Als Folge von Corona leeren sich die Finanzplätze. Mehr denn je stellt sich so die Frage nach dem Sinn der Standortpolitik. Dabei gäbe es gute Gründe, warum das Swiss Banking zu mehr taugen könnte, als schon bald zum Freilichtmuseum Ballenberg zu gehören.

Rund um den Globus machen Beobachter dieselbe gespenstische Erfahrung. Manhattan, wo die Finanzgrössen der Wall Street geschäften, gleiche einer Geisterstadt, schreibt der Blogger James Altucher in einem viel beachteten Beitrag.

Viele der ins Home-Office relegierten Finanzprofis kehrten nicht mehr zurück. Sie würden sich fortan von so weit entfernten Orten wie dem US-Bundesstaat Arizona ins Büro «zoomen».

Verwaiste City, leeres Genf

Aus London, dem grössten Finanzplatz Europas, berichtet das Wirtschaftsblatt «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) ähnliches. Dort bereiten die Arbeitgeber das permanente Homeoffice für ihr Personal vor. Die «City» mit ihren Geschäften, gediegenen Clubs, Restaurants und Kulturangeboten drohe zu verwaisen.

Ähnliche Sorgen macht man sich neuerdings auch in Genf, wo die grossen Privatbanken Pictet und Lombard Odier der Innenstadt den Rücken kehren. Und am (gestrigen) Dienstag jubilierte die in Zürich beheimatete Credit Suisse (CS) Schweiz angesichts der Mietausgaben, welche die Grossbank dank ihres neuen Digitalbankin einsparen will.

Ohne Standort keine Standortpolitik

Stell dir vor, es gibt einen Finanzplatz, und keiner geht hin, liesse sich in Anlehnung an den Schriftsteller Bertolt Brecht postulieren: Ohne die Mitarbeitenden und die Büros, ohne die Bankfilialen, lässt sich das Metier nicht mehr in der gewohnten Manier ausüben.

Ohne geographische Verortung hat es aber die Standortpolitik schwer – greifbar blieben am Ende nur die imposanten Fassaden am Zürcher Paradeplatz und an der Genfer Place de la Corraterie.

Droht die «Ballenbergisierung»?

Wie die finews.ch-Autoren Claude Baumann und Peter Hody schon 2014 in einem Artikel für das Schweizer Magazin «Weltwoche» feststellten, droht am Ende die «Ballenbergisierung» der für die Schweizer Volkswirtschaft so wichtigen Branche.

Natürlich lässt sich einwenden: Es gibt ja noch die Swissness. Der Schweizer Finanzplatz steht für weltweit anerkannte Werte wie Stabilität, Qualität, Diskretion. Hierzulande werden auch immer noch die meisten Offshore-Vermögen gebucht, so wie in London die Kapitalmarkt-Fäden Europas zusammenlaufen, an der Wall Street die führenden Investmentbanken operieren und in Hongkong und Singapur der Handel mit den asiatischen Schwellenländern boomt. Damit hat alles seinen Platz und seine Ordnung.

Die Wahl zwischen Gafa und Alibaba

Doch mit dem durch die Pandemie ausgelösten Digitalisierungs-Schub verschwimmen die historisch gewachsenen Eigenheiten. Die aufkommenden Finanz-Ökosysteme nehmen auf Landesgrenzen keine Rücksicht, während sich in der alles bestimmenden Technologiebranche eine bipolare Weltordnung abzeichnet.

Hüben die amerikanischen Gafa-Konzerne Google, Apple, Facebook und Amazon, drüben die eng mit dem Staat verbundenen chinesischen Riesen wie Alibaba, Ping An und Huawei.

Mittelfristig stellt sich für die Banken aller Länder wohl die Frage, in welches Lager sie sich schlagen. Eine Zukunft als Google- oder Alibaba-Satellit erscheint allerdings wenig erstrebenswert.

Solche Gedanken – drei Vorschläge

Umso dringender müsste über eine neue Raison d’être für den Schweizer Finanzplatz nachgedacht werden. Solche Gedanken müssten über die kurzfristigen Kosten- und Ertragsziele des eigenen Instituts hinausgehen, wären also Zusatzaufgaben für die Bankchefs und Verwaltungsräte.

finews.ch hat drei Vorschläge zusammengetragen – in Anlehnung an erhellende Expertenmeinungen, die am «Branchentalk Banken» vom (gestrigen) Dienstag in Bern zu hören waren.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.63%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.24%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.48%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.44%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.22%
pixel