG, ist dieser Teil heute um ein Vielfaches grösser. Bisweilen gibt es schon separate Angebotsanfragen für dieses Segment.

Wäre es nicht zielführender, Nachhaltigkeit konkreter zu definieren?

Auch wenn der Paradigmenwechsel voll im Gange ist, gibt es tatsächlich keine allgemeingültigen Standards. Jeder Asset Manager hat seine eigenen Richtlinien. Um einen Rahmen für ESG-Normen zu definieren, schreiten Regulatoren ein.

Die EU-Offenlegungsverordnung etwa verlangt vom 10. März 2021 an klare Angaben darüber, wie Nachhaltigkeitsaspekte in Anlageentscheidungen einbezogen und sich auf die Rendite auswirken werden. Dies wird die Transparenz steigern.

Wie sehen Ihre Ziele für 2021 aus?

Das herausfordernde Marktumfeld der vergangenen zwölf Monate kam uns als aktivem Manager sehr entgegen. T. Rowe Price steht so gut da wie nie zuvor, ist solide finanziert und hat keine Schulden. Wir investieren in den Ausbau unserer Ressourcen, um auch in den nächsten zehn bis 15 Jahren unsere Mandate auf dem gewohnt hohen Niveau zu erfüllen.

«Die grossen Asset Manager werden gestärkt aus der Krise hervorgehen»

In diesem Jahr werden wir unsere Produktpalette mit einer Reihe von neuen Lancierungen ausbauen. Dazu gehören neben Anlagemöglichkeiten in den Schwellenländern auch die Bereiche Nachhaltigkeit und Alternative Investments wie Absolute-Return-Strategien.

Die gegenwärtige Situation zeigt einmal mehr, dass gerade die grossen Asset Manager, die auf die notwendigen Ressourcen zurückgreifen können, gestärkt aus der Krise herauskommen werden.


Paolo Corredig ist Länderchef von T. Rowe Price in der Schweiz. Er stiess Anfang August 2012 als Head of Intermediary Business zum Unternehmen. Zuvor war er bei Invesco Schweiz tätig, wo er während sechs Jahren den Fondsvertrieb leitete. Davor arbeitete er in verschiedenen Positionen bei der Basler Bank Sarasin (heute J. Safra Sarasin) sowie im Vertrieb von Julius Bär, der Dresdner Bank und bei Zurich Financial Services.

 

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