Das Asset Management spielt bei der Sicherung der Sozialwerke eine entscheidende Rolle. Dabei verlagert sich die Verantwortung zunehmend auf die Versicherten, erklärt Paolo Corredig, Schweiz-Chef von T. Rowe Price, im Interview mit finews.ch.


Herr Corredig, gemäss der von T. Rowe Price durchgeführten Umfrage soll das Asset Management in der Schweiz in einigen Jahren mehr Bedeutung haben als das Private Banking. Warum?

Das Asset Management spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um Anlagelösungen im Umfeld rekordtiefer Zinsen geht. Insbesondere die Sozialwerke stehen aufgrund der Überalterung der Bevölkerung vor grossen Herausforderungen.

Hinzu kommt, dass der Staat zwar Rahmenbedingungen und steuerliche Anreize schafft, aber die Verantwortung immer mehr an die Versicherten überträgt. Diese benötigen das Know-how von Asset Managern für ihre Altersvorsorge. Die Nachfrage nach nachhaltig erfolgreichen Lösungen steigt also.

«Betrachtet man das pro Kopf verwaltete Vermögen, so liegt die Schweiz weltweit an der Spitze»

Ob das Asset Management wichtiger wird als das Private Banking ist sekundär und ohnehin schwer zu prognostizieren. Ich hoffe ehrlich gesagt nicht, denn wir sind ja Partner und Zulieferer der Wealth Manager.

Wo steht der Schweizer Finanzplatz im Vergleich zu anderen Zentren wie London, Singapur oder Dubai in Sachen Asset Management?

London ist in diesem Bereich immer noch führend in Europa. Die meisten global tätigen Häuser haben in der Themsestadt eine starke Präsenz und führen ihr europäisches Geschäft von dort aus. Für Firmen ist London die erste Wahl, wenn es um Kapital für Börsengänge oder Emissionen geht.

Die Schweiz muss sich aber nicht verstecken. Betrachtet man das pro Kopf verwaltete Vermögen, so liegt die Schweiz weltweit an der Spitze. Gemessen am verwalteten institutionellen Vermögen ist die Schweiz der viertgrösste Asset-Management-Standort in Europa. Singapur und Dubai sind primär Wealth Management-Standorte. Im Asset Management spielen sie noch keine zentrale Rolle, soweit ich dies beurteilen kann.

Die Schweizer Asset-Management-Branche scheint bisweilen einen Minderwertigkeitskomplex zu haben. Er äussert sich darin, dass die Branche ihre Kompetenz international zu wenig vermarktet? Was sollte geschehen?

Die Schweiz wird international primär als Private-Banking-Markt wahrgenommen. Daran wird sich so schnell auch wenig ändern. Ungeachtet dessen entwickelt sich der Asset-Management-Standort Schweiz aber erfolgreich.

«Ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU, wie es seit geraumer Zeit diskutiert wird, kann hier helfen»

Man darf nicht ausser Acht lassen, dass Schweizer Asset Manager einen erschwerten Zugang zu Europa haben: Produkte müssen zum Beispiel erst in einem europäischen Markt wie Luxemburg aufgelegt werden, um im EU-Binnenmarkt vertrieben zu werden.

Was der Branche aber sicherlich hilft, sind Studien und Analysen zum Thema Asset Management, wie wir das vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) sehen. Oder die Tätigkeit der SFAMA – dem Branchenverband. Dies stärkt das Bewusstsein für die Industrie und spricht eine breitere Zielgruppe an.

Für einen nachhaltigen Erfolg im Schweizer Asset Management braucht es optimale Rahmenbedingungen. Was wäre verbesserungswürdig und wer steht dafür in der Pflicht?

Wenn es darum geht, dass Asset Manager ihre Produkte und Mandate in Europa anbieten und vertreiben können, dann muss das rechtliche Umfeld dafür geschaffen werden. Ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU wie es seit geraumer Zeit diskutiert wird, kann hier helfen.

