Das Wirtschaftswachstum werde heute vorwiegend durch geistiges Eigentum getrieben, was zu wenigen Gewinnern und vielen Verlierern führe, sagt Paolo Corredig im Interview mit finews.ch. «Die Bewältigung dieses Ungleichgewichts ist eines der entscheidenden Themen des zukünftigen Asset Managements», sagt der Länderchef von T. Rowe Price in der Schweiz.


Herr Corredig, Asset Management wird oft missverstanden oder unterschiedlich ausgelegt. Wie definieren Sie Ihr Metier?

Einfach ausgedrückt verwaltet ein Asset Manager die Gelder von professionellen Investoren, um eine risikoadjustierte Zusatzrendite zu erreichen. Das heisst, wir arbeiten eng mit Banken, Pensionskassen oder unabhängigen Vermögensverwaltern zusammen, die uns mit dem Management ihrer Portfolios entlang verschiedenster Assetklassen betrauen.

Asset Management soll gemäss einer kürzlichen Umfrage in zehn Jahren auf dem Schweizer Finanzplatz wichtiger sein als die Königsdisziplin Private Banking. Wie erklären Sie sich eine solche Entwicklung?

Wir reden hier ja nicht von einem Wettbewerb zwischen den zwei Bereichen, sondern von einem Miteinander. Während das Asset Management Anlagelösungen zur Verfügung stellt, dienen die Banken – seien dies Grossbanken, Kantonalbanken oder Privatbanken – als Absatzkanal oder auch als «Verwender».

«Der Übergang zu nachhaltigen Investments bringt Chancen wie auch Risiken für Anleger»

Ich persönlich bin für beide Disziplinen optimistisch, denn der Bedarf an professionellen Anlagelösungen und Beratung wird eher noch zunehmen.

Warum?

Denken wir nur an die Altersvorsorge. Angesichts der rekordtiefen Zinsen sinken die Renten in der zweiten Säule. Die private Vorsorge wird immer wichtiger. Daneben braucht es immer mehr Spezialistenwissen, um beispielsweise in aufstrebende Märkte wie China zu investieren. Ohne entsprechende Research-Teams vor Ort sind solche Aufgaben nur schwer zu stemmen.

Aber auch der Übergang zu nachhaltigen Investments bringt Chancen wie auch Risiken für Anleger. Asset Manager sind folglich gefragt, weil sie hier ihr Spezialistenwissen einbringen können.

Die Schweiz ist als Wealth-Management-Standort Spitze. Wo liegt sie im internationalen Vergleich in Sachen Asset Management?

Schweizer Asset Managern ist es gelungen, sich in gewissen Assetklassen und vor allem in Nischen erfolgreich zu positionieren. So beispielsweise in gewissen Sektor-Strategien, im Bereich Private Equity oder bei Themeninvestments.

«Ich kann mich noch gut erinnern, wie die Schweiz vor Jahren viele Hedgefonds angezogen hat»

Hier liegen sie, soweit ich das beurteilen kann, auf Augenhöhe mit der internationalen Konkurrenz.

Man spricht seit langem vom Swiss Private Banking und verbindet dies mit verschiedenen Werten und Tugenden. Gibt es auch ein Swiss Asset Management, und was könnte man sich darunter vorstellen?

Ich kann mich noch gut erinnern, wie die Schweiz vor Jahren viele Hedgefonds-Anbieter angezogen hat. Solch eine Clusterbildung sehe ich heute nicht mehr – vielleicht am ehesten noch bei spezialisierten Private-Equity-Managern.

Asset Management ist weniger standortgebunden als dies im Private Banking der Fall ist, wenn man den Vertrieb mal ausblendet. Selbstverständlich unterstützen Faktoren wie ein stabiles politisches Umfeld, gute Hochschulen und ein liberales Wirtschaftsumfeld die Ansiedelung und Entwicklung.

«Und doch macht die Grösse allein keinen guten Asset Manager aus»

Eine Chance sehe ich im Bereich Talentmanagement. Das Asset Management beruht in hohem Masse auf der Kompetenz im Research- und Portfolio-Management. Gelingt es uns hier, Talente anzuziehen und zu fördern, können wir sehr optimistisch in die Zukunft blicken.

Braucht ein Asset Manager eine kritische Grösse, um langfristig Erfolg zu haben?

Es ist eine klare Tendenz in Richtung grösserer, global agierender Asset Manager feststellbar. Ich nehme hier aber hoch spezialisierte Nischenplayer aus – beispielweise ein auf US Value Investing ausgerichtetes Haus.

Wir haben in den vergangenen Jahren einige Mega-Mergers- respektive -Akquisitionen gesehen. Natürlich stehen hinter diesen Transaktionen auch finanzielle Überlegungen auf der Kostenseite. Es geht aber auch darum, dass grosse Wealth Manager ein möglichst breites und kompetitives Angebot von einem Asset Manager erwarten. Und doch macht die Grösse allein keinen guten Asset Manager aus.

Was sind also die Erfolgsfaktoren in diesem Geschäft?

Entscheidend ist eine starke Positionierung, eine klare Angebotspalette, ein hoher Wiedererkennungsgrad der Marke und damit einhergehend eine klare und transparente Anlagephilosphie. Überall mitmischen, wird nicht mehr gehen.

Was muss ein Asset Manager bieten, um zu den Gewinnern von morgen zu gehören?

Asset Management ist ein langfristiges Business. Anlagekompetenz und -stil sind zuweilen über Jahrzehnte in den Häusern aufgebaut worden. Das hört sich jetzt etwas romantisch an, aber beispielweise erfordert es viel Weitsicht, die Trends von Morgen zu erkennen.

