Traditionsreiche Finanzzentren wie London oder New York sind in ihrer Existenz bedroht. Die Gefahren müssen auch am Schweizer Finanzplatz aufschrecken.

Der Brexit – der sich nun gerade gejährt hat – ist nur die halbe Wahrheit. Der Austritt Grossbritanniens aus der EU ist lediglich einer der Gründe, weshalb das globale Finanzzentrum London an seiner Bedeutung verliert: Es seien vielmehr weitere Entwicklungen, die etablierten Finanzplätzen, wie der Londoner «City», aber auch New York, die Butter vom Brot nähmen, wie die Agentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig) feststellte.

Technologie und Regulierung hätten nämlich in der jüngsten Vergangenheit den Fluss von Informationen dermassen verändert, dass es keine triftigen Argumente mehr gebe, unbedingt von der Stadt an der Themse oder von der Metropole am Hudson River aus operieren zu müssen.

Miami und Dallas

Das hat die US-Hochfinanz bereits gegriffen. Die Grossbank J.P. Morgan expandiert mit ihren Geschäftsaktivitäten in Paris und baut dort neue Handelsplätze auf. Das Wall-Street-Haus Goldman Sachs verlagert nach Miami und sucht zudem Büroflächen in Dallas, führt der Beitrag exemplarisch auf.

Die Coronavirus-Pandemie hat den Firmen zusätzlich klargemacht, wie wenig physische Nähe in Büroräumen für zahlreiche Tätigkeiten noch zählt. Gerade in Finanzangelegenheit kann inzwischen sehr viel «remote» erledigt werden.

Kommunikation revolutioniert

Noch vor nicht allzu langer Zeit waren viele Informationen lediglich an den Traditionsbörsen verfügbar gewesen. Trader haben sich dort, am Kaffeeautomaten oder im Pub nebenan, über viele Jahrzehnte lang ausgetauscht. Das ist alles vorbei. Um etwas über Investitions-Möglichkeiten zu erfahren, muss heutzutage aber auch niemand mehr mit einem Finanzberater in einem teuren Restaurant, in einer Lobby eines Luxushotels oder einem Büro mit alten Gemälden sitzen.

Sämtliche Kommunikation, sogar von Privattelefonen, wird mittlerweile erfasst und kann somit nachvollzogen werden, wie auch finews.ch etwa über den geplanten Zugriff der Credit Suisse auf die private Handys der Bankmitarbeitenden berichtete. Auch Bankaktivitäten, wie das Überwachen von Risiken oder die Steuerung von Risikokapital, erfolgen vollautomatisch und brauchen keine Tätigkeiten auf lautem Handelsparkett mehr.

Dublin und Palm Beach locken

Goldman Sachs und J.P. Morgan wollen zwar, dass die Mitarbeitenden trotz der Ausbreitung des Coronavirus wieder rasch in die Büros zurückkehren. Allerdings müssen dies nicht mehr unbedingt in New York, London, oder etwa in Zürich geschehen. Als Alternativen stünden zahlreiche Städte wie Dublin oder Frankfurt beziehungsweise Palm Beach oder Austin bereit.

Auch die Italiener machen mit Steueranreizen etwa Mailand hübsch, gleich hinter der Schweizer Grenze, um künftig als Finanz-Hub zu fungieren. Steuervorteile winken Geldhäusern laut dem Bericht auch in Florida oder Texas, weshalb die Banken auch immer mehr Aktivitäten dorthin verlagern – problemlos, wie sich versteht, dank der Technologie.

Belegschaften erfreut

Für die Mitarbeitenden locken ohnehin weitere Vorteile, wie günstigeres Wohnen und bessere Lebensqualität für Familien sowie hochkarätige Bildungseinrichtungen, wie etwa in Dublin das Trinity College, eine der besten Universitäten der Welt.

Ein Aspekt spielt beim Untergang der traditionellen Finanzzentren zusätzlich eine Rolle. Der jüngeren Generation sind physische Treffen und Finanzberatung in ehrwürdiger Umgebung nicht so wichtig. Das vor Energie sprudelnde Fintech-Ambiente sagt da den Reichen der Zukunft schon mehr zu.

Die Smartphones und Computer-Bildschirme dieser Welt sind deshalb die wahren Herausforderungen für Finanzplätze wie London und New York. Das dürfte für die Finanzdienstleister Zürich und Genf nicht viel anders sein – die Standortpolitik verschwimmt damit zusehends, wie finews.ch bereits feststellte. Und mit dem Tessin, nahe Mailand, bietet sich eine Alternative sogar in der Schweiz.

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