Häufig heisst es auch, das Schweizer Asset Management könne in Sachen Performance nicht mit den Konkurrenten im Ausland mithalten. Stimmt das?

Mir fehlen die Daten, um dies objektiv beurteilen zu können. Fakt ist, dass die internationale Konkurrenz zahlenmässig grösser ist. Die Wahrscheinlichkeit ist folglich einfach höher, dass unter den Top-Performern in einer Assetklasse ein internationaler Player zu finden ist.

«Anleger sollten sich bewusst sein, dass passive Strategien massiv vom Geld der Zentralbanken profitieren»

Doch auch im Asset Management geht die Tendenz hin zu grossen weltweit agierenden Gesellschaften. Viele davon finden sich im angelsächsischen Raum. Je mehr Vermögen ein Asset Manager verwaltet, desto effizienter kann er operieren. Er hat genügend Kapital, um in die eigene Infrastruktur, Ressourcen und Talente zu investieren. Sie profitieren so erheblich von der Skalierbarkeit des Geschäfts.

Ist für eine nachhaltige Performance aktives Asset Management zwingend?

Die Frage ist, wie Sie eine nachhaltige Performance definieren. Wenn Sie darunter eine langfristige Outperformance gegenüber der Benchmark und der Peer-Group (Konkurrenten) verstehen, dann kommen Sie um eine aktive Lösung nicht herum.

Hat (aktives) Asset Management überhaupt noch eine Zukunft, angesichts der enormen Nachfrage nach passiven Strategien?

Kurz gesagt, beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Anleger sollten sich aber bewusst sein, dass passive Strategien massiv vom Geld der Zentralbanken profitiert haben. Ultraniedrige Zinsen kombiniert mit Billionen von Dollar an frischem Kapital haben seit 2008 zu einem Bewertungsanstieg geführt.

«Es stimmt, dass momentan Themen rund um Technologie verstärkt nachgefragt werden»

Lassen die Auswirkungen der lockeren Geldpolitik nach, dürfte die Renditedifferenz zwischen den verschiedenen Sektoren und Wertpapieren wieder zunehmen. Dies bietet Portfolio-Managern gute Chancen, Outperfomer zu selektieren und Underperformer zu vermeiden – sozusagen die Kernkompetenz eines Asset Managers. Beim Stichwort ESG/Sustainability und auch bei der Auswahl von nachhaltigen Unternehmen sind aktive Manager zweifelsohne im Vorteil.

Passive Strategien sind vor allem wegen ihrer tiefen Kosten sehr populär. Wie lässt sich das «teurere» aktive Asset Management rechtfertigen?

Beim passiven Anlegen investiert man effektiv «in die Vergangenheit». Im Gegensatz dazu sucht das aktive Asset Management mir die für die Zukunft passenden Anlagen und setzt auf zu erwartende Mehrrendite. Im Endeffekt wird ein Asset Manager über seine langfristig erbrachte Leistung beurteilt. Das gilt auch für unser Haus.

Nehmen wir T. Rowe Prices Kompetenz im US-Aktien-Bereich. Dort erzielten 100 Prozent unserer aktiven institutionellen Strategien im Durchschnitt positive Überrendite über Zeiträume von drei, fünf und zehn Jahren. So können wir uns vom Markt abheben.

Manche Asset Manager versuchen sich zunehmend mit themenbasierten Strategien zu profilieren. Macht das Sinn?

Es stimmt, dass momentan speziell Themen rund um Technologie verstärkt nachgefragt werden. Andere themenbasierten Strategien dürften aber eher angebotsgetrieben sein.