Was braucht es dafür?

Zuweilen setzt dies eine visionäre Anlageidee und -philosophie voraus. So hat beispielsweise unser Firmengründer Thomas Rowe Price Jr. das moderne Growth-Stocks-Investing ins Leben gerufen. Anlagestrategien und -produkte werden vielfach über längere Zeiträume zuerst im eigenen Hause getestet, bevor sie auf dem Markt kommen und unseren Kunden zugänglich gemacht werden.

«Ich glaube, die Diskussion muss anders geführt werden»

Kontinuität und Stringenz in den Anlageentscheiden ist also ganz zentral. Man muss aber auch agil sein, um auf sich verändernde Trends reagieren zu können. Das sieht man beispielsweise in der technologischen Disruption, die enorme Anlageopportunitäten geschaffen hat.

Im Asset Management wütet so etwas wie ein Glaubenskrieg zwischen aktivem und passivem Investieren. Wie stehen Sie dazu?

Ich glaube, die Diskussion muss anders geführt werden. Solange aktive Asset Manager den Kunden einen Mehrwert durch nachhaltiges risikoadjustiertes Alpha bieten, werden sie auf eine grosse Nachfrage stossen. Oder anders ausgedrückt: Wer sich über etliche Marktphasen bewährt, steht heute sehr gut da. Aber für Investoren ist es bisweilen schwierig, die richtigen aktiven Asset Manager auszuwählen.

Ein brisantes Thema im Asset Management ist der anhaltende Margendruck. Weshalb ist das so, und was lässt sich dagegen tun?

Wenn ein Asset Manager Alpha, also eine Outperformance über einen längeren Zeitraum generiert, steht die Pricing-Diskussion mit den Kunden nicht im Vordergrund. Der Trend zu kostengünstigen passiven Produkten wird aber anhalten.

Was sind die Anlagethemen der Zukunft im Asset Management?

Der Megatrend schlechthin, und das hat auch die eingangs erwähnte Umfrage gezeigt, sind nach nachhaltigen Grundsätzen verwaltete Anlagelösungen. Gerade der Bereich Carbon Neutrality steht bei professionellen Investoren wie Pensionskassen ganz oben auf der Agenda.

«Dies hat zu einer Welle von Protesten, Unbehagen und Unzufriedenheit geführt»

Zugleich haben Demografie, Automatisierung und ein Überangebot an Energie dazu geführt, dass wir heute in einer Welt des Überflusses leben. Die technologische Entwicklung setzt in jeder Branche enorme Kapazitäten frei und sorgt für Disruption und Deflation. Dies bringt eine ganze Reihe von Problemen mit sich.

Welche denn?

So wird beispielsweise das Wachstum vorwiegend durch geistiges Eigentum angetrieben, was zu wenigen Gewinnern und vielen Verlierern führt. Die mittleren Einkommen steigen dabei nicht schnell genug. Dies hat zu einer Welle von Protesten, Unbehagen und Unzufriedenheit unter der Bevölkerung geführt.

Ich denke, dass die Bewältigung dieses Ungleichgewichts eines der entscheidenden Themen des zukünftigen Asset Managements sein wird.

Welche Rolle spielt die fortschreitende Digitalisierung im Asset Management – spielt sie überhaupt eine Rolle?

Für Asset Manager eröffnen Technologien neue Horizonte. Die Wirtschaftsberatungsgesellschaft PwC widmete sich im Rahmen ihres 24. CEO-Surveys für das internationale Asset Management diesem Thema: Demnach glauben 90 Prozent der Asset-Management-CEOs, dass der Markt sich in den kommenden fünf Jahren durch Künstliche Intelligenz (KI) signifikant verändern wird.

«Dies hebt uns von einigen Unternehmen an der Wall Street ab»

Daten über Kundenpräferenzen und -bedürfnisse und deren Analyse sind mitentscheidend für den Langzeiterfolg ihrer Unternehmen. Im Zentrum unseres Anlageprozesses werden aber weiterhin Menschen stehen, nicht Computer und Algorithmen. Dies hebt uns von einigen Unternehmen an der Wall Street ab, sich bei Anlageentscheidungen zunehmend auf Computer verlassen.

Aber ganz ohne Digitalisierung wird es nicht gehen.

Natürlich setzen wir auch auf Hightech-Lösungen, um unsere Kunden besser zu betreuen und bessere Anlageergebnisse zu erzielen. So haben wir vor einigen Jahren das New Yorker Technology Development Center eröffnet. Dieses Institut versteht sich als Technologiebeschleuniger und legt den Fokus auf die Entwicklung spezialisierter Fähigkeiten im Bereich der Datennutzung und -verarbeitung.

Die Mitglieder unseres Teams in New York arbeiten eng mit unserer Anlagesparte zusammen und versuchen, die neuen enormen Möglichkeiten der Technologie dazu zu nutzen, ihr Research und ihre Entscheidungsprozesse zu verbessern.


Paolo Corredig ist Länderchef von T. Rowe Price in der Schweiz. Er stiess im August 2012 als Head of Intermediary Business zum Unternehmen. Zuvor war er bei Invesco Schweiz tätig gewesen, wo er während sechs Jahren den Fondsvertrieb leitete. Davor arbeitete er in verschiedenen Positionen bei der Basler Bank Sarasin (heute J. Safra Sarasin) sowie im Vertrieb von Julius Bär, der Dresdner Bank und bei Zurich Financial Services.

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