In der Welt der unabhängigen Vermögensverwalter findet eine Institutionalisierung statt. Was das bedeutet, erklärt Sergej Huber von Lombard Odier im Interview mit finews.ch


Herr Huber, die Branche der unabhängigen Vermögensverwalter ist aufgrund der verschärften Regeln und Bestimmungen in Bewegung. Trotzdem ist die viel zitierte Konsolidierung bislang ausgeblieben. Warum?

In der Welt der unabhängigen Vermögensverwalter oder External Asset Managers (EAM) findet eine Institutionalisierung statt. Auf der einen Seite werden Fachexperten und Spezialisten in den grösseren Organisationen mehr in die Verantwortung gezogen, um das jeweilige Unternehmen nach vorne zu bringen, andererseits erarbeiten sich kleinere Organisationen mit einem Boutique-Ansatz eine echte Nischen-Positionierung.

Mit anderen Worten: Die Konsolidierung wird bis auf weiteres auf die lange Bank geschoben?

Die EAM-Konsolidierung ist hinsichtlich der regulatorischen Bedingungen und Konsequenzen für viele Player unweigerlich ein Thema. Es muss aber nicht zwangsläufig ein «Like for like»-Merger sein. Es gibt verschiedene Varianten des Zusammenkommens.

«Auch die Gewinnung von Neugeld wird schwieriger»

Ebenfalls interessant ist, dass wir aktuell gewichtige Personalrotationen sehen. «Seniors» bewegen sich von einem EAM zu einem andern – oder wieder zu einer Bank zurück, sofern sie gut sind, sprich über einen treuen Kundenstamm verfügen.

Insofern ist ein «War for Talents» auch unter den EAM-Organisationen durchaus spürbar.

Wie verändert sich die Branche ganz generell?

Wir sehen, dass die Bedürfnisse und Erwartungen der Endkunden komplexer werden. Dadurch wird auch die Gewinnung von Neugeld schwieriger. Viele EAMs mussten gerade aufgrund der Erfahrungen mit der Corona-Pandemie ihre Arbeitsmodelle überdenken, teilweise in neue Gebiete vordringen und ihre Zielmärkte ausbauen.

«Die Entwicklung einer ausgereiften Technologie-Strategie ist zeitintensiv»

In diesem Zusammenhang ist es auch interessant zu beobachten, wie flexibel man heutzutage ein Geschäftsmodell durch Outsourcing und technologische Anbindungen ausrichten kann.

Können Sie das noch etwas genauer erklären?

Die Entwicklung einer ausgereiften Technologie-Strategie ist zeitintensiv und hat nicht für alle Vermögensverwalter die gleiche Priorität, obwohl die Prozesseffizienzen und die Kostenreduktionen notwendig sind, um ein bestehendes Geschäftsmodell weiter zu optimieren. Hier können wir als Lombard Odier mit unserer integrierten Bankenplattform den EAMs einen vielschichtigen Mehrwert liefern.

«Es ist wichtiger denn je, die EAMs und ihre Anliegen richtig zu verstehen»

Denn für uns ist das digitale Ökosystem zwischen Kunde, EAM und Bank der Schlüsselfaktor unserer Angebotspalette. Wir bauen sie auch laufend aus – nicht nur intern, sondern auch extern, beispielsweise indem wir zusammen mit anderen Depotbanken «WeCan Comply» unterstützen. Das ist eine Blockchain-basierte Plattform zum Austausch von standardisierten Compliance-Informationen.

Was kommt als nächstes?

Im derzeit unberechenbaren Umfeld ist es wichtiger denn je, die EAMs und ihre Anliegen richtig zu verstehen. Vor diesem Hintergrund erweitern wir unser Angebot, sei es im Anlagebereich oder über unsere verschiedenen Beratungsansätze für EAMs als Unternehmer, etwa bei Nachfolgeregelungen oder bei allfälligen Konsolidierungsschritten.

«Wir sind unter diesen Prämissen selber stark gewachsen»

Wir betreiben das EAM-Geschäft seit mehr als 30 Jahren, bringen folglich eine lange Erfahrung mit und sind unter diesen Prämissen auch selber sehr stark gewachsen.

Wie hat sich das Geschäft seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor rund 18 Monaten entwickelt?

Viele unserer EAM-Partner haben in dieser Zeit unglaublich schnell und professionell reagiert: «Work from home»-Konzepte wurden implementiert, die IT Infrastruktur wurde in kürzester Zeit ausgebaut, die Kommunikation mit Kunden und relevanten Geschäftspartnern wurde auch auf neuen Kanälen aktiv gesucht.

«Die Pandemie half, Stärken und Schwächen in der eigenen Positionierung zu identifizieren»

Relationship Managers, denen es während der Pandemie nicht möglich war, ihre ausländischen Kunden zu besuchen, mussten sich neu orientieren. Sie haben teilweise anderen Märkte für sich entdeckt. Das starke Wachstum der Kundengelder in den ersten sechs Monaten von 2021 beweist, dass viele EAMs diese Zeit gut für sich genutzt haben.

Möglicherweise hat Corona eine katalysierende Wirkung auf die EAM-Welt. Die Pandemie half, Stärken und Schwächen in der eigenen Wertschöpfung und Positionierung zu identifizieren. Diese Erkenntnisse sind nun vorhanden und helfen in den anstehenden Entscheidungen rund um die strategische Unternehmensausrichtung.


Seit Anfang April 2017 leitet Sergej A. Huber die Betreuung der unabhängigen Vermögensverwalter bei Lombard Odier in Zürich. Er ist für die gesamte Deutschschweiz verantwortlich. Er ist seit mehr als 20 Jahren in der Bankbranche tätig. Vor Lombard Odier war er zuletzt als Leiter Investment Advisory International und Leiter Investment Advisory Services bei der Credit Suisse (CS) tätig. Davor verantwortete er den Bereich Strukturierte Produkte innerhalb der Private-Banking-Einheit der CS. Er besitzt einen Executive Master in Business Administration der University of Maryland Smith School of Business.