«Wir beschäftigen uns intensiv mit maschinellem Lernen»

Wir besinnen uns weiterhin darauf, entlang der klassischen Anlageklassen ausgeglichene Portfolios aufzubauen, die langfristig Rendite erzielen. Entscheidend für uns ist, ob eine Strategie einen Mehrwert bringt. Dabei muss sie in eine bestehende Asset Allokation sinnvoll eingebettet werden können und sich innerhalb von fünf Jahren zu einem wichtigen Bestandteil entwickeln. Wenn dies der Fall ist, macht die Strategie für uns Sinn.

Die Digitalisierung ist daran, die gesamte Finanzbranche tiefgreifend zu verändern; neue Akteure, Fintechs, übernehmen einzelne Geschäftsbereiche der angestammten Institute. Welchen Einfluss hat die Digitalisierung aufs Asset Management?

Wir beschäftigen uns intensiv mit maschinellem Lernen. Die jüngsten Fortschritte im Cloud Computing, sinkende Speicherpreise zusammen mit der Verfügbarkeit neuer Datensätze setzen hier neue Möglichkeiten frei. Oftmals ist der Zusammenhang zwischen der Leistung des Unternehmens und seines Marktwerts nicht ganz klar.

Machine Learning kann Millionen von Datenpunkten analysieren, die als Modell verwendet werden können, um zu sehen, wie Bewertungen auf sich ändernde Fundamentaldaten reagieren. So können Verbrauchertrends auf der Ebene des einzelnen Käufers analysiert werden.

«Wir leben seit über 80 Jahren nach der Prämisse von Thomas Rowe Price»

Unsere Retail-Analysten prüfen beispielsweise anhand anonymisierter Kreditkartendaten, welche Marken in einer bestimmten Kategorie am besten dazu beitragen, Kunden zu binden. Wir können sehen, wie sich die Ausgaben der Kunden im Laufe der Zeit verändern. Dies hilft unseren Analysten, differenziertere Prognosen über das Umsatzwachstum eines Unternehmens zu treffen, als nur die Entwicklung der Topline-Zahlen zu betrachten.

Welchen Stellenwert hat das Schweizer Asset Management innerhalb eines grossen US-Vermögensverwalters wie T. Rowe Price?

T. Rowe Price ist im EMEA-Raum signifikant gewachsen. Innerhalb dieser Region ist die Schweiz ein wichtiger Markt, da sie über sophistizierte Investoren sowohl auf der intermediären als auch auf der institutionellen Seite verfügt.

Vorausblickend wollen wir an die Fortschritte der ersten zehn Jahre anknüpfen und die Marke sowie das Bewusstsein für unsere Anlagemöglichkeiten weiter steigern.

Wie positioniert sich T. Rowe Price in der Schweiz – und wie sehen die Ausbau- oder Wachstumspläne für 2020 hierzulande aus?

Wir leben seit über 80 Jahren nach der Prämisse von Thomas Rowe Price Jr. «Wenn wir uns um unsere Kunden kümmern, werden sie sich um uns kümmern». Das führte dazu, dass wir heute global aufgestellt sind und eine der grössten Research-Plattformen weltweit anbieten.

Dabei investieren wir weiterhin unabhängig von Marktzyklen in unsere Fähigkeiten. Wir verstehen uns als Lösungsanbieter für unsere Kunden in Bereichen wie US-Aktien, globale Aktienstrategien, Aktien aus Schwellenländern und nachhaltige Anlagelösungen. In den vergangenen fünf Jahren haben wir zudem enorm in den Ausbau unserer Produktpalette für festverzinsliche Produkte investiert.


Paolo Corredig ist Länderchef von T. Rowe Price in der Schweiz. Er stiess Anfang August 2012 als Head of Intermediary Business zum Unternehmen. Zuvor war er bei Invesco Schweiz tätig, wo er während sechs Jahren den Fondsvertrieb leitete. Davor arbeitete er in verschiedenen Positionen bei der Basler Bank Sarasin (heute J. Safra Sarasin) sowie im Vertrieb von Julius Bär, der Dresdner Bank und bei Zurich Financial Services.

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